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Erst als sie wieder vom Rücken des großen Drachen herunterstieg, sah sie die Gestalt, die im Schatten einiger Felsen stand und sie beobachtete.

»Cord!« sagte sie zögernd.

Der alte Drachenkämpfer trat zwischen den Felsen hervor. Er sah Kara auf eine sonderbare Art und Weise an.

»Wie lange stehst du schon da?« fragte sie ohne einen Vorwurf in ihrer Stimme.

»Eine ganze Weile«, antwortete Cord. Er zögerte, dann gestand er, »Seit du auf seinen Rücken gestiegen bist.«

»Aber warum hast du mich nicht gerufen?« fragte Kara verwundert.

»Ich wollte dich nicht stören. Du hast... so glücklich ausgesehen.«

Die Worte machten Kara verlegen, was sie ein wenig ärgerte.

»Was willst du?« fragte sie. Die Worte klangen unfreundlicher, als sie gemeint waren, aber es war nicht nötig, sich bei Cord zu entschuldigen; sie las in seinem Blick, daß er sie verstand.

»Der Bote aus Schelfheim ist angekommen«, sagte er. »Ich dachte mir, daß du dabei sein möchtest, wenn wir mit ihm reden.«

Kara erinnerte sich, daß Cord vor einigen Tagen erwähnt hatte, daß sie einen Mann aus Schelfheim erwarteten. »Was für Neuigkeiten bringt er?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Cord achselzuckend. »Ich habe ihn und die anderen gebeten zu warten, bis du eingetroffen bist.«

»Das ist nett von dir«, sagte Kara - eigentlich nur, um überhaupt zu antworten, aber Cord sagte ernst:

»Soll ich unsere zukünftige Herrin von wichtigen Dingen einfach ausschließen?«

Kara, die sich bereits umgedreht hatte und sich zum Ausgang der Höhle gewandt hatte, blieb abrupt stehen. Irritiert sah sie Cord an und suchte nach irgendeiner Spur von Spott in seinem Gesicht. »Nein«, antwortete sie mit einem nervösen Lächeln.

»Aber das hat doch noch ein wenig Zeit, nicht wahr?«

Cord machte eine Bewegung, als wollte er mit den Schultern zucken, überlegte es sich aber im letzten Moment anders. »Du bist Angellas Nachfolgerin«, sagte er. »Du hast das doch immer gewußt, oder?«

»Natürlich.« Eine unerklärliche Unruhe ergriff von Kara Besitz. »Aber... ich meine... irgendwann einmal. In ein paar Jahren, wenn Angella -«

»Angella ist tot«, unterbrach sie Cord. »Es gibt niemanden, der ihren Platz einnehmen könnte.«

»Unsinn!« erwiderte Kara heftig. »Mir fallen auf Anhieb ein Dutzend ein, die besser dazu geeignet wären als ich. Du an allererster Stelle.«

»Ich?« Cord lachte, als hätte sie einen Scherz zum besten gegeben. »Ganz bestimmt nicht.« Er hob die Hand, als sie widersprechen wollte. »Aber du hast recht - die Entscheidung hat noch ein wenig Zeit. Auf jeden Fall müssen wir sie nicht hier und in diesem Augenblick fällen. Komm - unser Gast wartet.«

Kara hatte plötzlich das Gefühl, daß die Entscheidung in Wahrheit längst gefallen war. Aber sie sagte nichts mehr, sondern folgte ihm mit raschen Schritten zur Treppe.

Bevor sie die Höhle verließen, sah sie noch einmal zu Markor zurück. Der Drache war wieder eingeschlafen und bot einen fast grotesken Anblick: ein riesiges, geschupptes Echsenmonster, das irgendwie einer überdimensionalen Fledermaus glich.

Die Erinnerung an die glücklichen Augenblicke aber, die sie auf Markors Rücken verbracht hatte, erfüllten Kara plötzlich mit Trauer. Vielleicht war diese halbe Stunde, die Cord schweigend im Schatten gestanden hatte, ein Geschenk an sie gewesen, eine allerletzte halbe Stunde, in der sie noch einfach sie selbst sein durfte. Sie drehte sich mit einem Ruck herum und begann rasch die Treppe hinaufzusteigen. Die Wirklichkeit wartete.

19

Karoll war ihr auf den ersten Blick zuwider. Nein, das stimmte nicht ganz - auf den allerersten Blick erschreckte er sie, denn als Kara hinter Cord den kleinen Versammlungsraum im Hauptturm des Hortes betrat, da stand er mit dem Rücken zur Tür und sah aus dem Fenster auf das weite, steinige Land herab, so daß sie ihn nur von hinten erblickte. Und was sie sah, war eine sehr hochgewachsene, fast schon ein wenig zu schlanke Gestalt, einen kurzgeschnittenen dunklen Haarschopf und eine übertrieben lässige Haltung.

Einen Moment glaubte sie, es könnte Elder sein.

Dann drehte er sich herum, und die Illusion zerplatzte wie eine schillernde Seifenblase. Der Mann war nicht Elder. Er war älter, und sein Lächeln war - wenn schon nicht verlogen - so doch eine Spur zu überheblich, um wirklich echt zu wirken.

Über seinem linken Auge entdeckte Kara eine winzige, halbmondförmige Narbe. Er hatte schmale, gepflegte Hände und perfekt geformte Zähne. Es gab nichts an ihm, was Kara wirklich abstieß. Doch er hatte mit der Erinnerung an Elder auch Karas Schmerz geweckt.

Karoll verbeugte sich tief, als Kara eintrat. Offensichtlich hatte man ihm gesagt, wer sie war. Trotzdem stellte Cord sie umständlich einander vor, und Karoll verschwendete ein paar Momente darauf, ihr die besten Wünsche seiner Herren auszurichten und ihr wortreich zu versichern, wie sehr man in Schelfheim den Tod Angellas bedauere und wie erleichtert man sei, wenigstens sie, Kara, wieder bei Kräften zu wissen.

Ehe er noch mehr Unsinn reden konnte, unterbrach Kara ihn mit einer Geste und deutete auf die Tafel. Außer ihr und Cord hielten sich noch Tera, Borss und Storm im Raum auf, die wie Cord zu den alten, erfahrenen Drachenkämpfern zählten.

Daneben war auch noch die Magierin Aires anwesend, die nicht nur Angellas engste Vertraute, sondern auch ihre Freundin gewesen war.

»Ich bitte Euch, Karoll«, sagte Kara. »Nehmt doch Platz. Fühlt Euch wie unter Freunden. Wir halten hier nicht viel von Konventionen.«

Von Höflichkeit offenbar auch nicht, schien Karolls Blick zu sagen. Doch äußerte er nichts, sondern lächelte nur flüchtig und ließ sich auf einen der freien Stühle sinken. Kara fing einen warnenden Blick von Cord auf. Es gelang dem Drachenkämpfer nicht ganz, das amüsierte Flackern aus seinen Augen zu verbannen, aber Kara verstand, was er meinte: Er hat es verdient, aber übertreib es nicht.

Auch Kara setzte sich und klatschte in die Hände. Diener traten ein und brachten Wein und Schalen mit Obst und Leckereien.

»Greift nur zu, Karoll«, sagte Kara und trank selbst einen gewaltigen Schluck des süßen, schweren Weines. »Ihr müßt hungrig und durstig sein. War die Reise sehr anstrengend? Ihr seht... etwas müde aus, wenn Ihr mir die Bemerkung gestattet.«

Das war eine glatte Lüge, Karoll sah aus, als wäre er gerade aus einem langen, sehr erholsamen Schlaf aufgewacht. Kara fragte sich, warum man ausgerechnet diesen Mann geschickt hatte, wo es doch um so wichtige Dinge ging. Karoll war ein Politiker. Ein Beamter, kein Krieger.

Er war auch diplomatisch genug, auf Karas Geplänkel einzugehen. Er trank einen Schluck Wein und nickte. »Das war die Reise, in der Tat. Der Weg in den Drachenhort ist weit - und nicht unbedingt leicht, wenn man nicht fliegen kann.«

Der leise, aber unüberhörbare Vorwurf in seinen Worten ärgerte Kara, obwohl sie sich selbst sagte, daß sie ihn verdient hatte. »Ich weiß«, antwortete sie. »Ich bin ihn auch schon mehrmals geritten.«

Karolls Mund verzog sich. Tera und Cord blickten sie warnend an, während die Magierin sichtlich Mühe hatte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie der kleine Schlagabtausch amüsierte.

»Ihr würdet Euch selbst - und übrigens auch uns - eine Menge Mühen ersparen, wenn Ihr Euch endlich überwinden könntet, Funkgeräte zu benutzen«, sagte Karoll.

»Leider besitzen wir so etwas nicht«, antwortete Kara.

»Ich weiß.« Karoll seufzte. »Aber die Regierung Schelfheims wäre glücklich, dem Drachenhort eine entsprechende Anlage zur Verfügung zu stellen. Kostenlos, versteht sich.«