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Als Oleg lächelte, verschwanden seine Augen beinahe in der Lidfalte über seinen hohen Wangenknochen. «Verehrter Herr, Ihr könnt auf der Dwina bis zum Baltikum fahren, aber näher als hier kommt sie an den Dnjepr nie heran.»

Sein Auftreten war harmlos. Sein Benehmen war vorbildhaft gewesen. Waylands Instinkte waren nicht untrüglich. In zwei Tagen wären sie am Dnjepr.

Oleg hatte sich umgedreht, um eine Umladung der Fracht zu überwachen. Die Träger witzelten gutgelaunt herum. Vallon spürte Waylands Blick auf sich.

«Lass die Waren, wo sie sind.»

Oleg sah auf. «Wie?»

«Wir nehmen einen anderen Weg.»

Oleg verzog verblüfft das Gesicht. «Aber das hier ist der Weg.»

«Er gefällt mir aber nicht.»

Oleg schlüpfte in die Rolle des Mannes, der es mit einem schwierigen Kunden zu tun hat. «Ich kenne alle Portagen, und das hier ist die einfachste, das versichere ich Euch.»

«Es mag die einfachste sein. Aber ich will eine andere nehmen.»

Oleg ließ sich seinen Ärger nicht anmerken. «Es gibt einen anderen Weg, aber dafür muss man zwei Tage flussauf rudern und kommt oberhalb von Smolensk heraus. Ihr habt gesagt, dass Ihr nicht durch Smolensk fahren wollt.»

«Das werde ich auch nicht. Ich will, dass du uns weiter flussab zum Dnjepr führst.»

Oleg trat von einem Fuß auf den anderen und deutete wieder auf den Nebenfluss. «Aber das ist der Weg. Es gibt keinen anderen.»

«Finde einen.»

Oleg zog die Mütze vom Kopf und knetete sie zwischen den Händen. «Ich verstehe nicht, warum Ihr mir diese Schwierigkeiten macht.»

Die Träger und die anderen Reisenden verfolgten das Gespräch mit verständnislosen Blicken. «Hast du den Verstand verloren?», fragte Drogo.

«Halt dich raus», sagte Vallon. Er hatte sich wie ein Grobian benommen, weil er Oleg die Maske herunterreißen wollte. Doch er hatte keinen Erfolg gehabt. Der Führer hatte sich benommen, wie es jeder anständige Mann getan hätte, wenn er es mit einem Tölpel und Einfaltspinsel zu tun bekam. Nun, jetzt war es zu spät, um das Steuer herumzuwerfen.

«Wenn du uns nicht zu einem anderen Weg führst, suchen wir uns selbst einen.»

Oleg schloss die Augen. Er murmelte etwas vor sich hin und riss dann die Arme hoch. «Ja!», schrie er. «Findet Euren eigenen Weg!» Er rief etwas auf russisch, stürmte zu den Trägern hinüber und schlug ihnen auf den Rücken. Ahnungslos, was diese Kehrtwende verursacht hatte, begannen sie, ihre Sachen zu packen.

«Die Männer bleiben hier», befahl Vallon.

Oleg drehte sich zu ihm um. «Sie arbeiten nicht mehr für Euch. Es hat keinen Zweck, sie Eure Boote einen Weg entlangschleppen zu lassen, den es nicht gibt.»

«Ich bin derjenige, der sie bezahlt.»

Oleg spuckte aus. «Behaltet Euer Silber. Vasili wird sie aus seiner eigenen Börse bezahlen.»

«Doppelter Lohn für jeden, der bleibt», rief Vallon.

Nur Ivanko erwiderte seinen Blick und schüttelte den Kopf über die schlechte Wendung, die alles genommen hatte. Seine Leute konnten gar nicht schnell genug wegkommen. Sie paddelten flussaufwärts davon, und Oleg ließ seine Faust wütend auf den Rand des Einbaums niederfahren.

«Was zum Teufel war das?», wollte Drogo wissen.

«Wayland denkt, dass Oleg vorhatte, uns in einen Hinterhalt zu führen.»

«Oleg?»

«Auf Herrn Vasilis Befehl. Er will die Falken.»

«Gütiger Himmel, Vasili muss uns doch nicht ausrauben, wenn er die Falken haben will.»

«Doch, das muss er. Wir haben uns geweigert, sie zu verkaufen.»

«Sie kommen zurück», sagte Wayland.

Vallon beobachtete, wie die Einbäume zurückkehrten. Oleg stieg mit düsterer Miene ans Ufer. «Ich kann Euch nicht in diesen Wäldern zurücklassen. Herr Vasili wird mich verantwortlich machen, wenn Euch etwas zustößt.» Er schluchzte beinahe. «Behaltet die Träger und bezahlt sie für die nutzlose Arbeit.» Dann schlug er sich auf die Brust. «Aber ich werde nicht mitkommen. Was für einen Nutzen hat ein Führer, wenn sich seine Kunden nicht führen lassen wollen?» Tränen rannen über seine Wangen. «Herr Vasili empfängt Euch wie Prinzen, und Ihr spuckt ihm ins Gesicht. Ich danke Euch sehr.»

Schwankend ging er weg, und Ivanko versuchte ihn zu trösten. Seine Verzweiflung war so echt, dass Vallon ihm beinahe nachgelaufen wäre, um ihn um Verzeihung zu bitten.

«Prachtvoll», schnaubte Drogo. «Jetzt kann es wirklich nicht mehr schlechter kommen. Wenn Oleg vorhatte, uns zu betrügen, wird er, lange bevor wir den Dnjepr erreichen, in Smolensk sein.»

Drogo hatte recht. Die einzige Möglichkeit sich abzusichern, bestand darin, den Führer zu töten. Dieser Gedanke war so abstoßend, dass Vallon ihn augenblicklich verwarf. Der Falkner hatte sich geirrt, und fertig.

Kein Wort kam über die Lippen der Träger, als sie weiter die Dwina hinunterfuhren. Nach etwa zehn Meilen ruderten sie in einen anderen Nebenfluss. Vallon sah den Wasserlauf entlang, der sich durch den Wald schlängelte. Er war sicher, dass sie auf diesem Fluss an beinahe derselben Stelle herauskommen würden, die Oleg vorgesehen hatte. Nun, sie hatten ohnehin keine Wahl mehr. Er nickte Ivanko zu. Stumm wie die Tiere führten die Träger die Passage durch den Wald an.

Es war ein höllischer Kampf. Ständig war der Fluss von Biberdämmen und umgestürzten Bäumen blockiert, sodass sie die Boote auf die Ufer ziehen und um die Hindernisse herumtragen mussten. Doch auch an den Ufern lagen überall tote Bäume. An manchen Stellen hatte ein Baum bei seinem Fall andere mit umgerissen, vier oder fünf zugleich, die dann auf dem Boden lagen oder sich wie eine Gruppe betrunkener Zecher in der Schräge aneinanderstützten. Bei jeder Hürde mussten sie die Pferde ausspannen, die Boote ausladen und sie dann anheben, um sie über die Stämme zu schieben.

Bis zum Dunkelwerden plagten sie sich damit ab, und Vallon schätzte, dass sie kaum mehr als zwei Meilen geschafft hatten. An diesem Abend aßen die Träger an ihrem eigenen Lagerfeuer und lehnten den Honigwein ab, den Vallon ihnen hinüberschickte.

Im kalten Licht der Morgendämmerung rappelten sie sich auf, streckten sich stöhnend, und versuchten, die Steife aus ihren Gliedern zu schütteln. Dann machten sie weiter. Ausspannen, anheben, schieben. Anspannen, ziehen, ausspannen, anheben … Auf diese Art, so vermutete Vallon, würden sie zwei Wochen brauchen, um den Dnjepr zu erreichen.

Zur Mittagszeit wurde das Licht fahl, und ein frostiger Wind bewegte die Luft. Der gesamte Wald schien einen enormen Seufzer auszustoßen, und ganze Blätterwolken segelten von den Bäumen herab. Die Träger fürchteten sich vor dem aufziehenden Sturm. Sie zogen ihre Einbäume aufs Ufer, erflehten Gottes Erbarmen und Peruns Schutz. Der Himmel hüllte sich in Finsternis. Der Sturm brach mit einem knisternden Blitz los, der das Innere von Vallons Kopf auszuleuchten schien. Dann dröhnte der Donner, und ein gewaltiger Wind brauste durch den Wald. Dreihundert Fuß hohe Bäume krümmten sich wie Schösslinge. Von überall her drang das Brechen und Stöhnen umstürzender Stämme. Ein Blitzschlag zerschmetterte eine Kiefer in ihrer Nähe, spaltete sie von der Krone bis zur Wurzel, sodass zehn Fuß lange Splitter weiter als hundert Fuß durch die Luft rasten. Regen peitschte herab. Heiden und Christen duckten sich unterschiedslos auf den Boden und schützten den Kopf mit den Händen.

Der Sturm zog vorüber. Die Sonne brach durch. Nacheinander richteten sich die Reisenden auf und wechselten ein schwaches Grinsen. Kein Blatt hing mehr an einem Baum, an jeder Zweigspitze funkelten Wassertropfen. Niemand war verletzt worden. Vielmehr hatte der Sturm die drückende Atmosphäre gereinigt, und an diesem Abend aßen die Reisenden und die Träger im Kreis ums gemeinsame Lagerfeuer. Vallon fragte Ivanko über die Route aus und überredete ihn, von ihr abzuweichen, sodass sie den Dnjepr an einer Stelle erreichen würden, an der man nach einer üblichen Portage niemals ankam. Sie besiegelten ihre Abmachung mit einem Handschlag, bei dem etwas Silber von einer Handfläche in die andere wechselte.