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Kara begann nervös mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte zu trommeln. Wenn ihr Gesicht so aussah wie es sich anfühlte, mußte es hell genug glühen, um als Lampe zu dienen.

»Bitte, Kara«, sagte Aires. »Es ist viel zu wichtig, als daß wir Rücksicht auf dein Schamgefühl nehmen können, auch wenn es dir noch so peinlich ist. Ist dir irgend etwas aufgefallen?«

Da gab es tatsächlich etwas. Etwas, das sie die ganze Zeit über gewußt hatte; nur hatten sich die Ereignisse in den letzten Stunden derartig überschlagen, daß sie dieser Sache keine Beachtung hatte schenken können.

»Sein Körper ist... perfekt«, sagte sie.

»Ich finde, er ist viel zu dünn«, sagte Cord.

»Das meine ich nicht. Er hat keinen Kratzer, versteht ihr? Er hat mir erzählt, daß er über zweihundert Jahre alt ist, aber er hat nicht eine einzige Narbe.«

»Zweihundert Jahre?« Donay riß die Augen auf.

»Dasselbe hat er mir auch erzählt«, sagte Aires, »als ich heute nachmittag mit ihm sprach. Und?«

»Man müßte es ihm ansehen«, beharrte Kara. »Er ist ein Krieger, zumindest eine Art Abenteurer. Ein solches Leben hinterläßt Spuren!«

Aires deutete auf das gläserne Gehirn vor sich. »Wenn sie so etwas können, dann können sie auch ein paar Narben verschwinden lassen, denke ich.«

Kara schüttelte überzeugt den Kopf. »Ihr habt die Explosion nicht gesehen«, sagte sie. »Das halbe Unterwasserboot ist in die Luft geflogen - und er war mitten drin. Er müßte zumindest ein paar Verbrennungen haben.«

»Vielleicht hast du nicht gründlich nachgesehen«, sagte Cord anzüglich.

Kara fuhr auf. »Vielleicht habe ich...« Sie hielt verblüfft inne und wußte plötzlich, woher das Gefühl gekommen war, daß sie die ganze Zeit etwas übersehen hatte. Wieso war sie nur nicht gleich darauf gekommen?

»Was hast du?« fragte Aires alarmiert.

»Der Schacht«, sagte Kara leise. »Er hat davon gesprochen, daß Liss und die anderen dort erschossen worden sind.«

»Und?« fragte Cord. »Das stimmt auch.«

»Ja«, antwortete Kara. »Aber das konnte er nicht wissen. Die offizielle Version lautete, daß sie verschüttet worden sind. Wir haben Gendik und Elder erzählt, daß man sie getötet hat, aber nicht wie.« Sie legte eine winzige Pause ein und fuhr dann mit beinahe ausdrucksloser Stimme fort. »Daß sie von einem Laser getötet wurden, das konnten nur Angella und ich und ein paar von uns wissen.«

»Und der, der sie erschossen hat«, fügte Cord düster hinzu.

Lange Zeit saßen sie einfach da und schwiegen, dann stand Kara auf und ging zur Tür. Aires sah ihr mit unverhohlener Sorge nach. »Wohin gehst du?« fragte sie.

»Zu Elder«, knurrte Kara. »Ich muß noch ein Experiment durchführen.«

38

Natürlich ging sie an diesem Abend nicht mehr zu Elder. Hätte sie es getan, dann ganz bestimmt nicht, um mit ihm zu schlafen, sondern um ein Experiment ganz anderer Art durchzuführen, zum Beispiel, wie tief sie einen Dolch in seinen Rücken stoßen konnte, bis die auf Widerstand traf. Dafür kamen Donay und Aires an diesem Abend noch einmal zu ihr, und sie redeten bis tief in die Nacht hinein. Was am Ende dabei herauskam, das überzeugte so recht keinen von ihnen, denn es war allenfalls die Idee einer Idee - aber besser als gar nichts.

Sie begann gleich am nächsten Morgen damit, ihren Plan in die Tat umzusetzen, indem sie zweierlei Dinge tat: Sie beauftragte Silvy und zwei freiwillige Begleiter, mit ihren Drachen noch einmal in den Schlund hinauszufliegen, um eine Probe der Traumbestie zu holen, die ihnen in ihrer ersten Nacht im Dschungel fast zum Verhängnis geworden wäre. Und sie erschien mit einem Eimer voller eiskaltem Wasser in Elders Zimmer.

Ihre Schritte oder das Geräusch der Tür mußten ihn geweckt haben, aber er tat ihr den Gefallen und spielte mit - zumindest bis sie den Eimer hob und ihn schwungvoll in seine Richtung entleerte. Im allerletzten Moment rollte er sich zur Seite, fiel vom Bett und sprang in dem Augenblick auf die Füße, in dem das Wasser sein Kopfkissen und die Decke durchnäßte. »He!« sagte er empört.

Kara lachte. »Ich wußte, daß ein Eimer Wasser ein todsicheres Mittel ist, dich wachzubekommen. Badet ihr dort, wo du herkommst, nicht?«

»Nicht im Bett«, antwortete Elder. Er wirkte ein wenig verwirrt.

Kara ließ den Eimer sinken und lächelte verlegen. »Ich...«

»Ja?« Er legte den Kopf schräg und sah sie fragend an.

»Wegen gestern abend«, sagte Kara linkisch. »Ich meine, es... tut mir leid, wenn ich ein bißchen... ach verdammt, ich bin nicht gut darin, mich zu entschuldigen.«

»Geschenkt«, sagte Elder. »Wir waren alle ein bißchen nervös. Ich hoffe, ich habe Cord nicht zu hart vor den Kopf gestoßen. Ich wollte ihm nicht weh tun.«

»Cord ist ein Krieger«, sagte Kara. »Er ist daran gewöhnt, daß man ihm weh tut.«

»Das wollte ich nicht«, sagte Elder. »Aber ich hatte irgendwie das Gefühl, keine andere Wahl mehr zu haben.«

»Um was zu verhindern?« fragte Kara. Plötzlich war sie ganz nahe daran, ihm die Wahrheit zu sagen. Sie kam sich vor wie eine Verräterin, denn gleichgültig, was sie Aires und Cord und Donay gegenüber behauptet hatte, zwischen Elder und ihr hatte es mehr gegeben als nur eine rein körperliche Anziehung. »Ich will ganz ehrlich zu dir sein, Elder«, begann sie. »Die anderen glauben dir deine Sorge um unser Wohl nicht ganz.«

»Die anderen? Und du?« Elder versuchte sie an sich zu ziehen, aber Kara wich zurück.

»Ich bin... nicht sicher«, sagte sie zögernd. »Ich glaube nicht, daß ich noch ganz unvoreingenommen bin.«

»Aber wenigstens ehrlich.« Elder seufzte. »Und was wollen sie tun?«

Kara antwortete nicht gleich. Sie durfte Elder nicht unterschätzen. Er war ein intelligenter Mann und ein guter Beobachter. »Ich glaube, du würdest es einen faulen Kompromiß nennen«, sagte sie. »Cord nennt es Vorsicht. Wir bereiten uns darauf vor, sie abzuwehren und gegebenenfalls selbst anzugreifen. Aber wir werden es nicht tun. Nicht, solange uns noch eine andere Wahl bleibt.«

»Angreifen? Aber wen denn? Und womit?«

»Wir sind nicht ganz so wehrlos, wie du glaubst«, sagte Kara. »Und wir zählen auf deine Hilfe.«

»Meine Hilfe?«

»Warum nicht. Es ist ein faires Geschäft, oder nicht? Wir werden dich unterstützen. Wir versuchen, dieses Schiff zu finden, und wir werden dir helfen, hineinzugelangen. Im Gegenzug erwarten wir nicht mehr, als daß du uns alles über ihre Bewaffnung erzählst und wie wir sie überwinden oder uns zumindest vor ihnen schützen können. Diese Schallwaffe macht Cord große Angst. Und mir auch.«

»Haltet euch die Ohren zu«, riet ihr Elder. Er lächelte, als er sah, daß sein Spott sie nur verärgerte. »Es tut mir leid, Kara - aber das ist der einzige Rat, den ich euch geben kann. Ich bin Scout, kein Waffeningenieur. Davon abgesehen gibt es gegen die meisten dieser Waffen keine Gegenwehr. Nicht hier. Nicht mit euren Mitteln. Und ich bin nicht einmal sicher, ob ich es euch verraten würde - selbst wenn ich es könnte.«

Es war diese unerwartete Ehrlichkeit, die Kara schwankend machte. Wenn er sie wirklich belogen hatte, warum versuchte er dann nicht mit allen Mitteln, ihr Vertrauen zu gewinnen?

Noch dazu mit einer Lüge, die so wenig zu überprüfen gewesen wäre?

»Du verlangst, daß wir das Schicksal unserer Welt in die Hände eines einzigen Mannes legen?« fragte sie. »Du weißt genau, daß wir das nicht können. Selbst wenn sie alle dir trauen würden - sie könnten es trotzdem nicht.«

Elder seufzte. »Ja«, sagte er. »Das sehe ich ein. Ein schönes Dilemma, nicht?« Er lachte. Kara verstand nicht, warum. »Ist das eure offizielle Antwort?«

»Ich fürchte, ja«, sagte Kara. »Es ist die Entscheidung des Rates. Und ich kann und will sie nicht ändern.«