«Walross-Elfenbein, Hörner von Meereseinhörnern, Eiderdaunen, Schwefel, Robben-Öl.»
«Die Jäger haben gesagt, Ihr habt auch Gerfalken.»
«Das stimmt. Ich habe sie selbst in den nördlichen Jagdgebieten Grönlands gefangen.»
«Bitte, wenn es Euch nichts ausmacht. Ich würde sie gerne sehen.»
Nicht ohne Stolz zog Wayland das Tuch von dem Käfig des weißen Falken.
Andrei ging in die Hocke, um den Vogel zu begutachten. Dann sagte er nüchtern: «Mein Herr hat einen vermögenden Kunden, der den Falkenflug liebt. Er ist ein Prinz, der für seine Vergnügungen großzügig bezahlt. Auch wenn dieses Exemplar aussieht wie ein Staubwedel, gebe ich Euch viel mehr dafür, als ihr auf dem Markt bekommen würdet.»
«Die Falken stehen nicht zum Verkauf.»
Andrei runzelte die Stirn. «Warum habt Ihr sie nach Nowgorod gebracht, wenn Ihr sie nicht verkaufen wollt?»
«Wir bleiben nicht hier. Wir sind nur auf der Durchreise nach Anatolien.»
«Rum? Ihr wollt nach Rum?»
«Sobald wir uns ausgeruht und alles Notwendige gekauft haben.»
Anrei lachte erneut. «Weiter als bis Nowgorod kommt Ihr dieses Jahr nicht mehr. Verkauft die Falken, solange sie noch gesund sind.»
«Es tut mir leid. Sie sind schon vergeben.»
Andrei trat einen Schritt zurück. «Habt Ihr Silber, um Euren Aufenthalt in Nowgorod zu bezahlen?»
Wayland warf Richard einen Blick zu. «Wir können für unsere Unterkunft bezahlen.»
Andrei verbeugte sich vor Vallon. «Dann werdet Ihr hier einen bequemen Aufenthalt haben. Unsere Stadt hat ein eigenes Quartier für ausländische Händler. Es wird Euch in Nowgorod gefallen. Wir haben sogar eine romanische Kirche.»
Auch Vallon verbeugte sich. «Ich danke Euch. Wir brauchen drei getrennte Unterkünfte. Dass die Isländer und Wikinger hier sind, habe ich mir nicht ausgesucht.»
«Überlasst das mir», sagte Andrei. Seine Eskorte half ihm in den Sattel. «Ihr seid hier nur drei Werst von Nowgorod entfernt, das entspricht etwa drei Meilen.» Er gab seinem Pferd die Sporen. «Ich erwarte Euch dort, um Euch willkommen zu heißen.»
Sie ruderten das Langschiff die rechte Fahrrinne hinauf, und bald sahen sie die Stadt Nowgorod, die sich auf beiden Ufern des Flusses ausbreitete.
Richard stieß einen bewundernden Pfiff aus. «Ich habe mir die Stadt nicht einmal halb so groß vorgestellt.»
Die Metropole war ganz aus Holz erbaut, die einzigen Ausnahmen bildeten eine große gemauerte Zitadelle und eine Kirche mit fünf Kuppeln auf dem Westufer. Sie ruderten unter einer überdachten Brücke hindurch, die lang genug war, um den Schiffsverkehr in beide Richtungen passieren zu lassen. Hinter der Brücke winkte ihnen Andrei von einem Kai auf dem Ostufer. Ein Trupp Arbeiter stand bereit. Die Reisenden ruderten ans Ufer und machten fest.
«Eure Unterkünfte sind vorbereitet», erklärte Andrei. «Meine Männer werden Eure Ladung tragen.» Er klatschte in die Hände, und die Träger sprangen in die Boote und begannen, die Ladung auf Handkarren zu verladen.
«Wir sollten ihm nicht zu viel über unser Vorhaben verraten», murmelte Hero Vallon zu.
«Vermutlich kennt er den Wert unserer Ladung bis auf den letzten, durchgehackten Halfpenny, noch bevor wir heute Abend schlafen gehen.»
Der Verwalter führte sie durch Straßen mit Holzpflasterung, an denen Häuser mit Lattenzäunen standen. Die meisten Grundstücke maßen etwa hundert mal fünfzig Fuß, aber einige waren auch doppelt oder dreimal so groß. Den ersten Halt machte Andrei an einem Tor, das etwas zurückgesetzt einen Staketenzaun unterbrach. Er öffnete das Tor und deutete auf eine Scheune. «Das ist für Eure Norweger. Kein Luxus. Nur Stroh zum Schlafen und sauberes Quellwasser. Meine Männer sorgen dafür, dass sie genügend zu essen haben und den Stadtfrieden nicht stören.»
«Ich bezahle für das Essen und die Unterkünfte», erklärte Vallon den Wikingern. «Ihr könnt auch Bier trinken, aber nicht im Übermaß. Wenn ihr euch Ärger einhandelt, dann glaubt nicht, dass ich für euch in die Bresche springe. Und was die Huren angeht, das müsst ihr selber regeln.»
Als Nächstes blieben sie vor der Unterkunft für die Isländer stehen. «In diesem Haus können zwölf schlafen, wenn sich jeweils zwei ein Bett teilen», sagte Andrei. «Die Übrigen müssen in den Stallungen übernachten.»
Caitlin baute sich vor Vallon auf. «Ich werde mein Bett nicht teilen, und ich schlafe nicht in einem Haus mit fremdem Männern. Ich übernachte auch nicht in einem Kuhstall. Ich bestehe auf einer eigenen Unterkunft. Ich bezahle sie von meinem eigenen Geld.»
Vallon sah Andrei schulterzuckend an.
Der Verwalter gab einen Befehl, und einer seiner Leute führte Caitlin und ihre Mägde zurück zur Straße. «Man sieht, dass diese Dame es gewohnt ist, ihren Willen durchzusetzen», sagte Andrei. Seine Augenbrauen hoben sich fragend. «Eine Lady von hoher Geburt?»
Vallon lächelte. «Eine Prinzessin. Jedenfalls nach ihrer eigenen Einschätzung.»
Andrei sah Caitlin nach, die, ihre diensteifrigen Mägde an der Seite, hoheitsvoll davonschritt. «Nun, es gibt viele Prinzen, die sich glücklich schätzen würden, sie zur Gemahlin zu nehmen. Ich habe noch nie eine begehrenswertere Frau gesehen.»
Als die Isländer in ihrem Quartier verschwunden waren, blieben noch Drogo und Fulk übrig. Sie wechselten einen ratlosen Blick. Vallon sagte schicksalsergeben: «Am besten übernachtet ihr bei uns.»
Andreis letzter Halt vor einem Lattenzaun galt einem schönen Haus mit Nebengebäuden, zu denen ein Badehaus, Ställe und das Haus des Gutsverwalters gehörten. Knotenmuster-Schnitzereien zierten die Giebel. Rufend lief Andrei ein paar Stufen zu einer Veranda hinauf, die zu einem Vorraum führten. Eine Kassettentür führte in einen Gemeinschaftssaal, in dem eine Gruppe Bauersfrauen unter der Aufsicht des Gutsverwalters und seiner Frau den Dielenboden wischten. Alle Diener verbeugten sich, als Andrei hereinkam. Er schien es nicht wahrzunehmen. Ein halbes Dutzend Schlafbänke zog sich an den Wänden entlang, und ein kuppelförmiger Lehmofen qualmte in der Ecke schräg gegenüber der Tür. Es gab keinen Kamin, die Luft konnte nur durch eine Klappe in der Decke und winzige Schlitzfenster abziehen. Andrei redete in scharfem Ton mit dem Gutsverwalter. Anschließend bellte dieser einen Befehl, und eine der schuftenden Bauersfrauen kniete sich vor den Ofen und versuchte, das Feuer stärker anzufachen.
Andrei stieß eine weitere Tür auf, die zu einer Kammer mit einer einzelnen Bettstelle, einem Tisch und einer Bank führte. Eine Ikone, die in der rechten Ecke an der Wand hing, zeigte die Jungfrau mit dem Kind. «Diese Kammer ist für Euch», erklärte er Vallon. «Sie ist klein, aber ich vermute, Ihr seid froh um einen Privatbereich.»
«Für einen Mann, der nur noch den kalten Erdboden als Bett und den leeren Himmel als Dach kennt, ist es ein wahrer Palast.»
«Herr Vasili hält dieses Anwesen für besondere Gäste bereit. Er bittet darum, dass Ihr ihm übermorgen die Ehre erweist, mit ihm zu feiern.» Andrei lächelte. «Bringt die isländische Prinzessin und ihre Mägde mit. Es gilt eine Kleiderordnung, aber seid unbesorgt, ich kümmere mich darum, dass Ihr präsentabel seid.»
Jeder, der am nächsten Morgen über das Gelände des Anwesens ging, hätte geschworen, dass das Haus unbewohnt war. Drinnen schliefen die Reisenden wie die Toten. Drogo und Fulk hatten sich auf einer Schlafbank über dem Ofen zusammengerollt und nicht einmal ihre verdreckten Sachen ausgezogen. Sogar Wayland rührte sich erst nach Einbruch der Dunkelheit und musste den Gutsverwalter fragen, welcher Tag war, bevor er hinausschlurfte, um die Falken zu füttern.
Am nächsten Tag trommelte der Gutsverwalter die männlichen Gäste zusammen und führte sie zum Badehaus, während seine Frau Syth zu Caitlins Unterkunft mitnahm. Der Gutsverwalter hieß die Männer im Vorraum all ihre Kleidung ausziehen, die er dann von einem Bediensteten einsammeln ließ, der sie zum Verbrennen nach draußen warf.