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Der Weg durch die Halle war ihr verwehrt, denn drei Männer waren zurückgeblieben, die mit schußbereiten Waffen auf jede Bewegung lauerten.

Sie wich vorsichtig ein paar Schritte zurück, dann drehte sie sich herum und rannte auf die zweite Treppe zu, die nach oben führte. Sie hoffte, daß sie noch begehbar war. Auf halbem Weg trat ihr eine massige, grüngelb gefleckte Gestalt entgegen.

»Hrhon!« fauchte Kara. »Wo warst du?«

»Ihsss habhe eihnhen vohn ihnenh ehrwhisssht«, erwiderte der Waga.

»Gut«, sagte Kara. Sie deutete zur Decke. »Sie sind oben. Vermutlich wollen sie Elder oder Aires.«

»Ohdher dhisss«, zischelte Hrhon.

»Dann wollen wir sie nicht warten lassen, nicht wahr?« Kara packte ihr Schwert fester und eilte an Hrhon vorbei.

Auf ihrem Weg schlossen sich ihnen vier weitere Krieger an.

Das Schwert des einen war blutig, wie Kara voller Zufriedenheit registrierte. Ganz so billig wie in Schelfheim würden die PACK-Truppen hier nicht davonkommen. Sie stürmten an einem schmalen Fenster vorbei, und Kara sah, daß die Festung fast vollkommen in Flammen stand. Über dem Hof kreisten noch immer Libellen, die dann und wann grüne Blitze auf den Hof spien.

»Verdammt, wo bleiben die Drachen?« fragte Kara.

»Ssshie khohmmhen nhissst«, antwortete Hrhon. »Ssshie whissssssehn ghenhau, who dhie Ausssflughhöhlhen ssshind, uhnd lhasssssshen kheinhen hinhausss.«

»Aber das ist doch unmög...« begann Kara, sprach aber den Satz nicht zu Ende. Zwei der vier Ausflugsöffnungen waren zwar so gut versteckt, daß eine zufällige Entdeckung ausgeschlossen schien, aber es gab eine Erklärung: Tess mußte etwas verraten haben.

Sie erreichten das Stockwerk, auf dem Elders Zimmer lag, und stießen fast sofort auf heftigen Widerstand. Zwei PACK-Soldaten stellten sich ihnen entgegen. Ein greller Lichtblitz tötete den Mann neben Kara, dann schleuderte einer der anderen Krieger seinen Dolch und verletzte den Schützen am Arm. Die beiden Soldaten zogen sich wild um sich schießend zurück, trafen aber nichts mehr.

Karas Herz machte einen erschrockenen Sprung, als sie sah, daß die Tür zu Elders Zimmer zertrümmert war. Ein Teil des Mobiliars brannte, der Rest war zerschlagen, und sie erwartete schon, Elders Leichnam zwischen den Trümmern zu finden, aber das Zimmer war leer.

Sie rannten weiter. Ein paarmal hörten sie Kampflärm, sahen aber keinen Blauuniformierten mehr, bis sie Karas Zimmer erreichten. Auf dem Gang davor lag ein toter PACK-Soldat, umgeben von einem halben Dutzend regloser Drachenkrieger.

Kara erkannte auch Zen unter ihnen, und aus ihrem brodelnden Zorn wurde pure Mordlust.

Ihr eigenes Zimmer war zerstört und verwüstet worden wie Elders. Die Angreifer hatten sich sogar die Mühe gemacht, das Bett in Brand zu schießen. Tess allerdings lebte noch. Sie hockte mit angezogenen Knien in einer Ecke unter dem Fenster und blutete aus einer frischen Platzwunde an der Stirn. Offenbar hatte man sie geschlagen, aber darauf verzichtet, sie umzubringen. Kara gab einem ihrer Begleiter einen Wink. »Bring sie weg. Ihr darf nichts geschehen. Ich habe später noch ein paar Fragen an sie.« Sie warf Tess einen drohenden Blick zu, den diese aber nicht zur Kenntnis nahm oder nicht verstand.

Sie liefen weiter. Die Luft wurde heißer, und einmal erbebte der ganze Bau unter einer neuerlichen Explosion, die Kara und die anderen fast von den Füßen riß.

Kurz vor dem Aufgang zu Aires' Turmkammer wurden sie in ein heftiges Handgemenge mit PACK-Soldaten verwickelt. Sie überraschten die Männer so sehr, daß die nicht dazu kamen, ihre Glasgewehre einzusetzen. Doch die Blauuniformierten waren neben ihren Gewehren auch mit Schwertern bewaffnet, mit denen sie ausgezeichnet umzugehen verstanden, wie Kara ja schon am eigenen Leibe erfahren hatte. Wahrscheinlich lag es einzig an Hrhon, daß es ihnen schließlich doch gelang, das halbe Dutzend Männer langsam vor sich herzutreiben, bis sie den Fuß der Treppe erreichten.

Dann wendete sich das Blatt schlagartig, denn am oberen Ende der Treppe tauchte ein Trupp von sicherlich acht oder zehn weiteren PACK-Soldaten auf, die sofort das Feuer eröffneten. Grüne Blitze fuhren unter Karas Krieger und streckten drei von ihnen nieder, töteten aber auch einen der Blauuniformierten. Dann fühlte sich Kara von hinten gepackt und herumgewirbelt. Eine Sekunde später fuhr ein zischender Lichtblitz in Hrhons Rückenpanzer. Der Waga kreischte so schrill auf, wie Kara es noch nie zuvor gehört hatte, kippte zur Seite und begrub sie unter sich.

Die Soldaten stürmten an ihnen vorüber. Kara beobachtete, daß sich auch der Offizier, den sie unten in der Halle gesehen hatte, bei ihnen befand - und erst jetzt erkannte sie ihn. Es war unmöglich - aber es war zweifelsfrei der Mann, dem sie schon zweimal gegenübergestanden hatte: einmal in einer Gasse in Schelfheim, das zweite Mal an einem steinigen Strand fünf Meilen unter der Erde. Und bei ihrer zweiten Begegnung hatte sie ihn ganz zweifelsfrei getötet.

Kara war hilflos unter Hrhons zentnerschwerem Körper eingeklemmt, so daß sie absolut nichts tun konnte, als der Mann stehenblieb und auf sie hinabstarrte. Sekundenlang blickte er sie nur an, dann senkte er ganz langsam seine Waffe, richtete den Lauf auf Karas Gesicht - und schwenkte den Lauf urplötzlich zur Seite.

»Peng!« sagte er. »Siehst du? So einfach wäre das - wenn ich so unfair wäre wie du, Kindchen.« Er lachte, klemmte sich das Gewehr unter den linken Arm und schob mit der anderen Hand das halbierte Glasvisier seines Helmes hoch. Seine Augen glitzerten spöttisch.

»Aber weißt du, ich bin nicht so unfair. Ich denke, ich lasse dich diesmal am Leben. Aber ich warne dich: Wenn du mich noch einmal umbringst, dann werde ich wirklich sauer.« Er lachte, klappte sein Helmvisier wieder hinunter und ging weiter. Die Männer folgten ihm, wobei sie nicht nur ihre Verwundeten, sondern auch die Toten mitnahmen.

Kara versuchte mit aller Gewalt, sich unter Hrhons reglosem Körper hervorzuarbeiten, aber es ging nicht. Hrhons vierhundert Pfund nagelten sie regelrecht an den Boden, so daß sie kaum noch Luft bekam. Der Waga lebte noch, aber sie wußte nicht, wie schwer er verwundet war. Obwohl sie sich der Sinnlosigkeit ihrer Bemühungen bewußt war, versuchte sie weiter mit aller Kraft, die reglose Riesenschildkröte von sich hinunterzuwuchten. Es gelang ihr erst, als Hrhon nach guten zehn Minuten grunzend wieder zu sich kam.

Der Waga war noch benommen. Kara brauchte ein wenig länger, um auf die Füße zu kommen. Sie fühlte sich an, als wäre ihr ganzer Körper eine einzige schmerzhafte Wunde. »Was ist mit dir?« fragte sie schweratmend. »Bist du verletzt?«

»Jha«, antwortete Hrhon mühsam. »Esss thut sssher wheh. Ahbher isss wherdhe nhissst ssstherbhen.«

Kara wollte an ihm vorbeigehen, um sich die Verletzung in seinem Rückenpanzer anzusehen, aber Hrhon drehte sich rasch herum. Sie versuchte es nicht noch einmal, sondern ließ ihren Blick betroffen durch den Gang schweifen. Hrhon hatte ihr zweifellos das Leben gerettet, als er sie hinter seinem eigenen Körper in Deckung zerrte. Außer ihm und ihr selbst lebte hier niemand mehr.

Plötzlich fuhr sie erschrocken zusammen. Aires!

Immer drei Stufen auf einmal nehmend, rannte sie die Treppe zu Aires' Turmkammer hinauf. Sie stieß auf zwei verwundete und einen toten Krieger, aber sie beachtete sie nicht, sondern rannte nur noch schneller, bis sie Aires' Zimmer erreichte. Es war ziemlich verwüstet, aber Aires selbst lag mit blutüberströmtem Gesicht neben der Tür. Kara fiel mit einem Schrei auf die Knie und ergriff sie bei den Schultern.