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Charity nickte. »Wieviel von unserer Ausrüstung ist eigentlich auf der Hülle, und wieviel bei uns im Inneren?«

»Das meiste ist draußen. Tut mir leid, aber während Sie in Köln waren, hatten wir ein paar Probleme mit dem Umbau. Es war wesentlich weniger Platz hier im Inneren als erwartet. Die Jared sind wohl mit der Moroni-Konstruktion nicht so vertraut, wie sie sagen.« Er grinste. »Ganz zu schweigen von militärischer Taktik und Planung. Ich bin ganz froh darüber, daß wir sie nicht bei uns haben.«

»Ja«, stimmte Charity einsilbig zu. Das war ein Streitpunkt gewesen, und ein Grund, warum sie vom Pol aus nach Köln geflogen war, um sich die Daten über MacDonald persönlich zu holen. Seit Stone innerhalb der Jared aufgestiegen war, vertraute sie ihren seltsamen Verbündeten noch weniger als den Moroni. In Köln hatte sie ein wenig Ruhe zum Nachdenken gehabt, aber während ihrer Abwesenheit waren am Pol einige Entscheidungen getroffen worden, die ihr nicht gefallen hatten.

So, wie es Stone nicht gefallen hatte, daß sie keine Jared an Bord genommen hatte.

Sie dachte an Hartmann, dessen Sachverstand ihr jetzt fehlte. Eine Pilotenausbildung befähigte sie dazu, Soldaten und Ausrüstung von A nach B zu transportieren, aber sie half ihr wenig dabei, sicherzustellen, daß hinterher auch etwas von B nach A zurücktransportiert werden konnte. Und sie dachte an Kyle. Es war dringend an der Zeit, einem Jared einige Fragen über die Jared zu stellen, aber es gab nur einen Jared, dessen Antworten sie zumindest ansatzweise Vertrauen schenken würde. Sie verzog unwillkürlich das Gesicht zu einem Lächeln. Es war wohl typisch für diese wirren Zeiten, daß sie ausgerechnet einem Mann vertraute, der schon alles gewesen war, Mensch, Moroni und schließlich Jared, und dessen Menschlichkeit von Beginn an in Zweifel zu ziehen war. Sie sah auf und bemerkte Skudders besorgten Blick. »Ich bin nur müde«, beruhigte sie ihn. »Laß uns ein paar Stunden schlafen.«

2

Auf den ersten Blick sah es wie ein gewaltiger Wirbel-Sturm aus, eine Spirale aus dunklen Wolken, die zum Rand hin im Sonnenlicht wie weiße Watte wirkten. Der Gleiter schwankte, als sie von Turbulenzen erfaßt wurden, und Governor Stone mußte sich an seinem Sitz festhalten.

»Kaum zu glauben«, sagte er.

»Was?« fragte Gurk, der nicht weit entfernt zwischen einer großen Zahl von Meßgeräten hockte, von denen jedes einzelne mehr Platz einnahm als er selbst.

»Dieser Zyklon«, erklärte Stone. »Er wird von denselben Kräften geformt wie jeder kleine Strudel in einer auslaufenden Badewanne, und er sieht genauso aus.« Aber war das nur die halbe Wahrheit. Der Wirbelsturm war da, weil die Corioliskräfte die nach Norden stürzenden Luftmassen in eine spiralförmige Bewegung zwangen, und die Luftmassen bewegten sich nach Norden, da über dem Pol eine Tiefdruckzone entstanden war, wie es sie in dieser Ausdehnung noch nie zuvor auf der Erde gegeben hatte. Der Ursprung der Tiefdruckzone dagegen hatte überhaupt nichts mit Wetterfronten und ungleichmäßiger Erwärmung zu tun. Die gewaltige, zwölf Kilometer hohe Turbine aus Wolken, Wasser und Luft, die sich dem Gleiter rasch näherte, wurde von ganz anderen Kräften angetrieben als der schwachen Polarsonne.

»Natürlich«, versetzte Gurk mit ätzender Stimme. »Überhaupt kein Unterschied, abgesehen davon, daß Ihr sogenannter Zyklon zweihundert Kilometer Durchmesser hat und daß der Abfluß ein vier Kilometer großes Loch in der Wirklichkeit ist, in dem jede Minute ein Teil der Atmosphäre Ihres Planeten auf Nimmerwiedersehen verschwindet, Stone. Von Eis, Meerwasser und Felsgestein einmal ganz zu schweigen.«

Der Gleiter schwankte noch einmal heftig, und der Jared-Pilot zog die Maschine ohne Kommentar auf einen sicheren Kurs. Zwei andere Gleiter bewegten sich auf der bisherigen Bahn weiter, dem Wirbelsturm entgegen. Die Piloten hatten den Befehl, sich in den Wirbelsturm hineintragen zu lassen, um den elektronischen Augen an Bord einen Blick auf die Quelle des dunklen Infernos aus Regenwolken und Sturmfronten zu gewähren. Niemand erwartete, die beiden Ameisen jemals wiederzusehen, aber anscheinend machte das für die sich immer rascher ausbreitende Jared-Gemeinschaft keinen großen Unterschied. Die Jared-Gleichgültigkeit gegenüber einem einzelnen Leben übertraf Stones in Jahrzehnten erworbene Kaltschnäuzigkeit bei weitem. Er mußte sich beim Anblick einer Ameise gewaltsam daran erinnern, daß es sich nicht mehr um Moroni handelte, denen er diente, sondern um ein Kollektiv ganz anderer Art, das auf seine Art sehr viel hellsichtiger und aufmerksamer war, als es die Moroni und ihre verborgen gebliebenen Herren jemals gewesen waren.

»Wir hätten Satelliten einsetzen sollen«, sagte er, als der Gleiter wieder zu schlingern begann.

»Die Wolkendecke hat sich über dem Pol vollkommen geschlossen«, schnappte der Zwerg. »Wir haben oft genug darüber diskutiert. Achten Sie lieber auf die Übertragung. Ich habe keine Lust, diese Besichtigungstour wiederholen zu müssen, nur weil der Kontakt zu den Beobachtern verlorengegangen ist.«

Kein Wort über die beiden Beobachter, die ganz sicher verlorengehen würden und die bei einer Unterbrechung der Funkverbindung ganz umsonst in den Wirbelsturm hineingeschickt worden wären. Stone wandte sich achselzuckend wieder der Konsole zu. Er traute Gurk nicht über den Weg. Seit die Jared Gurk mit der Aufgabe betraut hatten, das Loch am Pol zu schließen, war der Zwerg die meiste Zeit unausstehlich gewesen. Hinzu kam, daß er Stone inzwischen weit überflügelt hatte, was die Jared-Auffassung von Nützlichkeit betraf; also hatte sich der Governor nach kurzer Zeit als Handlanger eines mißgelaunten Zwergs wiedergefunden, nur ein paar Tage, nachdem Charity Laird zum Mond gestartet war. Inzwischen argwöhnte er, daß man ihn benutzt hatte, um Charity aus dem Weg zu schaffen, und daß er seinen Wert für die Jared in dem Moment verloren hatte, in dem ihr Schiff vom Boden abgehoben hatte. Er nahm sich vor, sich die rätselhafte Botschaft bei Gelegenheit noch einmal anzusehen, die der Anlaß für das ganze Unternehmen HOME RUN gewesen war.

»Die Übertragung wird schwächer«, sagte er. Ein Regenschauer klatschte gegen die Scheiben im Cockpit. »Wir müssen die Entfernung verringern.«

Gurk reagierte mit einem lästerlichen Fluch. »Das heißt, weiter in den Sturm hinein.« Er reckte sich und machte den Piloten auf sich aufmerksam. »Halte den Abstand zu den Beobachtern«, rief er. »Bleib auf derselben Bahn wie sie, okay?«

Der Jared ließ mit keinem Wort erkennen, ob er die Anweisung verstanden hatte oder was er davon hielt, sein Leben zu riskieren. Zwei Zangenpaare bewegten sich mit augentäuschender Schnelligkeit auf der Konsole, die von menschlichen Händen nur mühsam bedient werden konnte, und der Gleiter kippte scharf zur Seite und folgte den beiden silbernen Scheiben, die vor ihnen in einem riesigen Gewölbe aus Regenwolken verschwanden. Gleich darauf hatte die schwarze Barriere sie verschluckt.

Stone richtete hastig die Augen wieder auf die Funkanlage. »Wozu riskieren wir unseren Hals?« fragte er. »Ich meine, was nützt es uns, genau zu wissen, wieviel das Loch inzwischen gewachsen ist? Ich sehe von hier aus, was es anrichtet.«

»Es wird nicht einfach größer«, sagte Gurk. »Da steckt ein Muster dahinter, und wenn wir das Muster nicht verstehen, dann haben wir keine Chance, dieses Loch jemals zu stopfen. Nicht einmal, wenn wir Ihren Hintern dazu benutzen würden, Stone.«

»Und was passiert, wenn wir nicht dahinterkommen?« fragte er und ignorierte die Bosheit. Gurk war ausgesprochen zugänglich auf diesem Flug, und vielleicht war dies die Gelegenheit, ein paar Informationen zu bekommen.

»Dann ist die Aufführung zu Ende«, sagte Gurk einfach. »Unsere idiotischen Freunde haben einen schweren Fehler begangen, als sie die Black-Hole-Bombe im Transmitter explodieren ließen.« Er deutete mit spitzem Finger auf Stones Hose. »Das ist ungefähr so, als wenn Sie den Reißverschluß da ein Stück aufgerissen hätten, Stone. Sie können noch soviel daran herumbasteln, die Öffnung wird immer größer werden, und jedesmal, wenn Sie mit den Fingern daran herumzerren, schnappen noch ein paar Zähne auseinander, und am Ende stehen Sie nackt da.« Der Zwerg grinste unverschämt. »Bildlich gesprochen.«