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Aber das ist doch unmöglich! dachte Kara. Er muß doch von Gäa wissen!

Dann fragte Gendik mit verwirrter Stimme: »Gäa? Du... ich verstehe. Du redest von diesem... Wesen, das in den Sümpfen dort unten leben soll.«

Kara starrte ihn an, hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, in ein hysterisches Gelächter auszubrechen oder ihm ins Gesicht zu schlagen, bis er endlich aufwachte und begriff, was in der Welt dort draußen vor sich ging. Doch dann begriff sie den fundamentalen Irrtum, dem sie bisher erlegen war. Gendik konnte gar nicht begreifen, was sie meinte, so wenig wie sie umgekehrt wirklich über seine Beweggründe und Entscheidungen urteilen konnte. Sie lebten in zwei verschiedenen Welten.

Schelfheim und der Drachenhort hatten ein Bündnis, das den einen untrennbar mit dem anderen verband, aber im Grunde hatten sie so wenig miteinander zu tun wie ihre Welt und die Elders und der Männer, die er bekämpfte. Gendiks simple Frage nach Gäa machte ihr in einer Sekunde klar, was Angella ihr in zehn Jahren nicht hatte begreiflich machen können.

Gendik war nicht dumm. Natürlich wußte er, was Gäa war.

Aber es spielte keine Rolle für ihn. Die größte denkende Kreatur dieser Welt - vielleicht aller Welten im ganzen Kosmos - war für ihn so unwichtig wie irgendein Insekt, das er unter seinem Schuh zertreten mochte, ohne es überhaupt zu bemerken. Einen Moment lang fragte sie sich ernsthaft, ob Männer wie er und diese ganze verdammte Stadt es überhaupt wert waren, gerettet zu werden. Sie verfolgte diesen Gedanken nicht zu Ende - vielleicht weil sie Angst vor der Antwort hatte. »Ja«, sagte sie nur. »Sie wird den gesamten Dschungel verschlingen, fürchte ich.«

»Und all diese Ungeheuer -«

»- sind auf der Flucht vor ihr«, führte Kara den Satz zu Ende. Sie sah Gendik fest in die Augen, während sie eine Kopfbewegung auf die Stadt hinab machte. »Das ist nur die Vorhut, Gendik. Ich weiß nicht, wie schnell sich Gäa bewegt, aber ich fürchte, wenn sie den Fuß der Klippe erreicht, dann werden noch viel mehr von diesen... Ungeheuern die Wand hinaufkommen. Ihr werdet Schelfheim nicht halten können.«

Gendik erbleichte. »Was meinst du damit?«

»Ich meine, daß ihr die Stadt evakuieren müßt«, sagte Kara. »Und zwar sofort. Es sei denn, ihr wollt zusehen, wie die Hälfte ihrer Bewohner von diesen Monstern aufgefressen wird.«

»Du bist von Sinnen, Kind!« keuchte Gendik. »Du weißt nicht, was du da redest! Schelfheim hat zwei Millionen Einwohner, und es gibt nur diesen und zwei oder drei andere Wege aus der Stadt.« Er deutete erregt auf den Hochweg, der nur wenige Schritte von ihnen entfernt lag. Erst jetzt fiel Kara auf, daß bisher niemand die Stadt verlassen hatte. Der Hochweg war verwaist, die großen Tore in der beweglichen Barrikade waren verschlossen und mit einem massigen Riegel gesichert. Plötzlich begriff sie, daß Gendik den Zugang zur Stadt absichtlich geschlossen hatte.

»Verzeiht, Kara, aber ich fürchte, Gendik hat recht«, mischte sich Karoll ein.

Sie fuhr auf. »Ihr wollt doch nur -«

»Es steht gar nicht zur Debatte, was wir oder andere wollen«, fiel ihr Karoll ins Wort. »Es ist unmöglich, eine Stadt wie Schelfheim binnen weniger Stunden zu evakuieren. Wir bräuchten sechs Wochen, um die Bevölkerung aus der Stadt zu schaffen. Und selbst wenn wir es könnten - wo sollten wir all diese Menschen unterbringen? Wie sollten wir sie ernähren?« Er schüttelte traurig den Kopf. »Es ist leider so - wir müssen uns verteidigen. Ich bitte Euch - helft uns.« Seine Stimme wurde leise. »Ich poche nicht auf irgendwelche Verträge oder Absprachen, Kara. Ich appelliere auch nicht an Euer Gewissen oder das Versprechen auf Schutz, das uns Angella gegeben hat. Ich bitte Euch nur, uns zu helfen.«

Unter normalen Umständen hätte Kara jetzt nichts als Verachtung für den Mann empfunden. Aber sie wußte auch, warum sich Karoll so erniedrigte. Er hätte alles gegeben, was nötig war, um seine Stadt zu retten.

»Aber das können wir nicht, Karoll«, sagte sie so ruhig sie konnte. Sie deutete auf die Drachen. »Die Tiere sind erschöpft. Und selbst wenn ich alle Drachen hierherbrächte, die noch im Hort sind, würde es nichts nutzen.«

»Aber ihr habt über zweihundert Drachen!« protestierte Gendik.

»Es wäre nicht einmal genug, wenn es zweitausend wären«, sagte Kara. »Ihr habt nicht gesehen, was ich gesehen habe. Schelfheim ist verloren.«

»Dann zünden wir die Stadt an!« sagte Gendik mit verzweifelter Stimme. Er gestikulierte wild nach Norden, wo sich noch immer ein lodernder Flammenvorhang über der Klippe erhob. »Wir legen eine Feuerschneise und verbrennen sie.«

»Euch wird sehr schnell das Brennmaterial ausgehen«, sagte Donay. Es war das erste Mal, daß er das Wort ergriff, seit Kara zurückgekommen war.

»Dann brennen wir die ganze Stadt nieder!« sagte Gendik in der Tonlage eines verzweifelten Kindes, das sich zum ersten Mal mit der Unbarmherzigkeit des Schicksals konfrontiert sieht. »Wir bauen sie sowieso alle zehn Jahre neu. Es spielt keine Rolle, ob wir es einmal mehr oder weniger tun!«

»Es würde nichts nutzen«, sagte Donay an Karas Stelle. »Eure Feuerschneise wird nicht lange halten. Schelfheim ist keine normale Stadt, Gendik. Sie ist ein Schwamm, auf dessen Oberfläche zufällig ein paar Menschen leben. Sie werden durch die Keller kommen und die Stollen und Gänge unter unseren Füßen. Es würde Euch gar nichts nutzen, die Stadt anzuzünden.«

»Er hat recht, Gendik«, sagte Kara beinahe sanft. Dann faßte sie einen Entschluß. »Wir können nur eines tun. Ich werde die restlichen Drachen herrufen, und wir werden versuchen, diese Ungeheuer so lange wie möglich aufzuhalten. Vielleicht bringt es Euch nur ein paar Stunden, vielleicht einen halben Tag. Aber ihr werdet wenigstens einige Eurer Untertanen retten können.«

Sie wandte sich an Cord. »Du und Donay - sucht euch die kräftigsten Drachen heraus und fliegt zum Hort zurück.«

»Und wenn er... ebenfalls angegriffen wird?« fragte Cord zögernd.

Kara wußte, daß dem nicht so war. Sie hatte den wahren Grund für die Invasion der Ungeheuer gesehen. »Dann gebt den Hort auf. Sie sollen alle Verwunde...« Sie brach mitten im Wort ab, als sie sah, daß Cord ihr gar nicht mehr zuhörte. Sein Blick war plötzlich auf einen Punkt hinter ihr gerichtet, und auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck, der eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Furcht war. Und als Kara sich herumdrehte, verstand sie ihn.

Über dem nördlichen Rand der Stadt waren zwei Libellen aufgetaucht. Sie flogen langsam, fast gemächlich, und unter ihren Rümpfen blitzten in regelmäßigen Abständen verschiedenfarbige Lichter auf: rot, grün, rot, grün, rot...

Großer Gott! dachte Kara. Ich habe die hierhergeführt! Sie mußten sie gesehen haben, als sie draußen über dem sterbenden Dschungel flog, und waren ihr gefolgt. Statt der Rettung hatte sie den Tod nach Schelfheim gebracht!

Aber die Libellen waren nicht gekommen, um der Stadt den Todesstoß zu versetzen, denn dann wären sie nicht nur zu zweit gekommen und hätten sich nicht jede erdenkliche Mühe gegeben, gesehen zu werden.

Einige Krieger wollten zu ihren Tieren rennen, aber Kara hielt sie zurück. »Wartet«, sagte sie. »Sie... wollen nicht... kämpfen.« Ihr Blick irrte nervös zu den drei Drachen hinauf, die über dem brennenden Stadtviertel kreisten. Zwei von ihnen hatten ihren Kurs geändert und versuchten, neben den Libellenmaschinen herzufliegen. Die Helikopter bewegten sich jedoch so langsam, daß die Tiere wahrscheinlich abgestürzt wären, hätten ihre Reiter versucht, ihre Geschwindigkeit den Maschinen anzupassen. So umkreisten sie die beiden viel kleineren Flugmaschinen ständig wie zwei Falken, die zum Angriff auf ein Taubenpärchen ansetzten. Kara signalisierte den Drachenkämpfern nicht einzugreifen, aber die beiden Krieger schienen auch so begriffen zu haben, daß es sich diesmal nicht um einen Angriff handelte.