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»Dann ist das, was Kara gefunden hat...«

»... das, was wir nicht kopieren können«, führte Elder den Satz stöhnend zu Ende. »Organisch schon, aber das hat keinen Sinn. Es sind die Erinnerungen, das, was Charakter und das Wesen eines Menschen ausmacht. Der Sitz des Bewußtseins, wenn du so willst.«

»Das heißt, wenn euer Körper getötet wird, nehmt ihr einfach dieses... Ding aus seinem Kopf und pflanzt es in einen neuen«, murmelte Kara. Sie empfand ein nicht mit Worten zu beschreibendes Entsetzen.

»Ganz so einfach ist es nicht«, antwortete Elder. »Aber im Prinzip hast du recht. Die Kapsel enthält eine winzige Überlebenseinrichtung. Und einen Sender, der automatisch ein Notsignal ausstrahlt, wenn sie aktiviert wird.«

»Deshalb sind sie so furchtlose Kämpfer«, sagte Storm düster. »Sie sterben ja nicht wirklich. Jedenfalls nicht für lange.«

»Ja«, fügte Aires hinzu. »Und das ist auch der Grund, aus dem sie unsere Drachen fürchten, nicht wahr?« Sie sah Elder auffordernd an, aber er schwieg, und so fuhr sie nach ein paar Augenblicken fort. »Ich nehme an, diese Kapseln sind aus einem sehr widerstandsfähigen Material gefertigt. Aber sie sind nicht unzerstörbar. Das Feuer eines Drachen kann sie vernichten. Und dann sind sie wirklich tot. Ist es nicht so?«

Elder nickte widerstrebend. Er sagte aber nichts, und nach einem Moment wich er auch Aires' Blick aus.

»Warum hast du uns nichts davon erzählt?« fragte Kara. »Du hast gewußt, was ich aus Schelfheim mitgebracht habe. Du hast es gesehen, als es vor Aires auf dem Tisch lag! Du hast es in der Hand gehabt! Warum hast du geschwiegen? Du mußt gewußt haben, daß sie kommen würden. Das alles hier ist deine Schuld, Elder, ist dir das klar?«

»Ich weiß«, flüsterte Elder. »Es... es tut mir aufrichtig leid, glaub mir. Ich habe einen Fehler gemacht.«

»Es tut dir leid?« Kara hob zornig die Hand und ließ sie wieder sinken. »Dort draußen liegen dreißig Tote, Elder! Weißt du überhaupt, was dieses Wort bedeutet - ich meine wirklich bedeutet? Sie sind tot, Elder! Niemand wird kommen und ihre Gehirne in neue Körper stopfen! Sie sind tot, und sie werden es bleiben!«

»Es tut mir leid«, sagte Elder zum wiederholten Mal. »Was soll ich tun, außer meinen Fehler einzugestehen? Würde es euch zufriedenstellen, wenn ich Selbstmord beginge?«

Kara wollte auffahren - aber in diesem Moment fiel ihr etwas ein, woran sie bisher nicht einmal gedacht hatten.

»O mein Gott«, flüsterte sie entsetzt. »Wißt ihr, was das noch bedeutet?« Aires und Storm sahen sie erschrocken an, und Kara fuhr mit bebender Stimme fort. »Es bedeutet, daß sie auch Schelfheim noch einmal angreifen werden!«

43

Sie erreichten die Stadt im Morgengrauen des nächsten Tages, denn trotz allem hatte keiner von ihnen noch die Energie aufgebracht, sofort aufzubrechen. Sie wären ohnehin zu spät gekommen, denn wie Kara gleich nach ihrer Ankunft erfuhr, hatte der Angriff auf Schelfheim nahezu in der gleichen Minute stattgefunden, als auch der Hort überfallen worden war.

Keiner der Drachen samt ihrer Reiter waren noch am Leben.

Zwei der riesigen Tiere waren in die Stadt gestürzt und hatten den Verheerungen des vorangegangenen Angriffs neue hinzugefügt, doch die meisten Tiere waren draußen über dem Schlund abgestürzt. Sie hatten nicht einmal die Chance gehabt, ihre Gegner in einen Nahkampf zu verwickeln.

Vielleicht hat Elder recht, dachte Kara matt, während sie schweigend und mit unbewegtem Gesicht Cords Bericht lauschte. Vielleicht waren ihre Gegner einfach besser als sie.

»Ich konnte nichts tun«, beendete Cord seinen Bericht. »Ich war mit dem Hund unten in den Katakomben. Als ich den Lärm hörte, bin ich sofort zurückgelaufen, aber es war zu spät. Sie hatten meinen Drachen erschossen.«

»Sei froh, daß du unten warst«, sagte Donay. »Sonst wärst du jetzt auch tot.« Er hatte Kara und das gute Dutzend Drachenflieger begleitet, da er in der Stadt noch einige Dinge holen wollte - unter anderem auch Irata, das menschliche Gegenstück zu Elders Computer. Und eine ellenlange Liste von Dingen, die mitzubringen ihm Elder aufgetragen hatte. Donay war blaß geworden, als er sie überflog, hatte sie aber kommentarlos eingesteckt.

»Ja, vermutlich hast du recht«, sagte Cord düster. »Aber ich wünschte mir fast, es wäre so.«

»Unsinn!« Kara widersprach heftig. »Ich brauche lebende Krieger, keine toten! Hast du eine Spur gefunden?«

»Von Elder?« Cord nickte. »Er war dort unten. Ganz in der Nähe der Stelle, an der Liss und die beiden anderen ermordet wurden. Der Hund hat seine Spur eindeutig wiedererkannt.«

»Daß er dort unten war, muß nicht unbedingt bedeuten, daß er die drei auch umgebracht hat«, sagte Donay.

Kara registrierte den besorgten Blick, den er ihr aus den Augenwinkeln zuwarf.

»Was hast du entdeckt?«

»Ein paar alte Keller voller Staub und Spinnen«, antwortete Cord. Zögernd fügte er hinzu: »Und noch etwas, aus dem nicht schlau werde.« Er sah Donay an. »Vielleicht solltest du es dir bei Gelegenheit noch einmal ansehen.«

»Nicht bei Gelegenheit«, sagte Kara. »Sofort. Wir gehen noch heute hinunter. Was ist es?«

»Wahrscheinlich nichts von Bedeutung«, antwortete Cord. »Eine Inschrift an einer Wand. Ich kann es nicht besser ausdrücken, aber irgendwie jagte sie mir Angst ein. Der Hund wurde auch unruhig. Ich konnte ihn kaum noch bändigen.«

»Eine Inschrift?« Donay beugte sich interessiert vor. »Ein Bild, meinst du?«

»Nein. Eine Art... Buchstaben. Ich konnte sie nicht lesen.«

»Hunde können auch nicht lesen«, sagte Donay.

»Ich weiß«, antwortete Cord in leicht beleidigtem Ton. »Trotzdem war er wie von Sinnen. Er hat sogar nach mir geschnappt.«

»Gut«, sagte Kara. »Sehen wir uns diese sonderbare Inschrift an.«

»Jetzt gleich?« fragte Cord.

»Was spricht dagegen?«

»Gendik will dich sehen«, antwortete Cord. »Karoll und er warten bereits draußen auf dich.«

»Er ist noch hier?« fragte Kara überrascht. Gleichzeitig war sie fast erleichtert. Der Anblick des brennenden Drachenhortes war nicht unbedingt das, was sie Gendik zur Begrüßung hatte bieten wollen.

»Er war noch gar nicht weg«, bestätigte Cord. Er stand auf. »Ich kann ihn abwimmeln, wenn du das möchtest.«

Kara liebäugelte eine Sekunde lang tatsächlich mit dem Gedanken. Aber dann schüttelte sie mit einem Seufzer den Kopf. »Nein, schick ihn nur her. Bringen wir es hinter uns.«

Cord ging, und Donay blickte ihm nachdenklich hinterher.

»Was, zum Teufel, hat er damit gemeint?«

»Wir werden es sehen«, sagte Kara. Sie hatte keine Lust, jetzt darüber nachzudenken. Im Grunde wollte sie über gar nichts nachdenken. Sie wollte nicht einmal hier sein. Für einen Moment wünschte sie sich, wieder das Kind zu sein, das in einem anderen, beschützenden Drachenhort aufwuchs.

Karoll und der Herrscher von Schelfheim mußten wohl unmittelbar vor der Tür gewartet haben, denn sie erschienen bereits nach wenigen Augenblicken. Karolls Gesicht war so ausdruckslos, wie Kara es kannte; das Gesicht eines Politikers und Diplomaten, in dessen Wortschatz der Begriff ›Gefühl‹ einfach fehlte. Aber auf dem Antlitz Gendiks entdeckte sie weder Niedergeschlagenheit noch Schrecken. Seine Augen blitzten vor Zorn, und es dauerte eine Weile, bis Kara begriff, daß dieser Zorn weder den namenlosen Angreifern noch dem grausamen Schicksal galt, das seine Stadt getroffen hatte, sondern einzig und allein ihr.

Er polterte auch sofort los. »Du kommst spät! Der Überfall fand gestern morgen statt! Wieso kommt ihr erst jetzt, und wieso habt ihr nur so wenige Krieger bei euch? Die, die du hiergelassen hast...«

»... sind tot«, unterbrach ihn Kara. »Stellt Euch vor, Gendik, das ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen.«