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Mit verschwommenem Blick lächelte er Vallon an.

«Zeit, dass du nüchtern wirst. Wir gehen heute Nacht. Reiß die Augen nicht so auf, sonst fallen sie dir noch aus dem Kopf. Geh in unsere Kammer und pack alles zusammen. Wenn du damit fertig bist, wartest du bei dem Falkner auf mich.»

«Aber das geht nicht. Ich sehe mir morgen mit Richard den römischen Wall an.»

Vallon beugte sich vor. «Ich sage es ganz deutlich. Tu, was ich sage, oder bleib hier und richte dich auf ein kaltes Grab ein.»

Sobald Hero hinaus in die kühle, feuchte Luft kam, wurde ihm schwindlig. Er stützte sich mit den Händen auf den Knien ab und übergab sich. Als er damit fertig war, vernahm er ein Lachen. Drogo stand mit gespreizten Beinen und nacktem, schweißglänzendem Oberkörper am Eingang zur Halle. In der einen Hand hielt er einen Becher, mit der anderen ließ er sein Schwert pendeln.

«Ab ins Heiabettchen, du griechischer Lustknabe. Bald kommt dein Herr und deckt dich zu.»

Dann schwankte er wieder hinein und zog die Tür hinter sich zu. Hero stand im Dunkeln. Es herrschte pechschwarze Nacht. Zudem war vom Fluss dichter Nebel heraufgezogen, der alles einhüllte. Er bemühte sich, den Weg zu finden. Das Gästehaus stand an der Palisade links vom Palas. Hero drehte sich nach links und ging wie ein Geist mit ausgestreckten Händen durch den Dunst.

Bis er das Gästequartier erreicht hatte, war er beinahe wieder nüchtern. Hastig schlug er alle ihre Habseligkeiten in ein Tuch ein und machte sich erneut wie ein Blinder auf den Weg zu Waylands Schuppen. Schließlich stieß er gegen die Außenwand des Gebäudes und tastete sich weiter bis zur Tür.

«Wayland, bist du da? Hier ist Hero. Meister Vallon schickt mich.»

Keine Antwort. Als er die Tür aufzog, sah er zwei schwankende Lichter. Er zuckte zurück. Es war das falsche Gebäude. Dies war die Kapelle, und ein Mann betete vor dem Altar. Einen Moment später wurde ihm klar, dass der kniende Mann Vallon war.

Er wartete still, während sein Herr betete. Er hatte den Eindruck, dass Vallon eine Beichte ablegte. Er schnappte die Wörter «Buße» und «Blut der Unschuldigen» auf, und dann hörte er deutlich: «Ich bin eine verlorene Seele. Was spielt es da für eine Rolle, wohin mich meine Reise führt oder ob ich ihr Ziel erreiche?»

Diese trostlose Äußerung jagte Hero einen Schauer über den Rücken. Und er musste sich bewegt haben, denn Vallon hörte auf zu beten. «Wer ist da?»

«Nur ich, Herr.»

Vallon stand auf und kam auf ihn zu. «Wie lange lauschst du schon? Was hast du gehört?»

«Nichts, Herr. Ich habe mich im Dunkeln verlaufen. Ich habe das Gepäck. Wohin gehen wir?»

«Fort von hier. Vor einem Feldzug zünde ich immer eine Kerze an.» Vallon deutete auf den Altar. «Und für dich habe ich auch eine angezündet.»

Feldzug? Was für ein Feldzug?

Vallon führte ihn zu Waylands Schuppen. Beim Eintreten schlugen ihnen die scharfen Ausdünstungen von Tieren entgegen. Eine Lampe erhellte Richards ängstliches Gesicht. Eine weitere Gestalt löste sich aus den Schatten. Der Mann trug einen schimmernden Ring im Ohrläppchen und hatte eine einzelne, auffällige Schläfenlocke.

«Was hat dieser Säufer hier verloren?», fragte Vallon.

Raul war sturzbetrunken. Er schwankte vorwärts. «Zu Euren Diensten, Hauptmann. Ihr hättet mich als einsatzbereiten Soldaten angetroffen, wenn mir Wayland früher gesagt hätte, dass Ihr heute fliehen wollt.»

Vallon ging auf Wayland zu. «Wer weiß sonst noch davon?»

Wayland schüttelte nur kurz den Kopf.

Vallon packte Raul an den Schultern. «Erklär mir, warum ich dich mitnehmen soll. Los, red schon.»

Raul tastete nach seiner Armbrust und drehte sich dabei um sich selbst, wie ein Hund auf der Jagd nach seinem Schwanz. «Hauptmann, ich kann einem Mann auf hundert Schritt einen Bolzen durchs Auge schießen. Ich habe im Baltikum schon in drei unterschiedlichen Heeren gekämpft, und ich weiß, wie man mit den betrügerischen norwegischen Händlern umgehen muss.» Er kniff die Augen zusammen und hob den Zeigefinger, während sich sein Gesicht bei einem Krampf seiner Eingeweide verzerrte. «Und ich bin stark wie ein Bär.» Er wedelte mit der Hand zu Hero und Richard hin. «Was glaubt Ihr, wie weit Ihr mit diesen beiden Weichlingen kommt, die am liebsten noch an der Brust ihrer Mutter hängen würden?» Blinzelnd klopfte er Hero auf den Arm. «Bei allem Respekt.»

Vallon schob Raul mit angewiderter Miene zur Seite und sagte zu Wayland: «Da draußen ist es dunkler als im Hades. Bist du sicher, dass du uns zum Römerturm führen kannst?»

Wayland nickte und hob ein aufgewickeltes Seil in die Höhe, das in Abständen geknotet war. Dann legte er seinem Hund ein stachelbewehrtes Halsband an. Da begann die Glocke das Ende dieses vergnügungsreichen Tages einzuläuten. «Das ist das Signal», sagte Vallon. «Wir haben keine Zeit zu verlieren. Jetzt bietet uns der Nebel noch einen Vorteil, aber er wird unsere Flucht auch verlangsamen, und nach Sonnenaufgang löst er sich auf. Wir müssen so schnell wie möglich vorankommen.»

Wayland nahm zwei mit Tüchern verhüllte Käfige auf und hängte sie sich über die Schulter. Dann ging er, das Seil hinter sich entrollend, hinaus. Die Flüchtlinge nahmen das Seil auf, jeder hielt sich an einem Knoten fest, und so machten sie sich auf den Weg in die feuchte Nacht.

Einige Unentwegte feierten immer noch im Palas, doch die übrige Welt hatte sich zur Ruhe begeben. Wie Diebe und Sünder schlichen sie vorwärts. Sie waren noch nicht weit gegangen, als Hero an den Mann vor sich stieß und von dem Mann hinter sich in die Hacken getreten wurde. Von oben kamen gedämpfte Stimmen. Sie mussten unter dem Torhaus sein.

«Ist es offen?», hörte er Vallon flüstern.

Die Antwort hörte er nicht, doch gleich darauf spannte sich das Seil in seinen Händen, und er bewegte sich wieder vorwärts. Er wusste erst, dass sie durch das Tor waren, als er das Geräusch vernahm, mit dem jemand hinter ihnen den Riegel vorlegte.

«Zusammenbleiben», flüsterte Vallon. «Wenn jemand den Anschluss verliert, wird nicht nach ihm gesucht.»

VII

Wayland führte die Gruppe auf den bewaldeten Hügel, und die Flüchtlinge stolperten hinter ihm her. Der Nebel schlug sich auf den Bäumen nieder und tropfte mit entnervender Unregelmäßigkeit von den Zweigen auf ihre Köpfe herunter. Nach einem langen, mühsamen Aufstieg kamen sie aus dem Nebel und sahen das Meilenkastell vor sich. Als sie es erreicht hatten, kroch ein fahler, gelblicher Lichtsaum über den östlichen Himmel. Wayland warf einen Blick zurück auf das Wolkenmeer, das mit dunklen Riffen und Inseln durchsetzt war. Weit im Westen erhoben sich in der schwachen Helligkeit schneebedeckte Berge unter den verblassenden Sternen. Kein noch so schwacher Windhauch bewegte die Luft.

Richard lag im Gras und schluchzte, als bräche ihm das Herz. Raul stieg in den Turm, um die Vorräte zu holen.

«Seht», rief Hero und deutete auf einen winzigen Umriss, der sich über einem Hügel weit im Süden erhob. «Da ist der Galgen, an dem wir auf unserer Reise hierher vorbeigekommen sind.»

Vallon straffte sich. «Bei eurer Geschwindigkeit werden wir noch zu Krähenfutter, bevor es Mittag ist. Wo geht es jetzt weiter?»

Wayland deutete nach Westen, den Wall entlang. Sein Verlauf war meilenweit sichtbar, er hob und senkte sich im Nebel wie das Rückgrat eines Seeungeheuers.

«Dann los», sagte Vallon und ging voraus. Die anderen setzten sich nur zögernd in Bewegung. Vallon warf einen Blick über die Schulter. «Worauf wartet ihr?»

Wayland deutete auf die Käfige.

«Er will diese Greifvögel freilassen», sagte Raul.

«Es kümmert mich einen Rattendreck, was er will.»

«Hauptmann, Wayland macht alles auf seine eigene Art.»

«Aber jetzt nicht mehr. Und das gilt für dich genauso.»