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Wir sind schon drei: ein häßliches kleines Mädchen, ein trauriger Narr und ein Maester… das bringt doch den härtesten Mann zum Weinen.»Setzt Euch zu mir, Kind. «Cressen winkte sie zu sich.»Das ist aber ein früher Besuch, so kurz nach dem Morgengrauen. Ihr solltet in Eurem Bett liegen und friedlich schlummern.«

«Ich habe schlecht geträumt«, erzählte ihm Shireen.»Über die Drachen. Sie sind gekommen und wollten mich fressen.«

Solange Maester Cressen zurückdenken konnte, wurde das Mädchen von Alpträumen geplagt.»Wir haben ja schon darüber gesprochen«, erwiderte er sanft.»Die Drachen können nicht zum Leben erwachen. Sie sind aus Stein gemeißelt, Kind. In den alten Tagen war unsere Insel der westlichste Vorposten des großen #Al-lods von Valyria. Die Valyrer haben diese Festung gebaut, und sie verstanden sich auf eine Kunst der Steinbearbeitung, die uns verlorengegangen ist. Eine Burg braucht an der Stelle, wo zwei Mauern im rechten Winkel aufeinandertreffen, einen Turm zur Verteidigung. Die Valyrer haben diesen Türmen die Gestalt von Drachen gegeben, damit sie abschreckender wirkten, und außerdem krönten sie die Mauern mit Tausenden Steinfiguren anstelle einfacher Zinnen. «Er drückte ihre kleine rosige Hand sanft mit seiner eigenen, gebrechlichen.»Ihr braucht Euch nicht vor ihnen zu fürchten.«

Shireen überzeugte das nicht.»Und dieses Ding am Himmel? Dalla und Matrice haben sich am Brunnen darüber unterhalten, und Dalla hat gesagt, sie habe gehört, wie die rote Frau Mutter erklärte, es sei Drachenatem. Wenn die Drachen schon atmen, werden sie dann nicht auch zum Leben erwachen?«

Die rote Frau, dachte Maester Cressen verärgert. Genügt es nicht, den Kopf der Mutter mit Wahnsinn #zufallen, muß sie auch die Träume der Tochter vergiften? Er würde ein ernstes Wort mit Dalla reden und sie warnen, nicht solche Geschichten in Umlauf zu bringen.»Dieses Ding am Himmel ist ein Komet, liebes Kind. Ein Stern mit einem Schweif, der sich am Himmel verirrt hat. Bald wird er wieder verschwunden sein, und in Eurem ganzen Leben werdet Ihr ihn nicht wiedersehen. Daher schaut ihn Euch gut an.«

Shireen nickte artig.»Mutter sagt, die weißen Raben bedeuten, daß der Sommer vorbei ist.«

«Das stimmt, Mylady. Die weißen Raben werden nur von der Citadel ausgesandt. «Cressens Hand fuhr zu seiner Halskette, deren Glieder jeweils aus einem anderen Metall geschmiedet waren und die Meisterschaft in den verschiedenen Disziplinen der Gelehrsamkeit symbolisierten; die Kette des Maesters war das Zeichen seines Ordens. Im Stolz der Jugend hatte er ihr Gewicht kaum gespürt, heute jedoch lastete das kalte Metall schwer in seinem Nacken.»Sie sind größer als andere Raben und klüger, und sie werden nur für die wichtigsten Nachrichten verwendet. Dieser hat uns die Botschaft überbracht, daß die Konklave zusammengetreten ist, die Berichte der Maester im ganzen Reich begutachtet und das Ende des großen Sommers verkündet hat. Zehn Jahre, zwei Drehungen, und sechzehn Tage hat er gedauert, der längste Sommer seit Menschengedenken.«

«Wird es jetzt kalt werden?«Shireen war ein Sommerkind, wahre Kälte hatte sie noch nie erlebt.

«Bald«, antwortete Cressen.»Wenn die Götter uns wohlgesonnen sind, gewähren sie uns einen warmen Herbst und eine reiche Ernte, damit wir uns auf den bevorstehenden Winter vorbereiten können. «Das gemeine Volk erzählte sich, ein langer Sommer ziehe einen um so längeren Winter nach sich, aber der Maester sah keinen Anlaß, das Kind mit solchen Geschichten noch mehr zu verängstigen.

Flickenfratz klingelte mit seinen Glöckchen.»Unter dem Meer ist immer Sommer«, sagte er mit hoher Stimme.»Die Nixen tragen Aktinien im Haar und weben Gewänder aus silbernem Seegras. Ja, ja, ja, ha, ha, ha.«

Shireen kicherte.»Ein Gewand aus silbernem Seegras hätte ich auch gern.«

«Unter dem Meer schneit es nach oben«, fuhr der Narr fort,»und der Regen ist knochentrocken. Ja, ja, ja, ha, ha, ha.«»Schneit es auch bestimmt?«wollte das Kind wissen.»Sicherlich«, erwiderte Cressen. Aber in den nächsten Jahren noch nicht, dafür bete ich, und dann hoffentlich nur für kurze Zeit.»Ach, da kommt Pylos mit dem Vogel.«

Shireen juchzte entzückt. Sogar Cressen mußte eingestehen, welch beeindruckenden Anblick dieser Vogel bot. Er war schneeweiß und größer als ein Falke, wobei seine schwarzen Augen verrieten, daß es sich nicht um einen Albino, sondern um ein reinrassiges Tier aus der Citadel handelte.»Hier«, rief er. Der Rabe breitete die Flügel aus, sprang in die Luft, flatterte lärmend durch den Raum und landete auf dem Tisch neben dem Maester.

«Ich werde mich jetzt um Euer Frühstück kümmern«, verkündete Pylos. Cressen nickte.»Das ist die Lady Shireen«, erklärte er dem Raben. Der Vogel zuckte mit dem blassen Kopf auf und ab, als würde er sich verneigen.»Lady«, krächzte er,»Lady.«

«Er spricht ja. «Dem Mädchen stand der Mund offen.

«Nur wenige Worte. Wie schon erwähnt, diese Vögel sind sehr klug.«

«Kluger Vogel, kluger Mann, kluger, kluger Narr«, krähte Flickenfratz schrill.»Oh, kluger, kluger, kluger Narr. «Er begann zu singen.»Die Schatten kommen zum Tanzen, Mylord, zum Tanzen, Mylord, zum Tanzen, Mylord. «Dabei hüpfte er von einem Fuß auf den anderen.»Die Schatten kommen und bleiben, Mylord, sie bleiben, Mylord, sie bleiben, Mylord. «Bei jedem Wort zuckte er mit dem Kopf, und die Glöckchen in seinem Geweih klingelten.

Der weiße Rabe kreischte, flog auf und hockte sich auf das Geländer der Eisenstiege. Shireen schien den Kopf einzuziehen.»Das singt er andauernd. Ich habe ihm gesagt, er soll damit aufhören, aber er gehorcht nicht. Er macht mir angst. Könnt Ihr ihm nicht sagen, daß er aufhören soll?«

Und wie soll ich das anstellen? fragte sich der alte Mann. Einst hätte ich ihn für immer zum Schweigen bringen können, aber heute…

Flickenfratz war als Kind zu ihnen gekommen. Lord Steffon, Ehre seinem Andenken, hatte ihn in Volantis jenseits der Meerenge aufgetrieben. Der König — der alte König, Aerys Targary en II. -, der in jenen Tagen noch nicht ganz so stark vom Irrsinn gezeichnet war, hatte den Lord ausgesandt, um eine Braut für Prinz Rhaegar zu suchen, der keine Schwester hatte, die er ehelichen konnte.»Wir haben den herrlichsten Narren gefunden«, schrieb Steffon Cressen und stach vierzehn Tage später nach einer ansonsten erfolglosen Reise wieder gen Heimat in See.»Noch ein Knabe, aber trotzdem flink wie ein Affe und geistreich wie ein Dutzend Höflinge. Er kann jonglieren, gibt die wunderbarsten Rätsel auf, zaubert und singt in vier Sprachen. Wir haben ihn freigekauft und hoffen, ihn mit uns nach Hause zu nehmen. Robert wird erfreut sein, und vielleicht wird er sogar Stannis das Lachen lehren.«

Die Erinnerung an diesen Brief stimmte Cressen traurig. Niemand hatte Stannis je das Lachen gelehrt, und der kleine Flickenfratz erst recht nicht. Plötzlich war ein heftiger Sturm aufgekommen, und die Shipbreaker Bay hatte ihrem Namen alle Ehre gemacht. Die Zweimastgaleere des Lords, die

Windstolz, war in Sichtweite der Burg zerschellt. Von den Zinnen hatten seine beiden ältesten Söhne mit angesehen, wie das Schiff ihres Vaters gegen den Felsen geworfen und vom Wasser verschlungen wurde. Mit Lord Steffon und seiner Gemahlin wurden hundert Ruderer und Seeleute in die Tiefe gerissen, und viele Tage später noch spülte die Flut aufgedunsene Leichen an den Strand unterhalb von Storm's End.

Der Junge wurde am dritten Tag angetrieben. Maester Cressen war mit den anderen nach unten gegangen, um die Toten zu identifizieren. Als sie den Narren fanden, war seine Haut weiß und runzlig und mit feuchtem Sand gesprenkelt. Cressen hielt ihn für eine Leiche, doch in dem Moment, da Jommy ihn an den Knöcheln packte und ihn zum Leichenkarren zerren wollte, hustete der Junge, spuckte Wasser und setzte sich auf. Bis zu seinem Sterbetag schwor Jommy, Flickenfratz' Fleisch sei kalt gewesen.