«Dann lässt mir meine Ehre keine andere Wahl, als dich herauszufordern.»
«Herausforderung abgelehnt. Schick die Wikinger herein, wenn du draußen bist.»
«Vallon, ich kann Caitlin nicht allein lassen. Und das liegt nicht nur an dem Eid, den ich Helgi geschworen habe. Ich will, dass sie meine Frau wird.»
Dieser Vormittag wurde immer grauenhafter. «Ich bin kein Heiratsvermittler.»
Drogo trat dicht vor ihn. «Du brauchst mich und Fulk. Nach dem Tod Rauls ist Wayland der einzige richtige Kämpfer, den du hast. Was passiert, wenn du in eine schwierige Situation kommst?»
«Ich nehme es lieber mit Schwierigkeiten auf, als dich mitzunehmen.»
«Aber die Wikinger nimmst du mit. Sie sind gegen dich drei zu eins in der Überzahl. Was machst du, wenn sie sich gegen dich wenden?»
Vallon fühlte sich, als würde er von den Fäden einer Spinne eingewoben. «Damit wir uns recht verstehen. Du wirst meinen Leuten gegenüber keinerlei Feindseligkeiten an den Tag legen, wenn wir dich den Dnjepr hinunter mitnehmen?»
«Genau.»
«Und wenn wir am Schwarzen Meer sind, trennen sich unsere Wege. Du gehst nach Konstantinopel, ich nach Anatolien.»
«Ja.»
Vallon wog die Risiken ab. «Sehr gut. Zu diesen Bedingungen toleriere ich deine Anwesenheit.»
Drogos Schritt schien wie beflügelt, als er zur Tür ging. Vallon hielt ihn noch einmal auf. «Ich will in vier Tagen los. Such uns drei kräftige Pferde.»
Nachdenklich starrte Vallon auf die Stelle, an der Drogo eben noch gestanden hatte. Der arme, verblendete Drogo, immer auf der Schattenseite des Schicksals. Als Kind die Mutter verloren und umsonst nach der Liebe seiner Stiefmutter gehungert, die allein den Sohn liebte, den sie selbst geboren hatte. Denselben Sohn, zu dessen Rettung Vallon, ein vollkommen Fremder, um die halbe Welt gereist war und Drogo noch weiter beschämt hatte. Kein Wunder, dass ihn der Normanne töten wollte. Und wie würde sich Drogos Mordlust erst steigern, wenn er herausfand, dass sich die Frau, die er sinnlos begehrte, wenige Augenblicke vor seinem Eintreten lüstern an seinen Gegner gepresst hatte.
Die Situation war so bizarr, dass in Vallon ein irrwitziger Lachreiz aufstieg. Er musste die Lippen zusammenpressen, um nicht in lautstarkes Gejohle auszubrechen. So stand er noch da, als Hero die Nordmänner ankündigte. Sieben von ihnen stolzierten oder schlurften herein, manche die Schultern selbstbewusst zurückgenommen, andere bescheiden mit der Mütze in der Hand.
«Sagt, was ihr zu sagen habt.»
Ihr Sprecher war Wulfstan, ein Kraftprotz mit breitem Schnurrbart. «Es gibt nicht viel zu sagen. Unser Schiff ist nicht seetüchtig, und wir haben kein Silber, um die Rückfahrt nach Hause zu bezahlen. Das Einzige, was uns übrigbleibt, ist, den Waräger-Weg zu nehmen.»
Vallon nickte. «Ich komme für eure Versorgung auf, aber ich bezahle euch nicht. Wenn es anders gelaufen wäre, hättet ihr meine Leute auf dem Sklavenmarkt gegen Silber verschachert.»
Hero murmelte in Vallons Ohr: «Es wäre mir lieber, wenn Ihr Arne nicht mitnehmen würdet. Er hat Frau und Kinder. Nur seine Armut hindert ihn daran, nach Hause zurückzukehren.»
«Du hast mir erzählt, dass er sich um dich und Garrick gekümmert hat.»
«Wir schulden ihm unser Leben.»
Vallon wandte sich wieder an die Wikinger. «Ich fahre nicht mit einer Bande Heiden den Dnjepr hinunter.» Entweder kommt ihr als Christen mit oder gar nicht.»
Hero zuckte zusammen. «Herr, sie werden den wahren Glauben nicht über Nacht annehmen.»
«Schaff sie zur Taufe zu Vater Hilbert. Geben wir dem Heuchler sieben Konvertiten, mit denen er sich bei seiner Heimkehr brüsten kann.»
Die Wikinger waren schon auf dem Weg hinaus, als Vallon sagte: «Arne, dich nehme ich nicht mit. Das wäre Zeitverschwendung. Du bist zu alt, um einen Platz in der kaiserlichen Garde zu bekommen.»
Arne blieb wie angewurzelt stehen, während seine Gefährten an ihm vorbei aus dem Raum gingen. Dann machte er Anstalten, ihnen zu folgen. In seiner Miene stand Entsetzen. Hero aber drückte die Tür zu, bevor Arne sie erreicht hatte. Arne drehte den Rand seiner Mütze zwischen den Fingern. Mit wütend funkelndem Blick sah er auf. «Es spielt keine Rolle, ob ich mich bei der kaiserlichen Garde einschreiben kann. In Konstantinopel finde ich bestimmt irgendeine andere Arbeit.»
«Ich habe eine näherliegende Aufgabe für dich. Garrick bringt Rauls Familie seinen Lohn. Er reist allein. Ich hätte ein besseres Gefühl, wenn er jemanden dabeihätte. Pass auf ihn auf, und ich bezahle dich so, dass du dich bei deiner Heimkehr sehen lassen kannst.»
Arne öffnete und schloss den Mund.
«Du musst mir nicht danken. Sieh es als Belohnung für die freundliche Behandlung an, die du Hero und Garrick erwiesen hast.»
Als Hero Arne hinausführte, sah Vallon, dass niemand mehr in der Halle stand. «Waren das alle?»
«Ja, Herr. Andrei erwartet uns am Fluss.»
Vallon musterte die Ikone. «Was meinst du, Hero, ist Caitlin verrückt?»
«Das kann ich nicht sagen, Herr. Obwohl ich fünf Schwestern habe, konnte ich mir noch nie vorstellen, was im Kopf einer Frau vor sich geht.»
«Ich will, dass du ein Treffen organisierst. Nur wir drei dürfen davon wissen. Verstanden?»
Hero zögerte. «Nicht ganz, Herr.»
Als sie zum Fluss kamen, wurden sie von Andrei und seinem Führer erwartet. Oleg Ievlevich war ein kleiner, ernster Mann mit haselnussbraunen Schlitzaugen über hohen Wangenknochen. Nichts an seinem Verhalten bestätigte Waylands Misstrauen. Mit Andrei als Mittelsmann kauften sie drei Flussbote und ein Kanu. Jedes Flussboot war vierundzwanzig Fuß lang und mit Lärchenplanken von über einem halben Zoll Dicke geklinkert. Obwohl sie leicht genug waren, um getreidelt oder geschleppt werden zu können, waren sechs Männer nötig, um sie anzuheben, und ein Dutzend, um sie eine Strecke weit zu tragen. Sie hatten je acht Ruderdollen und einen Mast für eine kleines Segel. Hinter dem Mast befand sich ein einfacher Stellplatz aus zwei Pfosten und einer Schlinge, an der ein Pferd festgemacht werden konnte. Das Kanu war für Wayland bestimmt, damit er auf die Jagd gehen konnte.
All die Ausrüstung und die Verpflegung, die Entgeltauszahlungen und weitere Ausgaben schmälerten ihre Kasse erheblich. Der Verkauf der Beiboote und einiger Handelswaren glich die Kosten zum Teil wieder aus, doch als sie zum Aufbruch bereit waren, blieben ihnen nur noch dreißig Pfund Silber.
Am Morgen ihrer Abreise verließen Vallon und seine Leute noch vor dem ersten Tageslicht ihre Unterkünfte. Am Tag zuvor hatte es heftig geregnet, und in der Nacht war Frost gekommen. Vallons Gesicht prickelte in der Kälte, und auf dem Weg zum Ufer des Flusses trat er Sterne in überfrorene Eispfützen. Caitlins Gruppe und die Wikinger waren schon da, ihr Atem bildete weiße Wolken in der windstillen Luft. Als sie die Boote beluden, kamen Garrick und Arne hinzu, um sich zu verabschieden. Und als eine fliederfarbene Morgenröte über der Stadt heraufzog, stießen Andrei und Oleg zu ihnen.
Fünfzehn Männer und drei Frauen würden mit auf die Reise gehen, je sechs Personen in einem Boot. Oleg fuhr bei Vallons Gruppe mit. Die sechs Wikinger nahmen das zweite Boot, während im dritten Drogo und Fulk, Caitlin und ihre Magd Asa sowie Tostig und Olaf fuhren. Vallons Boot würde das Kanu ins Schlepptau nehmen, in das Wayland die Falkenkäfige zusammen mit zwanzig lebenden Tauben aus Andreis eigenem Taubenschlag gestellt hatte.
Die Sonne hob sich über die Stadt, als die Reisenden mit Umarmungen und guten Wünschen verabschiedet wurden und ablegten. Als sie an der ersten Flussschleife zurückblickten, sahen sie Garrick und Arne immer noch winkend am Kai stehen.
Hero legte sich in den Riemen. «Ich wette, sie wären jetzt gerne bei uns.»
Vallons Lächeln wirkte nicht sehr überzeugt. Der Winter kam, und sie hatten bis zum Schwarzen Meer noch mehr als tausend Flussmeilen und die Portage vor sich.