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Erschrocken sah ihn Syth an. «Sei nicht böse. Meine Hände waren kalt, und die Taube hat sich gewehrt und … Oh, Wayland, es tut mir so leid!»

Wayland war zu fassungslos, um sich zu ärgern. Verstört sah er, dass der Falke zurückflog und über ihnen schwebte, weil er nur darauf wartete, bedient zu werden. Die perfekte Position. Waylands Blick zuckte Richtung Osten.

«Wir können es immer noch schaffen!», rief er und rannte zu seinem Pferd.

«Wie?», schrie Syth.

Er sprang in den Sattel. «Die Trappen. Los, komm mit.»

Sie galoppierten zu dem Hügelkamm, über den die Trappen geflogen waren. Die Tücke dieser Wildnis aus endlosen, weiten Ebenen bestand darin, dass es keine Landmarken gab, an denen man sich orientieren konnte. Wenn man auch nur eine kurze Strecke in irgendeine Richtung zurücklegte, stellte man beim Umdrehen fest, dass die Stelle, die man sich ganz genau hatte merken wollen, unauffindbar mit der Landschaft verschmolzen war.

Wayland versuchte, beim Reiten den Falken nicht ganz aus dem Blick zu verlieren. Er schien ihm zu folgen, aber so etwas wusste man nie genau. Als sie den Hügelkamm erreicht hatten, sprang er vom Pferd und gab Syth die Zügel. «Pass auf den Falken auf. Lass ihn nicht aus den Augen. Gib Bescheid, wenn er weiter wegfliegt.»

Er musterte das Gelände, und sein Mut sank. Flache Steppe mit kniehohem Gras, so weit das Auge reichte. Beim ersten Mal war er schon mitten in dem Trappenschwarm gewesen, als die Vögel aufflogen, und wenn sein Pferd nicht beinahe auf eines der Tiere getreten wäre, dann hätte er zwischen den am Boden sitzenden Vögeln hindurchreiten können, ohne überhaupt zu bemerken, dass sie da waren.

Er watete durch das Gras. Als er die Trappen zuletzt gesehen hatte, waren sie anscheinend dabei gewesen, sich wieder niederzulassen, aber Wildvögel landeten gewöhnlich weiter weg, als man erwartete, und dann liefen sie noch ein Stück auf dem Boden, um Fressfeinde irrezuführen, die sie beobachteten. Wayland sah zum Himmel auf. Der Falke kreiste im Suchflug über ihm. Sein bedrohlicher Umriss würde die Trappen dazu bringen, wie festgeschmiedet im Gras sitzen zu bleiben. Wayland streifte weiter herum, spähte in alle Richtungen. Wenn er nur den Hund dabeihätte.

Dann begann er herumzurennen, weil er hoffte, die Trappen so aufscheuchen zu können. Zuerst lief er methodisch im Geviert, doch je länger nichts passierte, desto zufälliger und verzweifelter wurde seine Laufstrecke. Dann hörte er Syth rufen, und er sah, dass der Falke Höhe gewonnen hatte und außer Sicht zu gleiten drohte. Schluchzend vor Enttäuschung fiel Wayland auf die Knie und musterte das Gras in Augenhöhe, und der Falke über ihm war kaum noch auszumachen.

Da sah Wayland eine kurze Bewegung. Links von ihm. Er ließ seinen Blick zu der Stelle wandern. Da war es wieder – eine Trappe hob den Kopf. Er musste mitten in dem Schwarm sitzen.

Er schaute zum Himmel auf. Der Falke war nicht mehr zu sehen. Sosehr er es auch versuchte, er konnte ihn nicht mehr erkennen. Er stand auf, drehte sich zu Syth um, breitete die Arme aus und deutete dann zum Himmel hinauf. Auch sie breitete die Arme aus, um zu signalisieren, dass der Falke verschwunden war.

Enttäuscht vergrub Wayland das Gesicht in den Händen und taumelte einen Schritt nach rechts. Er trat beinahe auf eine unsichtbar im Gras kauernde Trappe. Der Vogel flog auf, und wieder erhob sich der große Schwarm mit lärmendem Flügelklatschen. Wayland sah ihn in der Ferne kleiner werden und stöhnte.

Doch da ließ ein winziges Geräusch seinen Nacken prickeln. Der Ton wurde lauter, ein langgezogenes, flehendes Seufzen, das sich in ein durchdringendes Rissgeräusch von solcher Schärfe verwandelte, dass man glauben konnte, das Himmelszelt würde zerrissen. Waylands Blick zuckte gerade noch rechtzeitig nach oben, um den weißen Falken mit einer Geschwindigkeit, die jede Entfernung auslöschte, wie einen Eiskometen niederstoßen zu sehen. Direkt über ihm breitete der Vogel die Schwingen wieder aus und stabilisierte sich in der Luft, um seinen Angriff genau auszurichten. Im einen Augenblick waren die Trappen eine Viertelmeile vor dem Falken, im nächsten jagte er schon mitten durch den Schwarm hindurch, sodass die Nachzügler panisch nach rechts und links flüchteten. Der Falke beachtete sie nicht. Er hatte seine Beute schon in dem Moment ausgewählt, in dem sie aufgeflogen war, und nichts konnte ihn davon ablenken.

Wayland war zu weit weg, um den Aufprall zu hören, mit dem der Falke auf sein Ziel traf. Die Trappe stürzte, einen Schwanz aus Innereien hinter sich herziehend, zur Erde. Der Falke schoss noch mehr als hundert Fuß weiter, bevor er wendete und niederfegte, um seine Beute endgültig zu töten.

Wayland gab Syth mit einer Geste zu verstehen, dass sie zurückbleiben sollte. Auch jetzt standen seine Chancen, den Falken wieder einzufangen, noch sehr schlecht. Wayland schätzte, dass der Beutevogel kaum mehr als zwei Pfund wog – leicht genug für den Falken, um problemlos mit ihm wegzufliegen.

Wayland rannte, bis er annahm, einigermaßen dicht an der Stelle zu sein, an der die Trappe getötet worden war. Dann schlich er behutsam weiter und formte dabei mit den Lippen unhörbare, alberne Selbstbeschwichtigungen. In dem hohen Gras sah er den Falken nicht, bis er nur noch fünfzehn Schritt von ihm entfernt war. Der Vogel rupfte seine Beute, nun aber sah er starr auf und ließ Wayland versteinern.

Eine falsche Bewegung, und der Falke wäre weg, und wenn er ihn einmal erschreckt hätte, wäre es nahezu unmöglich, erneut an ihn heranzukommen. Unendlich langsam ließ sich Wayland in die Hocke sinken und wartete ab, wobei er vorgab, seinen Blick überall hinwandern zu lassen, nur nicht zu dem Falken. Je länger das Tier auf seiner Beute sitzen blieb, desto günstiger standen Waylands Chancen. Er wartete, bis überall um den Falken die Federn seiner Beute im Gras hingen, dann legte er sich auf die Seite und schob sich unmerklich weiter vor. Der Falke rupfte der Trappe weiter die Federn aus und warf Wayland gelegentlich einen finsteren Blick zu. Wayland glaubte schon fast an das Unmögliche, als der Falke mit dem Rupfen aufhörte und etwas hinter ihm fixierte. Er drehte den Kopf und konnte es nicht glauben. Syth führte die Pferde auf ihn zu. «Zurück!», formte er unhörbar mit den Lippen. Sie sank in die Hocke und formte selbst eine lautlose Warnung, wobei sie mit einer Hand auf den Hügelkamm zeigte. Wayland gefror das Blut in den Adern. Das konnte nur eins bedeuten. Syth hatte Nomaden entdeckt, und das hieß, dass sie selbst ebenfalls gesehen worden war.

Nun war keine Zeit mehr für Vorsicht. Der Falke war mit dem Rupfen fertig und begann, mit dem Schnabel die Brust der Trappe aufzubrechen. So ruhig und gleichmäßig, wie er es nur vermochte, schob sich Wayland weiter auf ihn zu. Er war nur noch eine Armeslänge entfernt, als der Falke einen Warnruf ausstieß und sich zurücklehnte. Wayland griff nach der Trappe. Der Falke kämpfte, um mit ihr wegzufliegen, verlor sie aus den Fängen und zog sich ein paar Schritte zurück. Wayland wackelte mit der Beute. «Komm schon», flehte er.

Der Falke beäugte ihn misstrauisch. Syth schrie auf, schwenkte voller Angst die Arme.

Mit rasendem Herzen kroch Wayland vorwärts, hielt die Trappe dichter vor den Falken. Er reagierte nicht. Syth rief voller Verzweiflung erneut nach Wayland. Letzte Chance. Wayland schob die Trappe noch weiter vor. Den Blick auf Waylands Gesicht geheftet, schoss der Falke mit einer Kralle vor und packte die Beute. Dabei kam eines der Geschühriemchen in Reichweite. Wayland schloss die Finger um den Riemen, nahm ihn fest in die Hand, und stand mitsamt dem Falken und seiner Beute vom Boden auf.

Schreiend und flügelschlagend hing der Falke an seiner Faust. Syth hatte gesehen, dass er Erfolg gehabt hatte, und galoppierte auf ihn zu.

«Gib mir seinen Käfig!»

Sie drückte ihm den Käfig in die Hand, und er schob den Falken in sein Weidengefängnis. Dann schwang er sich auf sein Pferd.