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Was die Bewohner des Gebietes angeht, so waren das meist Mestizen, nur vermischt mit einzelnen Indianerfamilien, die -vorzüglich die zugehörigen Frauen und Kinder - lieber in ihren Strohhütten hocken, als sich draußen zeigen.

Erst viel weiter oben am Strome konnten Onkel und Neffe mit den noch wilden Indianern des Orinoco in Berührung kommen, und da würde der Sergeant Martial allerdings gut thun, seine Flinte niemals zu vergessen.

Nach einem ziemlich ermüdenden, drei Stunden langen Ausflug in die Umgebung von Las Bonitas kehrten Beide zum Frühstück an Bord des »Simon Bolivar« zurück.

Zur gleichen Stunde setzten sich die Herren Miguel, Felipe und Varinas in der »Residenz« an die Tafel des Gouverneurs.

War die Speisekarte auch nur einfachen Art - und offen gestanden, kann man von dem Gouverneur einer Provinz ja nicht erwarten, was man von dem Präsidenten der venezuolanischen Republik vielleicht erwartet hätte - so fanden die Tischgäste dafür einen um so herzlicheren Empfang. Man sprach natürlich über die Aufgabe, die sich die drei Geographen gestellt hatten, der Gouverneur, als weltkluger Mann, hütete sich aber weislich, weder für den Orinoco, noch für den Guaviare oder den Atabapo Partei zu ergreifen. Ihm kam es ja darauf an, die Unterhaltung nicht in eine Streiterei umschlagen zu lassen, und wiederholt nahm er in dieser

Absicht Veranlassung, das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu lenken.

Als die Stimmen der Herren Felipe und Varinas auf einmal eine herausfordernde Schärfe annahmen, leitete er das Gespräch gleich auf ein andres Thema über.

»Ist Ihnen vielleicht bekannt, meine Herren, ob unter den Passagieren des »Simon Bolivar« einer oder der andre ist, der den Orinoco bis zu seinem Oberlaufe hinauf zu gehen gedenkt?

- Das entzieht sich unsrer Kenntniß, antwortete Herr Miguel. Es scheint jedoch, daß die Mehrzahl derselben entweder in Caicara zu bleiben oder die Fahrt auf dem Apure nach Ansiedlungen in Columbia fortzusetzen gedenkt.

- Wenn sich jene beiden Franzosen nicht nach dem obern Orinoco begeben, flocht Herr Varinas ein.

- Wie? Zwei Franzosen? bemerkte der Gouverneur.

- Ja, bestätigte Herr Felipe, ein alter und ein junger, die sich in Bolivar eingeschifft haben.

- Wohin wollen sie denn?

- Das weiß kein Mensch, versicherte Herr Miguel, denn sie sind nicht besonders mittheilsamer Natur. Will man mit dem Jüngeren eine Unterhaltung anknüpfen, so mischt sich gleich der Aeltere, der ein soldatisches Aussehen hat, mit wüthendem Gesichtsausdruck ein, und läßt man sich dadurch nicht abschrecken, so schickt er seinen Neffen - denn der andre scheint sein Neffe zu sein - mit barschen Worten in seine Cabine. Es ist eine Art Onkel, der sich als Vormund aufspielt.

- Und ich bedaure den armen Jungen, den er unter seinem Schutze hat, fügte Herr Varinas hinzu, denn er leidet offenbar unter seiner Härte, und mehrmals glaubt' ich schon in seinen Augen Thränen zu sehen.«

Der vortreffliche Herr Varinas hatte das in der That gesehen. Wenn die Augen Jeans aber dann und wann feucht wurden, kam es daher, daß er an die Zukunft dachte, an das Ziel, das er verfolgte, und an die Enttäuschungen, die ihn vielleicht erwarteten, nicht aber daher, daß ihn der Sergeant Martial zu streng behandelt hätte. Fremde konnten sich darüber freilich leicht täuschen.

»Uebrigens, fuhr Herr Miguel fort, werden wir jedenfalls noch heute Abend erfahren, ob die beiden Franzosen den Orinoco hinauszufahren beabsichtigen oder nicht. Es würde mich das erstere kaum wundern, weil der junge Mann unausgesetzt das Werk eines seiner Landsleute studiert, dem es vor einigen Jahren gelang, die Quellen des Stromes zu erreichen.

- Wenn sie nach dieser Seite hin, in dem Gebirgsstock der Parima liegen. rief Herr Felipe, von dem in seiner Eigenschaft als Verfechter des Atabapo eine solche Einrede ja ganz natürlich erschien.

- Und wenn man sie nicht im Zuge der Anden zu suchen hat, meldete sich Herr Varinas, da wo der fälschlich als Nebenfluß bezeichnete Guaviare entspringt.«

Der Gouverneur merkte, daß der Wortkampf gleich wieder auflodern würde.

»Meine Herren, sagte er zu seinen Gästen, der Onkel und der Neffe, von denen Sie sprechen, erregen meine Neugierde. Bleiben sie nicht in Caicara oder ist ihr Ziel nicht San-Fernando de Apura oder de Nutrias, sondern beabsichtigten sie wirklich, ihre Reise auf dem Oberlauf des Orinoco fortzusetzen, so wär' ich gespannt, zu erfahren, welchen Zweck sie damit verfolgten. Die Franzosen sind ja kühn, das geb' ich zu, sind wagemuthige Forscher. die Gebiete Südamerikas haben ihnen aber doch schon mehr als ein Opfer gekostet den Doctor Crevaux, der von den Indianern auf den Ebenen Bolivars erschlagen wurde, sowie seinen Begleiter, Francis Burban, dessen Grabstätte auf dem Friedhof von Moitaco sich schon nicht mehr nachweisen läßt. Ein gewisser Chaffanjon hat freilich bis zu den Quellen des Orinoco vordringen können.

- Wenn das der Orinoco ist! platzte Herr Varinas heraus, der eine ihm so ungeheuerliche Behauptung nicht ohne energischen Widerspruch hingehen lassen konnte.

- Gewiß, wenn das der Orinoco ist, antwortete der Gouverneur, und über diese geographische Frage werden wir ja nach Ihrer Reise, meine Herren, endlich aufgeklärt sein. Ich sagte also, daß jener Chaffanjon heil und gesund zurückgekehrt sei, freilich nicht, ohne wiederholt in Gefahr gewesen zu sein, wie alle seine Vorgänger niedergemetzelt zu werden. Man möchte wirklich behaupten, daß unser stolzer venezuolanischer Strom sie anlocke, diese Franzmänner, und ohne von denen zu sprechen, die jetzt unter den Passagieren des »Simon Bolivar« sind.

- Ja, das ist richtig, fiel Herr Miguel ein. Erst vor wenigen Wochen haben zwei dieser Wagehälse einen Zug durch die Ilanos östlich vom Strome unternommen.

- Wie Sie sagen, Herr Miguel. Es waren zwei junge Leute von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, der eine, Jacques Helloch, ein Entdeckungsreisender, der andre, namens Germain Paterne, ein Naturforscher, der den Kopf daran setzen würde, ein neues Grashälmchen zu finden.

- Und seit jener Zeit haben Sie nichts von ihnen gehört? fragte Herr Felipe.

- Nicht das geringste, meine Herren. Ich weiß nur, daß sie in Caicara an Bord einer Pirogue gegangen und daß sie, einer Meldung nach, bei Buena-Vista und bei la Urbana vorübergekommen sind, von wo aus sie sich auf einem der Zuflüsse des rechten Ufers hinausbegeben haben sollen. Von jener Zeit ab hat man nicht wieder von ihnen reden gehört, und man beunruhigt sich wohl mit Recht wegen ihres ferneren Schicksals.

- Hoffen wir wenigstens, sagte Herr Miguel, daß sie nicht in die Hände jener räuberischen und mordlustigen Quivas gefallen sind, die Columbia nach Venezuela hinüber gejagt hatte und die jetzt einen gewissen Alfaniz, einen aus dem Bagno von Cayenne entwichenen Sträfling, zum Anführer haben sollen.

- Ist das Thatsache? fragte Herr Felipe.

- Es scheint so, und ich wünsche Ihnen nicht, mit diesen Quivasbanden zusammenzustoßen, meine Herren, antwortete der Gouverneur. Uebrigens ist ja nicht ausgeschlossen, daß jene Franzosen einem ihnen gelegten Hinterhalte haben entgehen können und sie ihre Reise noch mit ebenso viel Glück und Muth fortsetzen, und endlich ist es ja möglich, daß sie heute oder morgen in einem der Dörfer des rechten Ufers wieder auftauchen. Möchten sie doch den gleichen Erfolg haben, wie ihr Landsmann! Man spricht hier aber auch noch von einem Missionär, der sogar noch weiter nach Osten zu vorgedrungen sein soll, von einem Spanier, einem Pater Esperante. Nach kurzem Aufenthalt in San-Fernando hatte dieser Pater nicht gezaudert, bis über die Quellen des Orinoco hinauszugehen.

- Des falschen Orinoco!« riefen gleichzeitig Herr Felipe und Herr Varinas.

Dabei schleuderten sie ihrem Collegen einen herausfordernden Blick zu, dieser aber neigte nur wenig den Kopf mit den Worten: