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Bei Sonnenaufgang überschirmten Spinnweben ihren Weg wie Seidenbaldachine, in denen der Tau silbrig glitzerte. Die Träger ließen ihre Einbäume zurück und schleppten die umgedrehten Boote auf den Schultern über Land. Ihre Beine gaben schon fast unter ihnen nach, als sie endlich aus dem Wald kamen. Vor ihnen fiel eine Wiese sanft zu einem Fluss hin ab, der sich in einem weiten, schimmernden Halbkreis davonschwang. Auf der gegenüberliegenden Seite reichte der dichte Wald vom Ufer bis hinauf zu den Graten der Kalksteinhügel.

Ivanko streckte die Hand aus wie ein Prophet. «Dnjepr!»

Hero und Richard sprangen vor Freude herum wie Zicklein, und sogar Vallon klopfte seinen Gefährten grinsend auf den Rücken. Aber es war zu früh, um sich in Sicherheit zu wiegen. Die Flusskehren in beiden Richtungen beschränkten seine Sicht auf wenige Meilen.

Er deutete flussauf. «Wie weit ist Smolensk? Wie lange würde ein Boot brauchen, um hierherzufahren?»

Ivanko dachte nach. «Einen Tag, vielleicht zwei.»

«Und bis zu der Stelle, an die ihr uns nach Olegs Plan bringen solltet?»

«Einen halben Tag.»

Das war beunruhigend nahe. Vallon musterte die Umgebung. Eine warme Brise strich vom Fluss herauf und zauste das Gras auf der Wiese. Eine Braunbärin und ihre beiden Jungen stöberten am Ufer herum. Als Wayland in die Hände klatschte, stellte sich die Bärin auf die Hinterbeine, spähte kurzsichtig in seine Richtung und ließ sich dann wieder auf alle viere fallen, um gemächlich von dannen zu trotten, die umhertollenden Bärenkinder auf den Fersen. Am jenseitigen Ufer tauchte eine Gruppe Rehe auf. Sie starrten wie gelähmt zu den Eindringlingen hinüber, und dann verschwanden sie zwischen den Bäumen.

«Hier war seit Tagen kein Mensch», sagte Wayland.

Vallon warf einen Blick über die Schulter. «Es wird dauern, bis wir die Boote vorbereitet haben. Bleib hier und sichere uns nach hinten ab, bis du das Signal hörst.»

«Niemand folgt uns», sagte Wayland.

«Und niemand lauert uns auf. Du bist derjenige, der damit angefangen hat, bleiben wir also wachsam. Du kennst die Signale. Ein langes Hornsignal bedeutet, dass wir aufbrechen. Drei kurze Signale, und wir sind in Schwierigkeiten geraten.»

XXXIX

Einen friedlicheren Ort konnte man sich kaum denken. Hier an seinem Oberlauf war der Dnjepr weniger als zweihundert Schritt breit und bildete ein langgestrecktes Becken, aus dem hell plätschernde Wasserläufe abzweigten. An den seichten Stellen standen Elritzenschwärme im Wasser, und oft wechselten die kleinen Fische blitzartig die Richtung. Blaue und gelbe Libellen jagten über dem Wasser. Am Ende des Flussbeckens befand sich eine Furt, deren Ufer von ungewöhnlich großen Rindern aufgewühlt waren. Die Tiere hatten die Furt vor kurzem durchquert, und wenn ihre Spuren zum Maßstab genommen werden konnten, mussten die Viehhirten wohl an die zehn Fuß groß sein. Vallon füllte mit seinem gesamten Fuß nur die Hälfte der Spalthufenabdrücke aus.

Die Träger ließen die Boote ins Wasser gleiten, dann kam Ivanko auf Vallon zu und erklärte, ihre Arbeit sei getan. Richard gab ihren Lohn aus, und die Männer reckten die Hälse über die Schultern der vor ihnen Stehenden, um mitzurechnen.

Vallons Leute lagen im Gras und genossen die Wärme. Ein paar hatten sich einen Oberarm über die Augen gelegt und dösten.

Vallon klatschte in die Hände. «Die Boote müssen beladen werden.»

Hero schlug die Augen auf. «Können wir nicht zuerst etwas essen?»

«Nein. Ich will so schnell wie möglich hier weg.»

Wulfstan kam vom Ufer herauf. «An unserem Boot ist eine Planke gesprungen. Wir müssen im Wald an einen Felsen gestoßen sein. Der Sprung muss kalfatert werden.»

«Verflucht», sagte Vallon. Die Träger zündeten ein Kochfeuer an. Wenn sie irgendetwas von einem Verrat gewusst hätten, dann wären sie nach der Bezahlung so schnell wie möglich verschwunden. «Bring das Boot so schnell es geht in Ordnung. Die Übrigen können etwas essen. Ihr zwei», sagte er und meinte Tostig und Olaf. «Nehmt das Kanu und haltet am anderen Ufer Wache. Zieht nicht so lange Gesichter. Wir heben euch etwas zu essen auf.»

Hero stellte sich neben Vallon. Er grinste von einem Ohr bis zum anderen. «Wenigstens können wir jetzt den Traum erleben, bis ans Ziel unserer Reise zu kommen.»

«Wir haben noch einen langen Weg vor uns.»

Richard wachte gähnend auf. «Wenn wir auf dem Fluss sind, schlafe ich vier Tage am Stück. Weckt mich, wenn wir in Kiew sind.»

Die Wikinger machten Feuer, um Pech zu schmelzen. Über den Pechtopf hängten die Reisenden einen Kessel mit Brühe. Vallon konnte seine Unruhe nicht abschütteln, Wayland hatte ihn mit seinem Misstrauen angesteckt. Oleg musste den Dnjepr schon zwei Tage zuvor erreicht haben. Inzwischen konnte er weiter flussab einen Hinterhalt gelegt haben.

Sie aßen noch, als Wulfstan berichtete, seine Männer hätten das Boot repariert. «Aufbruch!», rief Vallon. «Das Brot schmeckt auf dem Fluss genauso gut. Wo ist der Mann mit dem Horn? Ah, da bist du ja. Ruf Wayland und Syth.»

Sie knieten hinter einer Linde, die der Wind gefällt hatte. Sechzig oder siebzig Schritt entfernt stand ein einsamer schwarzer Bulle mit einer hellen Zeichnung, die über den gesamten Rücken lief. Er war größer als ein Mensch, länger als ein Karren, und sein Schädel war mit leierförmigen Hörnern bewaffnet. Hinter ihm, am anderen Ende der Lichtung, grasten fünf Jungbullen. Eine Herde rötlichbrauner Kühe und Kälber stromerte in dem sonnenscheckigen Wald dahinter herum. Die Tiere sahen aus, als stammten sie aus einer uralten Zeit. Zitronenfalter, die über die Lichtung schwärmten, verzauberten den Anblick noch mehr. Hunderte umflatterten den alten Bullen, angezogen von der Wärme, die von seinem Fell aufstieg. Der schlachtenerprobte Patriarch sah aus wie von gelben Blüten übersät.

«Wage bloß nicht, auf ihn zu schießen», flüsterte Syth.

Wayland schüttelte lächelnd den Kopf.

Während der Bulle graste, schob sich langsam seine Rute hervor.

«Meine Güte», sagte Syth.

Wayland hüstelte in seine Faust.

«Wayland.»

«Schsch. Du erschreckst sie.»

Syth warf einen Blick auf den Auerochsen, dann spitzte sie ihre Lippen und blies Wayland sanft ins Ohr.

Seine Kiefer arbeiteten.

«Way-land.»

«Was?»

Sie rollte sich auf den Rücken und breitete mit geschlossenen Augen die Arme aus.

Er schaute auf sie herunter, dann zog ein Grinsen über sein Gesicht, und er legte sich neben sie. Seine Hand fuhr unter ihr Gewand.

«Wayland, das sind keine Hundewelpen.»

«Sie fühlen sich einfach wundervoll an.»

Sie legte ihm die Hand um den Nacken. «Ich wünschte, wir hätten in Nowgorod zusammen sein können, als wir schöne Kleider und saubere Betten hatten.»

Wayland liebkoste ihr Ohr. «Adam und Eva hatten auch keine Kleider oder ein Bett.»

«Ich wette, Eva hätte gern welche gehabt.»

«Was? Sie soll sich nach edlen Gewändern gesehnt haben, nur um sich von Adam ausziehen zu lassen?»

«Du kannst reden! Du lebst gern im Wald. Aber ein Liebesnest mit Krabbelgetier zu teilen ist nicht gerade meine Vorstellung von der Seligkeit.»

Wayland beugte sich über sie. «Du wirst schöne Kleider haben, das verspreche ich dir. Und wir leben in einem prachtvollen Haus, du wirst schon sehen.»

Sie lächelte. Ihre Haut schimmerte unter der Dreckschicht, und in ihren Augen spiegelte sich der Himmel.

«Raul hat gesagt, du wärst eine Nixe. Er sagte, du könntest dich in Wasser verwandeln.»

Sie tastete nach seinem Gürtel. «Ich kann noch viel mehr als das. Ich kann dich in Wasser verwandeln.»

Als das Horn geblasen wurde, waren sie so ineinander versunken, dass sie es nicht hörten. Doch Wayland musste eine Vibration gespürt haben, denn er löste seine Lippen von ihren und stemmte sich auf die Unterarme.