»Das tut mir sehr leid«, sagte Elder. »Denn ihr werdet alle sterben. Ich weiß nicht, ob sie auch die Leute in Schelfheim und all den anderen Städten töten werden, aber euch werden sie auf keinen Fall verschonen. Du hast gesehen, wie rachsüchtig sie sind.«
Kara machte eine Bewegung, als wolle sie zur Tür gehen, und blieb noch einmal stehen. »Laß uns ein paar Schritte gehen«, bat sie. »Vielleicht kann ich dich wenigstens überzeugen, noch eine Weile bei uns zu bleiben.«
»Ich fürchte, das geht nicht«, antwortete Elder, trat aber gehorsam neben ihr auf den Gang hinaus und hob grüßend die Hand, als er Hrhon entdeckte, der neben der Tür Wache gestanden hatte.
»Warum nicht?« fragte Kara. »Solange du nicht weißt, wo dieses Schiff ist, bist du hier bei uns besser aufgehoben als an jedem anderen Ort.«
»Das mag sein. Aber ich werde es auch nicht herausfinden, wenn ich hier herumsitze.«
»Was willst du tun? In den Schlund hinunterklettern und auf gut Glück mit der Suche beginnen?«
»Ich habe schon noch die eine oder andere Möglichkeit«, antwortete Elder geheimnisvoll.
»Ja?« Kara versuchte vergeblich, sein rätselhaftes Lächeln zu durchdringen, dann sagte sie mit übertrieben gespieltem Grolclass="underline"
»Ich verstehe. Es hätte keinen Sinn, uns Barbaren etwas so Kompliziertes erklären zu wollen.«
»Stimmt«, antwortete Elder fröhlich. »Nur daß ich es etwas diplomatischer ausgedrückt hätte. Allerdings halte ich euch nicht für Barbaren. Ich bin schon auf einer Menge anderer Planeten gewesen, und einige davon hätten dich wirklich erstaunt. Aber ich habe niemals ein Volk wie eures getroffen.«
»So?«
Elder nickte überzeugt. »Ihr seid das Erstaunlichste, was mir je untergekommen ist. Ich gebe zu, daß ich euch im ersten Moment wirklich für Barbaren hielt. Aber das stimmt nicht. Eure Kultur ist... faszinierend. Die Leute von PACK müssen noch dümmer sein, als ich immer angenommen habe, daß sie das in all der Zeit nicht erkannt haben.«
Kara sah ihn fragend an, und Elder fuhr mit einer weit ausholenden Geste fort: »Sie könnten zehnmal mehr Geld als mit dem Verkauf dieses Planeten verdienen, wenn sie versuchen würden, mit euch ins Geschäft zu kommen.«
»Was?« fragte Kara verwirrt. »Du willst mich auf den Arm nehmen.«
»Ganz bestimmt nicht«, antwortete Elder. »Eure Kultur ist nicht halb so primitiv, wie es auf den ersten Blick scheint. In Wirklichkeit unterscheidet sie sich nicht so sehr von der Kultur der meisten Kolonien, die wir errichten. Was hier entstehen wird, wenn ihr...« Er brach betroffen ab. »Entschuldige.«
»Sprich weiter«, sagte Kara.
»Ich meine, falls es uns nicht gelingt, sie aufzuhalten, dann wird hier für die nächsten fünfhundert oder auch tausend Jahre eine Kolonie entstehen, die unter weit schlechteren Bedingungen lebt als ihr.«
»Bei all eurer Technik?«
»Unsere heißgeliebte Technik hat ein paar kleine Nachteile«, antwortete er. »Einer ist, daß sie teuer ist. Maschinen müssen gewartet und repariert werden. Man braucht Spezialisten und vor allem Rohstoffe. Was tut ihr, wenn ihr einen Stollen graben wollt?«
»Wir haben einen Gräber«, antwortete Kara. »Was denn sonst?«
»Du meinst einen dieser riesigen Käfer. Wesen, die Steine und Sand fressen?« Er beantwortete seine eigene Frage mit einem Kopfnicken. »Das ist es, was ich meine, Kara. Ihr habt gelernt, die Natur dazu zu bringen, all die Dinge zu tun, für die wir Maschinen brauchen.«
»Wir mußten es«, sagte Kara. »Nach dem Zehnten Krieg war nichts mehr da, woraus man Maschinen hätte bauen können.«
»Und später waren da Jandhis Drachentöchter, die jeden umbrachten, der auch nur ein Wasserrad gebaut hat, ich weiß«, fügte Elder hinzu. »Ihr mußtet lernen, euch lebende Maschinen zu bauen. Weißt du, daß wir genau das seit Zehntausenden von Jahren versuchen? Und daß es uns bisher nicht gelungen ist?«
»Das kann ich nicht glauben«, erwiderte Kara impulsiv. Für sie war es völlig selbstverständlich, daß man ein Geschöpf in Auftrag gab, je nachdem, welche Arbeit man zu erledigen hatte.
»Natürlich verstehen wir uns auf Genmanipulation«, antwortete Elder. »Aber das ist ein aufwendiger Prozeß, der oft Jahrzehnte in Anspruch nimmt und nicht immer funktioniert.« Er schüttelte den Kopf. »Nimm diesen Donay als Beispiel. Einmal habe ich mich bei ihm aus Spaß beschwert, daß meine Kleider immer so unordentlich gestopft würden. Drei Tage später brachte er mir eine Spinne, die die Löcher in meinem Umhang so sauber zuwob, daß man nicht einmal mehr sah, daß er überhaupt beschädigt worden war. Leider prinzipiell in der falschen Farbe«, fügte er säuerlich hinzu. »Nach einer Woche sah ich aus wie ein Clown.«
»Ich wette, das hat er mit Absicht getan«, sagte Kara.
»Sicher«, bestätigte Elder. »Verstehst du? Das ist es, was ich meine. Er hat dieses Tier gemacht - in drei Tagen! Und es ist ihm so leichtgefallen, daß er sogar noch einen seiner Scherze eingebaut hat. Unsere Labors würden für so etwas Monate brauchen, wenn nicht Jahre! Und Donay ist nicht der einzige, der so etwas kann! Eure Begabung ist einmalig in der Galaxis. Vielleicht im ganzen Universum! Allein deshalb muß diese Welt gerettet werden.«
Sie hatten den Hof erreicht; plötzlich öffnete sich auf der anderen Seite des Platzes eine Tür, und Donay trat ins Freie.
Kara wußte, daß er Aires gebeten hatte, ihm in einem der leerstehenden Gebäude ein kleines Labor einzurichten. Elder hob den Arm und winkte, und als Donay sich daraufhin auf sie zubewegte, sah Kara, daß er vermutlich die ganze Nacht gearbeitet hatte. Er bewegte sich schleppend und mit hängenden Schultern, und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe.
»Donay!« sagte Elder aufgeräumt. »Wir reden gerade über dich.«
»So?« Donay warf Kara einen verstohlenen Blick zu. Außer Cord und Aires war er der einzige, der in ihren Plan eingeweiht war. Und Hrhon, natürlich. Sie antwortete mit einem angedeuteten Kopfschütteln. Nein, noch nicht. »Ich hoffe doch, nur Gutes.«
»Du siehst nicht aus, als könntest du noch ein paar schlechte Nachrichten gebrauchen«, sagte Elder. »Woran arbeitest du?«
Donay druckste einen Moment herum, bis Kara sagte: »Erzähl es ihm. Ich habe ihm gesagt, wie wir uns entschieden haben.«
»Ich versuche, ein paar Überraschungen für deine Freunde zu entwickeln, Elder«, sagte er.
»Habt ihr deshalb heute morgen die Drachen in den Schlund geschickt?« fragte Elder.
Donays Überraschung war so wenig geschauspielert wie die Karas. »Wie... kommst du darauf?« fragte Kara unsicher. »Es ist ein Routineflug. Eine Patrouille, mehr nicht.«
»In den Schlund, den ihr ansonsten fürchtet wie sonst nichts auf der Welt.« Elder sah sie strafend an. »Du enttäuschst mich, Kara. Hältst du mich für so dumm? Ihr hofft, dort etwas zu finden, was Donay zu einer Waffe umbauen kann.«
»Du hast mir vor einer Minute bestätigt, wie gut er ist.«
»Dazu aber ist er nicht gut genug«, antwortete Elder. Seine Augen wurden schmal. »Erinnerst du dich an den Krater, in dem ihr das Helikopterwrack gefunden habt?«
»Warum?«
»Du solltest gelegentlich einmal einen Blick auf die Karte werfen«, riet ihr Elder. »Dann würdest du feststellen, daß dort nicht immer ein Krater war. Dort lebte etwas, was wirklich unangenehm war. Etwas, das selbst Donay Alpträume bescheren würde. Ich weiß nicht genau, was es war - aber es hat sie nicht lange aufgehalten.«
»Vielen Dank für den Tip«, sagte Donay fröhlich. »Ich werde jemanden hinschicken. Vielleicht findet sich noch ein Rest, mit dem ich etwas anfangen kann.«
Elder seufzte, aber er hatte auch Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. »Ihr seid wirklich unverbesserlich.«
Kara hob die Hand und massierte sich den Nacken, und das war das Zeichen, auf das Cord hinter seinem Fenster auf der anderen Seite des Hofes gewartet hatte. Eine Tür flog auf, und der grauhaarige Krieger trat auf den Hof hinaus; er stolperte hinter den beiden riesigen Hunden her, die er an zwei kurzen Ketten hielt. Die Tiere begannen immer wütender an ihren Ketten zu zerren und kläfften, was das Zeug hielt.