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Cord winkte ab. Er lächelte und rief mit erhobener, lauter Stimme: »Ihr habt es gehört. Kara braucht erst einmal ein wenig Ruhe. Ihr werdet alles erfahren.«

Kara nickte dankbar, und Cord erwiderte die Bewegung mit einem gütigen Blick. Besorgt fragte sie sich, ob die anderen sich wohl ebenfalls an die Absprache hielten, die sie bei ihrer letzten Rast getroffen hatten: nämlich zuerst einmal noch nichts von dem zu verraten, was sie entdeckt hatten, sondern sich mit Aires, Cord und Storm zu beraten. Aber dann sah sie, daß auch die drei anderen bereits von einem älteren Krieger in Empfang genommen worden waren.

»Wo ist Aires?« fragte sie. »Und was ist mit dem Turm geschehen?«

»Ein Erdbeben«, antwortete Cord ungeduldig. »Und Aires und alle anderen sind wohlauf und schon seit Tagen zurück.«

»Ein Erdbeben?« wiederholte Kara ungläubig. »Hier?«

»Unwichtig«, antwortete Cord. Plötzlich stahl sich eine Spur von Ungeduld in seine Stimme. »Es ist niemand ernstlich zu Schaden gekommen. Wir reden später darüber. Im Moment habe ich nur zwei Fragen: Wo ist Tess? Und wer ist das da?« Er deutete auf Markor, und Kara sah erst jetzt, daß zwei junge Krieger auf den Rücken des Drachen geklettert waren, um Elder loszubinden.

»Ich weiß nicht, wo Tess ist«, sagte sie. »Ich fürchte, sie ist tot. Und das da ist Elder.«

»Elder?« Cords Augenbrauen hoben sich erstaunt.

»Das ist... eine lange Geschichte«, antwortete Kara ausweichend.

Cord verstand. Mit einer raschen Bewegung drehte er sich herum und ging zu den beiden Männern, die Elder vom Rücken des Drachen herunterhoben. »Bringt ihn in eine Zelle«, sagte er. »Und bewacht ihn gut. Niemand spricht mit ihm, ehe Aires und ich ihn verhört haben. Ach ja«, fügte er noch hinzu, »und steckt den Kerl in einen Bottich mit heißem Wasser.« Ein paar Männer lachten, aber Kara fiel auch auf, wie still es plötzlich geworden war. Die Menge, die Cord und sie umgab, war mittlerweile auf gut fünfzig Personen angewachsen, aber in den meisten Gesichtern hatte sich in die Freude, sie und die anderen wiederzusehen, eine vage Furcht gemischt. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, überhaupt nichts zu sagen. Ihr Schweigen würde in den nächsten Stunden Anlaß zu den wildesten Spekulationen geben.

Cord nahm sie am Arm und führte sie ins Haus, während Hrhon dafür sorgte, daß sie auch wirklich allein blieben und ihnen niemand in der Hoffnung, vielleicht ein Wort oder eine Andeutung aufzuschnappen, hinterher schlich. Der Waga war unter den Drachenkämpfern nicht unbedingt für sein sanftmütiges Wesen bekannt...

Kara war so müde, daß sie Cord beinahe gebeten hätte, sie in ihr Quartier zu bringen, damit sie wenigstens einen Moment ausruhen konnte. Aber sie wußte auch, daß es nicht bei einem Moment bleiben würde. Was sie zu erzählen hatte, war zu wichtig, um zu warten. Und allein die Tatsache, wieder in der Sicherheit des Hortes zu sein, verwandelte ihre Erschöpfung in eine wohlige Müdigkeit.

Aires erwartete sie in Angellas ehemaligem Privatgemach, das zugleich als Versammlungs- und Konferenzraum bei nicht ganz offiziellen Anlässen diente, was Kara als ganz selbstverständlich hinnahm. Aires war nicht nur Angellas Freundin gewesen, sondern auch ihre rechte Hand und damit gewissermaßen ihre Stellvertreterin.

Mit dem kühlen Empfang, den Aires ihr bereitete, hatte Kara nicht gerechnet. Sie hatte nicht erwartet, daß die Magierin ihr um den Hals fiel, wohl aber eine gewisse Erleichterung. Statt dessen sah Aires sie nur einen Moment abschätzend an - wobei sie keinen Hehl daraus machte, daß ihr das, was sie sah, nicht besonders gefiel -, und dann funkelte es plötzlich zornig in ihren Augen. »Kara! Was um alles in der Welt hast du dir dabei gedacht, mich mit zwei Dutzend kreischender Bälger dort draußen zurückzulassen?«

Kara war völlig verblüfft. Meinte Aires diese Worte ernst?

War sie verrückt geworden? Oder war das nur ihre Art, ihrer Erleichterung Ausdruck zu verleihen, sie und die anderen lebendig wiederzusehen? Sie suchte vergebens nach der Andeutung eines Lächelns in Aires' Augen.

»Setz dich«, sagte Cord. Er stand hinter Kara, aber sie konnte den ärgerlichen Blick, den er der Magierin zuwarf, regelrecht spüren. So nahe sich Aires und Angella gestanden hatten, so wenig Freunde waren Cord und die Magierin. Eigentlich hatte es außer Angella niemanden hier gegeben, der Aires wirklich mochte.

Kara streifte Angellas breites Bett mit einem sehnsuchtsvollen Blick, steuerte aber gehorsam einen der Stühle an und ließ sich darauf niedersinken. Auch Cord und Aires nahmen Platz.

Hrhon blieb vorsichtshalber stehen.

»Was ist geschehen?« fragte Aires in einem Ton, der nur wenig freundlicher klang. »Ihr wart fünf, als ihr losgeflogen seid. Aber gerade habe ich nur noch drei Drachen gezählt.«

Kara war zu müde, um sich über Aires' herausfordernden Ton aufzuregen. Mit leisen Worten berichtete sie, was geschehen war. Aires hörte schweigend zu, aber ihr Ausdruck wurde dabei nicht unbedingt freundlicher.

»Also, du hast einen Krieger und zwei Drachen verloren«, sagte sie, als Kara zu Ende erzählt hatte. »Keine schlechte Bilanz für deinen ersten Alleinflug.«

Kara fielen vor Müdigkeit die Augen zu. »Gib mir irgend etwas, um wach zu bleiben«, murmelte sie. »Oder bringt mich in mein Zimmer. So hat unser Gespräch keinen Sinn.«

Aires sah sie einen Moment lang kühl an, dann stand sie auf, hantierte einige Augenblicke lang lärmend an einem Regal herum und kehrte schließlich mit einem Trinkbecher aus Zinn zurück, den sie Kara reichte.

»Trink das. Es wirkt eine halbe Stunde, aber danach wirst du so tief schlafen, daß du nicht einmal aufwachen würdest, wenn ich dein Bett in Brand steckte.«

Kara kostete vorsichtig an dem Getränk, verzog das Gesicht und leerte den Becher dann in einem Zug. Der Trank schmeckte scheußlich, aber er wirkte sofort. Schon nach wenigen Sekunden spürte sie, wie sich eine Woge kribbelnder Wärme in ihrem Magen ausbreitete, die rasch von ihrem ganzen Körper Besitz ergriff. Eigentlich war sie noch immer müde, zugleich aber auch so frisch, als hätte sie tagelang geschlafen.

Sie wartete noch einige Minuten - und eigentlich nur, um Aires zu ärgern, die genau wußte, wie schnell die Droge wirkte -, ehe sie mit ihrem Bericht begann. Aires ließ sie reden, bis sie von dem grellen Licht erzählte, das sie geweckt hatte.

»Ein Blitz, sagst du? Wie genau sah er aus?« Kara schwieg, und nach zwei Sekunden fuhr Aires fort: »Eine Kugel aus weißem Feuer, die auf den Boden fiel und zu einem riesigen Flammenpilz wurde?« Sie klang sehr erschrocken.

»Ich weiß es nicht«, gestand Kara. »Ich bin davon aufgewacht, aber... aber ich war ein paar Minuten lang fast blind. Es könnte so gewesen sein.«

»Aber sicher bist du nicht?«

»Nein.«

Sie war nicht sicher, ob Aires besorgt oder erleichtert war, aber was immer es war - sie war sehr erregt.

Kara fuhr in ihrem Bericht fort, doch schon bald wurde sie wieder von Aires unterbrochen. »Ein zweiter Drachenfels? Bist du sicher?«

Was für eine dumme Frage. »Ja«, antwortete sie, nur noch mühsam beherrscht. »Aber sehr viel größer. Die Drachentöchter hatten mehr als einen Stützpunkt.«

Und so ging es weiter. Aires - und bald auch Cord - unterbrachen sie immer öfter und stellten immer ungläubigere Fragen. Dabei war es keineswegs so, daß sie ihr nicht glaubten, vielmehr schien es selbst Aires so zu ergehen wie ihr und Zen, als sie am Ufer des Sees gestanden und versucht hatten, alle nur möglichen Gründe dafür zu finden, daß das, was sie zu sehen glaubten, einfach nicht existieren konnte.

»Das ist einfach lächerlich«, sagte Aires, als Kara alles erzählt hatte. »Pumpen, um das Meer wieder aufzufüllen! Wie groß sollen die Pumpen denn sein? So groß wie diese Burg hier?«