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Syth ritt blass vor Erschöpfung neben ihn. «Es wird dunkel. Wir kehren besser um.»

Wayland sah über die Schulter zurück und erkannte, dass er die Orientierung verloren hatte. «Wir schaffen es ohnehin nicht mehr bis zum Fluss, bevor es dunkel ist. Wir suchen weiter, solange es noch hell genug ist, um etwas zu erkennen.»

Sie sahen kaum noch den Boden vor sich, als Wayland in einer Senke anhielt, die etwas Schutz vor dem Wind bot. Er ließ Syth zurück, um Gehölz für ein Lagerfeuer zu suchen, stieg einen sanften Abhang hinauf und erreichte den Hügelkamm. Weit weg, aber nicht weit genug, hatte ein anderer Wanderer in dieser Wildnis ein Feuer entzündet. Seine Flammen waren das einzige Licht im gesamten Universum. Wayland konnte es nicht wagen, ihre Anwesenheit durch ein eigenes Feuer zu verraten. Er legte den Armvoll Äste ab, den er gesammelt hatte, und ging zurück zu Syth.

«Es war kein Feuerholz zu finden.»

Sie aßen trockenes Gebäck und kaltes Fleisch, dann zog Wayland eine Decke über sie und nahm Syth in die Arme, um sie zu wärmen. Sie zitterte.

«Er ist weg, oder?»

«Ja. Ein für alle Mal.»

«Was machen wir jetzt?»

Wayland bebte vor Zorn. «Ich bringe Drogo um.»

Syth hielt ihn ganz fest. «Überlass diese Sache Vallon.» Sie zögerte. «Ich meinte, was passiert mit uns, wenn wir keine vier Falken abliefern?»

Diese Überlegung hatte sich Wayland nie gestattet. «Ich weiß nicht.»

Syth begann zu weinen. «Das ist nicht gerecht. Nach all der Anstrengung, nach allem, was wir durchgemacht haben … das ist nicht gerecht.»

Wayland drückte sie an sich. «Schsch.» Er küsste sie auf die Stirn. «Wir haben immer noch uns.»

Lange nachdem Syth eingeschlafen war, lag Wayland noch wach und quälte sich mit Gedanken an den verlorenen Falken, fragte sich, wo er wohl war, ob er etwas zu fressen gefunden hatte. Dann stellte er sich vor, wie der Falke in die Arktis zurückflog, über den Wolken nach Norden, von den Sternen geleitet.

Über Nacht legte sich der Wind, die Wolken verzogen sich, und in der kalten Dunkelheit blinkten die Sterne. Als Wayland aufstand, war es noch nicht hell. Er stieg auf den Hügelkamm. Im Westen brannte immer noch das Lagerfeuer. Da kehrte er zu Syth zurück und rüttelte sie sanft an der Schulter. «Wach auf. Wir müssen weg.»

Sie richtete sich in seinen Armen auf, schlaff und biegsam wie ein Kind. «Warum hast du es auf einmal so eilig?»

«Wir sind mindestens zwanzig Meilen vom Fluss entfernt. Wenn wir jetzt nicht aufbrechen, kommen wir erst am Nachmittag hin.»

Wayland orientierte sich an den Sternen. Der vor ihm liegende, langsam grau werdende Himmel zeigte an, dass sie etwa in der richtigen Richtung unterwegs waren. Dann färbte sich der Horizont blutrot, und die Sonne hob sich über die frostige Steppe, an jedem Grashalm blitzten Eiskristalle, die bei der geringsten Berührung schmolzen. Immerzu suchte Wayland mit seinen Blicken den Himmel ab, und ebenso oft sah er kurz über die Schulter.

Die Sonne war schon recht hoch gestiegen, der Fluss noch nicht in Sicht, als mit einem schrillen Schrei ein Wildvogel vor den Hufen seines Pferdes aufflog. Wayland musste darum kämpfen, das Pferd unter Kontrolle zu behalten. Der Vogel flatterte panisch empor und gab damit Hunderten anderer Vögel das Signal, es ihm gleichzutun. Sie waren größer als Birkhühner, mit längeren Schwingen, die sie pfeilschnell und mit lautem Rauschen durch die Luft trugen. Wayland sah den Schwarm davonfliegen und hob in vager Hoffnung den Blick. Wenn der Falke irgendwo in den Höhen kreiste, würde er die Vögel noch aus meilenweiter Entfernung sehen und vielleicht näher kommen. Wayland verfolgte den Flug der Wildvögel und sah, wie sie sich jenseits eines Hügelkamms wieder niederließen.

Syth ritt an seine Seite. «Was waren das für Vögel?»

«Eine Trappenart.»

Er wartete. Der Himmel blieb leer. Er schüttelte den Kopf und ritt weiter.

Sie hatten den Hügelkamm beinahe erreicht, als Wayland am Himmel einen Lichtpunkt sah, der sofort wieder verschwand. Konzentriert blickte er weiter nach oben und hatte schon beinahe aufgegeben, als sich der Lichtpunkt erneut zeigte. Ein winziges Aufflackern, etwas heller als die unendliche Bläue.

«Was siehst du da?»

Wayland stieg ab und deutete nach oben. «Da ist ein Vogel, meilenweit entfernt und sehr hoch. Er zieht Kreise, und man sieht ihn nur an einem bestimmten Punkt in seinem …» Er unterbrach sich, gebannt von dem hellen Reflex.

«Kannst du ihn auch sehen? Er fliegt auf uns zu.»

Syth starrte in den Himmel. «Glaubst, dass er es ist?»

«Es ist ein Greifvogel, aber die Chancen, dass es der Falke ist, stehen …»

Immer noch kreiste der Vogel, jede Kehre brachte ihn näher zu ihnen. Er flog vor die Sonne, Wayland blinzelte, verlor ihn aus dem Blick und konnte ihn nicht mehr entdecken.

«Er ist weg.» Enttäuscht schlug er sich auf den Oberschenkel.

Syth hob die Hand. «Dort!»

Der Vogel schwebte in schnellem Gleitflug auf sie zu. Wayland erkannte den ankerförmigen Umriss, das silbrige Gefieder. «Er ist es! Hol die Tauben. Schnell!»

Hastig band Syth den Korb los. Wayland ließ den Falken nicht aus den Augen. Er kam in großer Höhe in ihre Richtung, und Wayland stieß einen Ruf aus und fing an, das Federspiel kreisen zu lassen. Der Falke konnte es nicht einordnen und wurde weder langsamer, noch änderte er seinen Flugweg. Er glitt über sie hinweg und war schon beinahe außer Sicht, als er doch wieder eine Wende flog.

Wayland warf Syth einen ungeduldigen Blick zu. «Was machst du denn so lange?»

«Hier», sagte sie keuchend und gab ihm eine der Tauben. Wayland griff danach, ohne den Blick von dem Falken abzuwenden, der etwa eine halbe Meile westlich und ungefähr zweitausend Fuß hoch durch die Luft schwebte.

«Glaubst du, er weiß, dass wir es sind?», fragte Syth.

Wayland lachte vor Anspannung. «O ja. Das weiß er.» Mit zitternden Fingern tastete er in seiner Falknertasche herum und nahm eine leichte Schnur mit zwei Schlaufen an einem Ende heraus. «Binde das der anderen Taube ans Bein.»

«Was hast du vor?»

«Ich werfe eine Taube hoch, wenn er noch zu weit weg ist, um sie zu fangen. Damit erregen wir seine Aufmerksamkeit, und er kommt her. Und dann werfe ich die angebundene Taube hoch.»

Der Falke hielt sich nun etwa an derselben Stelle, kreiste träge, ließ sich manchmal bewegungslos von einer Brise tragen, die am Boden nicht zu spüren war. Wayland rief nach ihm, hielt die Taube hoch und ließ sie mit den Flügeln schlagen. Der Falke flog näher heran.

Wayland konnte schwer abschätzen, wie weit entfernt der Vogel noch war. Er senkte den Blick, um etwas zu finden, das er als Maßstab nehmen konnte, und atmete tief ein, bevor er wieder zum Himmel hinaufsah.

Der richtige Moment war entscheidend. Wenn er die Taube zu früh losließ, würde der Falke nicht darauf reagieren, weil er wusste, dass er sie nicht erreichen konnte. Und wenn er die Taube zu spät losließ, würde der Falke sie möglicherweise schnappen und mit seiner Beute unwiderruflich verschwinden.

Der Falke kam noch näher, hielt sich aber in derselben Höhe. Er war noch etwa eine Viertelmeile entfernt, als Wayland die Taube hochwarf. Sie flog mit kräftigem Flügelschlag geradeaus, und Wayland sah den Falken rasend schnell niederstoßen. Schon glaubte er, zu lange gewartet zu haben. Flügelrauschend zog der Falke über sie hinweg, und Wayland musste seine Augen vor dem blendenden Sonnenlicht beschirmen, um ihn im Blick behalten zu können. Eine halbe Meile entfernt schwenkte der Falke ab, stieg mit einer Kehre in den Himmel auf, und schwebte dann reglos an einer Stelle wie ein Stern, der tagsüber leuchtet.

Wayland streckte die Hand aus. «Schnell! Gib mir die andere Taube!»

«Ich versuche es ja. Ich kriege die Schlingen nicht …» Mit einem Schrei brach Syth ab. Wayland hörte ein Flattern, und als er entsetzt herumwirbelte, sah er die Taube hochfliegen. Sie war nicht angebunden. Mit einem Blick nach oben stellte er fest, dass der Falke den Köder nicht einmal bemerkt hatte.