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«Siehst du diese Bäume da vorn», hatte sein Vater gesagt. «Das sind kühne Krieger, die Odin bei ihrem Vormarsch dort festgebannt hat, indem er einen Blitz auf sie schleuderte.»

«Unsere Mutter sagt, Odin und all die anderen Götter gibt es nicht», hatte er widersprochen. «Sie sagt, es gibt nur einen Gott, und sein Sohn ist Jesus Christus, das Licht der Welt.»

Sein Vater hatte ihm das Haar zerzaust. «Jesus hat mit seinem Licht noch nicht überall hingeleuchtet. Aber erzähl deiner Mutter nicht, dass du das von mir gehört hast, sonst versagt sie mir einen Monat lang alle Freuden.»

Wayland überprüfte die Knoten, mit denen er die Umhänge der anderen befestigt hatte. Dann folgte er dem Anstieg des Walls. Als er den ersten Steilhang erreicht hatte, kletterte er an einer Stelle abwärts, an der ihm kein Pferd folgen konnte, und bewegte sich schnell weiter Richtung Norden, wobei er versuchte, sich unterhalb der Sichtlinie zu halten. Die Landschaft wurde rauer, holprige Wiesen und Wollgras wurden von Heide und weichen Moosteppichen abgelöst. Graubraune Vögel flogen vor ihm auf.

Als er die Baumgrenze erreicht hatte, blickte er zurück. Die Kette der Reiter bewegte sich den Steilhang hinauf, und an der Richtung, die sie einschlugen, erkannte Wayland, dass sie seinen Fluchtweg entdeckt hatten. Er hastete in den Wald.

Erst hier würde es ihn größere Anstrengung kosten, seinen Plan umzusetzen. Er wollte eine so große Entfernung zwischen die Verfolger und die Flüchtlinge legen, dass die Soldaten einen weiteren Tag brauchen würden, um ihren Nachteil wieder wettzumachen. Wayland fing an zu laufen, und sein Verstand schaltete sich ab. Er nahm nur noch seine Füße wahr, die über den Grund flogen, die Bäume, die er hinter sich ließ, und die Sonne, die zwischen den hohen, dunklen Baumkronen hindurchblitzte. Als er aus dem Wald kam, hatte er ein einsames Moor vor sich, und er rannte weiter. Auf einem Hügelkamm angekommen, sah er weit hinter sich zwei Männer auf zotteligen Ponys, die sich in den Steigbügeln aufgestellt hatten, um besser nach ihm Ausschau halten zu können. Als er den nächsten Hügelrücken überquerte, beobachteten sie ihn immer noch. Vielleicht fragten sie sich, ob dieser rennende Mann und sein riesenhafter Hund aus Fleisch und Blut waren oder eine Erscheinung aus mythischer Vergangenheit.

Immer weiter bewegte er sich vorwärts, rennend, trottend oder langsam gehend, je nach der Beschaffenheit des Untergrundes, bis er an den Rand eines Talkessels kam, um den spärlich ein paar Birken wuchsen. Auf dem Talgrund rauschte in Kaskaden ein von Schmelzwasser angeschwollener Bachlauf, der sich ein Stück weiter um einen Felsbrocken herum teilte, bevor er als Wasserfall in einer Schlucht verschwand. Wayland band die Umhänge los und verstaute sie in dem Beutel, den er auf dem Rücken trug. Während er abwartete, dass sich seine Atmung beruhigte, musterte er den Wasserfall, schätzte die Entfernung vom Ufer zu dem Felsbrocken und von dort zum jenseitigen Ufer. Dreißig Fuß mindestens. Das Wasser brandete schäumend an den Felsen und wusch manchmal darüber hinweg. Er konnte es mit zwei Sprüngen schaffen. Alles oder nichts.

Er holte zweimal tief Luft und raste den Abhang hinunter. Unten am Bach hätte er nicht anhalten können, selbst wenn er es gewollt hätte. Er sprang ab, kam mit einem Fuß auf dem Felsen auf, stieß sich wieder ab und glaubte, eine halbe Ewigkeit in der Luft zu schweben, bevor er mit solchem Schwung auf dem jenseitigen Ufer aufprallte, dass er die Erschütterung bis in die Augenhöhlen spürte. Mit einem dumpfen Geräusch kam der Hund neben ihm im Heidekraut auf. Wayland lachte atemlos und kraulte dem Hund durchs Fell. Dann trank er von dem torfigen Wasser aus dem Bach und plante den nächsten Schritt. Nicht weit oberhalb lag ein Brocken Basaltstein überwuchert von üppigem Heidekraut. Wayland ließ sich dagegensinken und teilte Fleisch und Brot mit seinem Hund.

Der Tag war warm und ruhig, die Wolken ankerten mit ihren Schatten auf der Erde. Erstes Grün überzog die Birken mit einem zarten Schleier. Eine Mooreule strich über den Hang gegenüber. Wayland döste ein und wurde eine Weile später von den Geräuschen der Jagdhunde geweckt. Er beobachtete, wie sie der Witterung folgten, und erkannte sie an ihrer Fellzeichnung – Marte und Marteau, Ostine und Lose. Marteau hinkte auf drei Beinen, das vierte hatte er leicht angezogen.

Reiter standen oben am Rand des Talkessels und hielten nach einer Bewegung Ausschau. Inzwischen mussten sie sich fragen, wie die Flüchtlinge zu Fuß so lange hatten schneller sein können als sie selbst. Sie begannen den Abstieg, und an den Ausfallschritten der Pferde erkannte Wayland, dass die Tiere sehr erschöpft waren. Er schmierte sich Torf ins Gesicht und band ein Stück Sackleinwand um seinen Kopf. Dann suchte er sich seinen schwersten Pfeil heraus und steckte in neben seinem Bogen in die Erde.

Die Jagdhunde stürzten auf den Wasserfall zu und drängten sich vor der Fallkante. Sie prüften die Fließgeschwindigkeit des Wassers und schreckten vor seiner reißenden Macht zurück. Ihr Gebell verstummte. Dann rannten sie immer wieder den Bachlauf hinauf und zu dem Wasserfall zurück.

Die Reiter stießen zu ihnen. Die Pferde pumpten angestrengt Luft durch geweitete Nüstern. Einige der Soldaten stiegen ab. Die anderen ließen sich entkräftet vornüber auf die Hälse ihrer Pferde sinken. Ihre verschwitzten Gesichter wirkten immer noch vom Alkohol benebelt, und mit den dunklen Schatten unter ihren Augen erinnerten sie an Pestkranke. Einige trugen keine Rüstung. Drax hatte sich sein Kettenhemd übers Nachtgewand gezogen. Drogos Pferd schäumte, und der Kopf des Tiers war mit rötlichen Schweißflocken bedeckt. Mensch oder Tier, Drogo setzte sie alle rücksichtslos ein.

Der Jagdmeister kratzte sich am Kopf. «Die Hunde zeigen an, dass sie hier den Bach überquert haben.»

Drogo glitt vom Pferd. «Sei kein Dummkopf. Die Strömung hätte sie in den Wasserfall gerissen.»

«Einer von ihnen ist hinübergekommen.»

Drogos Kopf ruckte hoch. «Wayland?»

Der Jagdmeister nickte. «Ich habe einmal gesehen, wie er einen Hirsch verfolgt hat. Dabei hat er einen Sprung über eine Schlucht gemacht, den ich nicht einmal einem Pferd zutrauen würde.»

«Und wo sind dann die anderen?» Drogo sah sich um. «Das ist eine List. Sie müssen hier umgekehrt sein. Sie können nicht weit sein.»

«Hier sind sie nicht. Die Fährte ist frisch. Sie sind zu Fuß unterwegs. Wir hätten sie schon längst einholen müssen. Wayland führt uns an der Nase herum.»

Drogo streckte den Jagdmeister mit einem Faustschlag zu Boden. «Wo haben wir sie verloren?»

Der Mann betastete sein Kinn. «Ich weiß nicht», murmelte er.

Drogo versetzte ihm einen Tritt. «Sag schon, verdammt.»

«Am Wall, wo die Hunde herumgespürt haben und Ostine einer anderen Spur folgen wollte. Ich dachte, dass sie von Schafen in die Irre geführt wurde, weil sich die anderen Hunde eindeutig auf diese Spur gesetzt haben. Seitdem flüchten sie in die andere Richtung.»

Drogo starrte ihn mit ungläubiger Wut an. «Inzwischen könnten sie schon über den Tyne sein. Sie könnten sogar schon in der nächsten Grafschaft sein.»

Wayland spannte den eingekerbten Pfeilschaft in die Bogensehne.

Drogo ließ den Blick über seine Männer wandern. «Wer hat das frischeste Pferd? Guilbert, du reitest heim und schickst Spähtrupps in alle Richtungen. Schlag in Durham Alarm. Benachrichtige York. Ich komme dir nach.» Er ging zu seinem Pferd und schwang sich hinauf. Mit zornsprühenden Augen starrte er über das Wasser. «Der Bastard kann nicht weit sein. Vermutlich beobachtet er uns sogar gerade.»

«Wir schnappen ihn uns ein anderes Mal», sagte Roussel.

Drogo durchbohrte ihn mit seinen Blicken. «Das alles wäre nicht passiert, wenn du mit Drax den Franken ausgeschaltet hättest. Nun, das könnt ihr jetzt wiedergutmachen. Nehmt den Jagdmeister und vier andere Männer.» Drogo fasste nach den Zügeln. «Nichts anderes als der Kopf des Falkners auf einer Stange dürft ihr mir bringen, damit ich euch verzeihe.»