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Der trübgelbe Strom trug sie durch die Steppe. Merkwürdige Felsmonumente, in denen einst Einsiedler gewohnt hatten, erhoben sich am westlichen Ufer. Am flachen Ostufer säumte dichtes Schilfrohr weites, verlassenes Grasland und Sanddünen. Rus besaß keine klar definierte Südgrenze, sagten die Lotsen. Sie verschob sich abhängig von den Routen der Reiternomaden.

Wayland hatte zwei Dutzend Tauben und Hühner als Futter für die Falken gekauft. Er musste diesen Vorrat früher anbrechen, als er gehofft hatte, denn die meisten Wildvögel waren in den Süden gezogen. Inzwischen konnte er sich glücklich schätzen, wenn er täglich einen Vogel schoss.

Als er eines Morgens mit leeren Händen zurückkehrte, ging er auf die Falkenkäfige zu, die am Ufer standen. Mit einem Mal blieb er wie angewurzelt stehen.

Das hatte Vallon mitbekommen. «Was ist?»

Wayland stürzte das letzte Stück auf die Käfige zu. Bei zweien stand die Türklappe einen Spaltbreit offen. Er öffnete das Türchen ganz. Leer. Er überprüfte den anderen Käfig. Leer. Fassungslos kniete er sich vor die Käfige. «Sie sind weg.» Er drehte sich um. «Zwei von den Falken sind verschwunden.»

Die anderen hasteten zu ihm. «Bist du sicher, dass du die Käfige richtig zugemacht hast?», fragte Vallon.

Wayland starrte ihn nur an, und Syth antwortete. «Natürlich sind wir sicher. Wir sehen sogar jeden Abend noch einmal nach.»

«Und heute morgen? Hast du da auch nachgesehen?»

«Es war noch dunkel, als wir auf die Jagd gegangen sind.»

Wayland stand auf. «Jemand hat sie über Nacht freigelassen.» Sein Blick fiel auf Drogo und Fulk, und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. «Du warst es!» Er rannte auf die beiden zu. «Du hast sie freigelassen!»

Drogo zog sein Schwert. «Schieb mir nicht die Schuld an deiner Schludrigkeit in die Schuhe.»

Schwert oder nicht Schwert, Wayland hätte sich auf Drogo gestürzt, wenn Vallon ihn nicht festgehalten hätte. «Wir stellen später fest, wer die Schuld trägt. Welche Falken haben wir verloren?»

Keuchend und verzweifelt un sich blickend sagte Wayland: «Den Gerfalken und einen der Nestlinge – den Schreier.» Er lachte bitter auf. «Drogo wusste, wie viel mir der Gerfalke bedeutet, und er hat sich ständig über das Spektakel beschwert, das der Nestling macht.»

«Können wir irgendetwas tun?»

Wayland starrte über den Fluss und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. In dem Röhricht auf der anderen Uferseite gab es Wildvögel. Wenn die Falken hungrig wurden, wäre das die nächstliegende Jagdgelegenheit für sie. Aber die Chancen, sie in diesem Gewirr aus Marschland und Buchten zu finden, gingen gegen null. Er drehte sich zu der verlassenen Steppe um. Ein steter Südwestwind trug Staub mit sich und ließ die Horizontlinie verschwimmen. Wayland rang um Gelassenheit.

«Gezähmte Falken kehren oft zu der Stelle zurück, an der sie freigelassen wurden. Ich bleibe mit einem Lebendköder in der Nähe. Schickt jeden, den Ihr entbehren könnt, in die Steppe. Wenn sie einen Falken sehen, müssen sie so schnell wie möglich zurückreiten.»

«Wir nehmen alle Pferde, und ein paar Leute gehen zu Fuß los, um an den Flussufern zu suchen.»

«Wenn wir ihn bis heute Mittag nicht gefunden haben, bedeutet das, dass er die Gegend verlassen hat.» Wayland sprach nur von dem Gerfalken. Der Nestling hatte die Freiheit nie kennengelernt und war ohnehin zu schwach, um in der freien Natur zu überleben. Er hatte sich entweder meilenweit vom Wind forttragen lassen oder war irgendwo im Grasland niedergegangen, als leichte Beute für Wölfe und Schakale.

Wayland und Syth ritten mit einem Käfig, in den sie zwei lebendige Tauben gesetzt hatten, in die Steppe. Etwa eine Meile vom Fluss entfernt hielten sie an und beobachteten die sieben Reiter, die sich in fächerförmiger Ordnung immer weiter entfernten. Bald waren sie allein, die Reiter im unendlichen Grasmeer verschwunden. Jedes Mal, wenn Wayland an den Gerfalken dachte, spürte er seinen Verlust wie einen Schlag in die Magengrube.

Die Wartezeit, bis der erste Wikinger wiederkam, zog sich elend lange hin. «Kein einziges Lebewesen gesehen», vermeldete er.

Die anderen kehrten mit ebenso entmutigenden Nachrichten zurück.

Als Letzter kam Vallon. «Ich habe mir einen Augenblick lang Hoffnungen gemacht, als ein großer Vogel über mir vorbeigezogen ist. Aber er war zu dunkel, um einer von deinen Falken gewesen zu sein. Ich glaube, es war ein Adler.»

Wayland straffte die Zügel. «Ich suche ihn.»

«Inzwischen könnte er hundert Meilen weit geflogen sein. Wir wissen nicht einmal, auf welcher Seite des Flusses er ist. Und wenn du ihn durch irgendein Wunder findest, kannst du ihn nicht einmal zu dir locken. Er ist nicht auf das Federspiel dressiert.»

«Ich habe ihn wild gefangen, oder etwa nicht? Wenn ich ihn finde, dann locke ich ihn auch an.»

Vallon richtete den Blick in die Ferne. «Die Steppe ist grenzenlos, der Horizont scheint immerzu vor einem zurückzuweichen. Achte darauf, dass du dich nicht zu weit vom Fluss entfernst. Außerdem sind hier vor kurzem Nomaden vorbeigeritten. Ich habe die Spuren ihrer Schafe gesehen und bin an einem ihrer Lager vorbeigekommen. Sei unbedingt beim Dunkelwerden zurück. Wir haben immer noch genügend Falken, um die Forderung des Emirs zu erfüllen.»

«Das wäre nicht passiert, wenn Ihr Drogo in Nowgorod zurückgelassen hättet.»

«Spar dir die Anschuldigungen, bis du wieder zurück bist.»

«Ich komme mit», sagte Syth.

Fast hätte er ihre Begleitung abgelehnt. Einen verschwundenen Falken zu suchen war eine lange, anstrengende und nervenzehrende Aufgabe.

«Nimm sie mit», sagte Vallon. «Und nimm auch ein Schwert mit. Es ist eine ziemlich gottverlassene Gegend da draußen.»

Sie ritten quer zum Wind los.

Syth galoppierte neben Wayland. «Woher weißt du, wo du suchen musst?»

Wayland hatte nur eine einzige schwache Hoffnung. In England hatte er oft nach verschwundenen Falken gesucht und etwas entdeckt, das der Lehre, mit der Olbecs Falkner hausieren ging, völlig widersprach. Dieser Mann, alt und phantasielos, bestand darauf, dass verlorene Falken immer mit dem Wind flogen. Das mochte für junge, schwache Vögel gelten, aber Wayland hatte nur mit selbstbewussten, kräftigen Falken gearbeitet, und wenn sie ihm entflogen, hatte er sie gewöhnlich in Gegenwindrichtung zu der Stelle gefunden, an der sie verschwunden waren. Und das war auch sehr gut nachvollziehbar. Ein gesunder Falke, der jagen will, fliegt gegen den Wind, um Höhe zu gewinnen. Wenn er in ausreichende Höhe aufgestiegen ist, kreist er normalerweise quer zum Wind und hält sich mit minimaler Anstrengung in der Luft.

Während des Rittes hielt Wayland nach Anzeichen für die Nähe eines Falken Ausschau. Zu Hause in England verrieten aufragende Felsen häufig, wo sich das Tier niedergelassen hatte, und manchmal zeigten lärmende Krähen oder Elstern in einem Baum an, auf dem ein Falke seine Beute fraß. Auf der flachen Steppe jedoch war kein solcher Hinweis zu sehen, nur die endlosen Weiten des Graslands, über das der Wind hinwegstrich, und gelegentlich ein Busch oder Krüppelbaum. Einmal scheuchten sie einen Hasen auf, und einmal überraschten sie eine Gazellenherde, die sofort flüchtete wie ein Wolkenschatten. Vögel sah Wayland nur wenige, und sie waren nichts Besonderes. Das langgezogene V eines späten Zugs von Kranichen nach Süden. Ein Rabe, der sie mit seinem Krächzen narren wollte.

Wayland suchte mit seinen Blicken Hunderte Quadratmeilen Himmel ab. Der Wind täuschte ihn, gaukelte ihm vor, das Glöckchen des Falken gehört zu haben. Sie ritten auf jede kleine Anhöhe, und dort schwang Wayland das Federspiel an der Leine herum und rief nach dem Tier, bis er heiser wurde. Irgendwann setzte die Dämmerung ein, und Waylands schwache Hoffnung, den Falken zu finden, verwandelte sich in die unerträgliche Gewissheit, dass er ihn niemals wiedersehen würde.