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Auf Kalktäfelchen, die er später zwischen den Fingern zerbröselte, zeichnete Hiram Plan um Plan und verbesserte unaufhörlich die Skizzen zu dem Werk, das im geheiligten Bezirk stehen und Salomos Tempel über viele Jahrhunderte berühmt machen sollte.

Kaleb tischte Hiram mit Rosmarin gebratenes Lamm auf. Trotz der Mißbilligung des Kochs bekam der Hund ein gut Teil davon ab.

«Läuft die Königin Gefahr, verurteilt zu werden?»

«Salomo bleibt nichts anderes übrig», antwortete Kaleb. «Es gibt zahlreiche Zeugen. Alle zerreißen sich das Maul darüber. Die Ägypterin hat sich zu lange der schwarzen Magie befleißigt.»

«Welche Strafe steht ihr bevor?»

«Die Steinigung.»

«Wie kann sie sich verteidigen?»

Kaleb dachte nach und trank dabei einen Becher Wein.

«Es gibt da ein Mittel… Ein sehr altes Ritual…»

«Und das wäre?»

«Die Probe mit bitterem Wasser. Die Angeklagte trinkt eine gräßliche Mischung aus Staub, Tierexkrementen und Pflanzenabfällen. Wenn sie erbricht, ist sie schuldig, und die Strafe wird auf der Stelle vollzogen. Wenn nicht, hat sie ihre Unschuld bewiesen.»

«Sehr gut», meinte Hiram.

Der Hinkefuß runzelte die Brauen.

«Sehr gut? Was soll denn das heißen? Du hast Spaß an der Hinrichtung einer Frau? Das sieht dir ganz und gar nicht ähnlich.»

Der Baumeister schwieg sich aus.

Israels Königin, der Salomos Schreiber mitteilte, daß man sie der schwarzen Magie beschuldigte und sie vor einem königlichen Gericht erscheinen müsse, verkroch sich in ihre Gemächer im neuen Palast. Es war ihr nicht gelungen, ihren Gemahl zurückzuerobern. Die Göttin Sechmet hatte keine Zeit gehabt, ihr zu Hilfe zu kommen. Sie hatte sich zwar mit der Befragung der Flamme erschöpft, hatte jedoch keinen Weg gefunden, wie sie Hiram vernichten und ihn ins Reich der Finsternis verbannen konnte. Dieses Reich, wohin sie durch das Urteil des Mannes, den sie liebte, bald gehen würde.

Nagsara wollte nicht sterben. Sie besaß noch genug Kraft zum Kämpfen, genug Zauber, um damit ganz Israel zu besiegen. Ihre Unbesonnenheit vernichtete ihre berechtigten Hoffnungen. Zu dieser Katastrophe gesellte sich noch die Demütigung, daß sie jemanden empfangen mußte, den sie verabscheute, nämlich den Baumeister des Tempels. Er hatte über Kaleb um eine Audienz gebeten. Zunächst wollte sie ablehnen, besann sich aber eines Besseren. War das nicht die Gelegenheit, das Übel mit der Wurzel auszureißen?

Als Meister Hiram eintrat, umklammerte Nagsara den Griff des Dolches, den sie in einer Falte ihres Gewandes verbarg.

«Bist du gekommen, um mich noch mehr zu verfolgen?»

«Ich will dir helfen, Majestät. Ich kenne das grausame Schicksal, das dich erwartet. Wenn die Anschuldigung vorgebracht worden ist, mußt du die Probe mit bitterem Wasser fordern.»

Und Hiram beschrieb sie der Königin in allen Einzelheiten.

«Warum sollte ich dir folgen?»

«Weil du damit dein Leben rettest.»

«Eine sonderbare Fürsorge.»

«Ungerechtigkeit ist mir zuwider. Du wirst doch nur angeklagt, weil du aus Ägypten stammst.»

«Was weißt denn du davon?»

Sie trat näher an den Oberbaumeister heran.

«Ich habe schwarze Magie betrieben und betreibe sie noch. Ich will, daß Salomo mich liebt. Falls dich das empört, kannst du mich auch verurteilen.»

Die Waffe schwingen und zustoßen, zustoßen… Einfache Handbewegungen, rasch, genau, und Nagsara war einen Dämon los, der sie am Glücklichsein hinderte.

«Ich wiederhole, Majestät, ich bin gekommen, um dir zu helfen, nicht, um über dich zu richten.»

«Ich verstehe nicht…»

«Gieße diese Phiole mit Purpuraloe, die ich dir gebe, in den bitteren Becher. Die Tinktur verhindert Erbrechen.»

Verunsichert ließ Nagsara den Dolch fallen. Hiram schenkte der Waffe, die ihn hatte töten sollen, keinen einzigen Blick.

«Mögen die Götter dich beschützen, Majestät.»

Die Königin hörte sich die von Zadok vorgebrachten Beschuldigungen an, ohne zu protestieren. Vergebens forschte sie auf Salomos Antlitz nach einem Lächeln, einer Ermutigung in seinem Blick. Er verhielt sich kalt, abweisend und begnügte sich damit, bei Jahwes Gericht den Vorsitz zu führen.

Zadok rief die Belastungszeugen auf. Die Königin widersprach ihnen nicht. Nachdem diese ausgesagt hatten, forderte sie die Probe mit bitterem Wasser. Der Hohepriester war sich des Ausgangs sicher und hatte nichts dagegen. Bevor sie trank, kehrte Nagsara dem Gericht den Rücken zu und goß das Gegenmittel hinein. Jetzt packte sie die Angst. Hatte Hiram ihr nicht doch Gift gegeben, das ihr Ende beschleunigte und ihr die Steinigung ersparte? Spielte er etwa ein abscheuliches Spiel mit ihr?

Sie trank alles in einem Zug.

Ein gräßlicher Geschmack, das Gebräu brannte wie Feuer in ihren Eingeweiden.

Doch sie erbrach nicht. Nachdem sie Salomo gegrüßt hatte, ging sie hocherhobenen Hauptes an Zadok vorbei.

Während das Volk Nagsara zujubelte, deren Unschuld durch ein Gottesurteil bewiesen war, rief der Hohepriester seine Verbündeten, Elihap und Jerobeam, zusammen. Nach diesem neuerlichen Fehlschlag hätte Zadok am liebsten aufgegeben. Der Kampf stellte sich als ungleich heraus. Selbst er glaubte im Augenblick, daß Salomos Gedanken und Taten durch Weisheit inspiriert wurden. Wer sich auch immer gegen ihn stellte, er mußte scheitern. Gebot die Vernunft dem Hohenpriester nicht, sich mit seinem Amt zu begnügen und seinem König treu zu dienen?

«Ich habe ausgezeichnete Neuigkeiten», sagte Jerobeam aufgeregt. «Ein paar Lehrlinge sind sehr unzufrieden mit ihrem Los. Meister Hiram behandelt sie wie Sklaven. Er gibt ihnen mehr und mehr Arbeit und weigert sich, ihren Lohn zu erhöhen. Und ihre Unterkunft ist gesundheitsschädlich.»

«Bist dafür nicht du verantwortlich?» verwunderte sich Elihap.

«Ja», bekannte Jerobeam fröhlich. «Aber ich habe eine Gruppe von Unzufriedenen davon überzeugt, daß ich den Befehlen Meister Hirams gehorche und daß der nichts von den Lehrlingen hält. In der Bruderschaft geht das Gerücht um, daß der Baumeister die Absicht hat, zur Krönung des Tempels ein beispielloses Werk zu schaffen. Doch um das zu vollbringen, braucht er die Hilfe aller, selbst die der Gießer von Ezjon-Geber. Wenn wir die Lehrlinge zu einem Aufstand aufwiegeln, muß er scheitern. Und sein Sturz zieht Salomo mit.»

Zadok war verwirrt. Der Haß, den Jerobeam für den König verspürte, verleitete ihn zu voreiligen Schlüssen. Doch eine Schwächung der Bruderschaft und Meister Hirams war nicht zu unterschätzen.

«Hast du diese Männer bestochen?»

«Einige haben abgelehnt, andere haben angenommen… Mit der Zeit kaufe ich sie mir alle und lasse Meister Hiram in dem Glauben, daß er über eine Bruderschaft herrscht, die längst uns gehört.»

Zadok hatte weiterhin Bedenken. Gesellen und Meister durften wissen, daß ein paar Schwächlinge den Gruppenzusammenhalt nur heuchelten. Meister Hirams Ruf war zu gut, als daß ihn ein paar Stiche von mißgünstigen Insekten trüben konnten.

«Kannst du nicht etwas aus Salomos Schatzkammer beiseite bringen?» fragte Jerobeam Elihap. «Je großzügiger wir zahlen, desto mehr Anhänger bekommen wir.»

«Das ist vielleicht gar nicht notwendig.»

Der rote Riese brauste auf.

«Du bist gegen meinen Plan?»

«Überlasse ihn dem Schicksal. Meister Hiram wird sich im Netz eines Fluchs verfangen. Auch ich habe gute Nachrichten: Soeben ist in der Unterstadt ein Arbeiter an der Ruhr gestorben.»

Kapitel 42

Der Sommer dörrte die Kehlen aus. Die große Hitze machte selbst den Kräftigsten zu schaffen. Fünf Arbeiter waren an der Ruhr gestorben. Mehr als hundert hatten sich die Krankheit zugezogen. Mückenwolken aus den Sümpfen unweit des Jordan waren in Jerusalem eingefallen. Der Staub, den der heiße Wind hochwirbelte, drang in die Augen und löste zahlreiche Augenentzündungen aus.