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«Was hast du ihm über uns erzählt?»

Raul zupfte an seinem Ohrring. «Ich habe ihm gesagt, wir gehörten zu einer Gauklertruppe.»

«Einer was

«Das sind Reisende, die bei Märkten und Festen für Unterhaltung sorgen. Ich habe ihm gesagt, wir hätten auf dem Land kaum etwas verdient und wären jetzt für die Osterfeiertage auf dem Weg nach London.»

«Und das war vermutlich dein Auftritt als Kraftmensch.»

Raul grinste. «Nicht schlecht, oder?» Er deutete auf Wayland. «Und das sind der Wolfsjunge und sein dressierter Hund. Er tut, was immer ihm der Wolfsjunge befiehlt.»

«Wayland ist stumm.»

«Das macht den Auftritt ja gerade zu so einem Erfolg.»

Hero, der inzwischen zu den beiden gestoßen war, verbiss sich das Lächeln. «Und welche Rolle habe ich?»

«Geschichtenerzähler», sagte Raul. «Hauptmann, Ihr seid der Schwertmeister, ein Held des Frankenreiches, der in Kastilien gegen El Cid gekämpft hat. Ihr nehmt es mit jedem Herausforderer auf, sogar mit drei auf einmal – einen Penny für jeden, der Euch schlägt.» Raul unterdrückte einen Schluckauf. «Natürlich werden keine echten Schwerter benutzt.»

Vallon schüttelte den Kopf über all diesen Unsinn, ging zu Wayland hinüber, schob sein Schwert unter den Tisch und ließ sich auf die Bank sinken. Sobald er sich gesetzt hatte, wurde ihm bewusst, wie erschöpft er war. Würde er es schaffen, jemals wieder aufzustehen?

«Wenn wir nun schon einmal hier sind, kannst du uns auch ein Ale holen.»

Bald darauf kam Raul mit drei Bechern an den Tisch. «Der Gastwirt möchte wissen, ob wir etwas essen wollen.» Er zog die Augenbrauen hoch. «Ein schöner Teller Salzdorsch?»

Der Gastwirt stand mit breitem Lächeln hinter dem Tresen und zog ein Messer über einen Wetzstahl. Der Junge saß neben ihm auf dem Tresen und ließ die Beine baumeln.

«Gut», sagte Vallon. «Aber wir gehen, sobald wir gegessen haben.»

«Können wir nicht über Nacht bleiben?», fragte Richard.

«Nein. Wir haben schon viel zu viel Aufmerksamkeit auf uns gezogen.»

Richard sah aus, als würde er am liebsten anfangen zu weinen. «Herr, wir haben schon drei Nächte lang nicht mehr unter einem ordentlichen Dach geschlafen.»

Raul tätschelte ihm beruhigend die Hand. «Keine Sorge. Ich habe schon eine Unterkunft für uns. Leofric lädt uns zum Übernachten in sein Cottage ein. Es liegt versteckt im Wald, Hauptmann, weitab vom Weg.»

Erneut musterte Vallon den Köhler. Er stand mit dem Rücken zum Raum und lachte über irgendetwas mit dem Gastwirt. Dann griff er über den Tresen und schnitt sich ein Stück Schinken ab. Sein Messer sah nach einer Ausbeinklinge aus.

Vallon war versucht, das Angebot anzunehmen. Seine Glieder schmerzten von der feuchten Nachtkühle, der sie ausgesetzt gewesen waren.

«Danke deinem Freund und sage ihm, wir werden uns selbst etwas suchen.»

«Und was? Sollen wir wieder im Straßengraben schlafen?»

Auch Hero muckte auf. «Wir können nicht für alle Zeit wie die Tiere leben. Schlechter als Tiere. Sogar die Vögel haben ihr Nest.»

Richard hüstelte schwach, um zu zeigen, dass er derselben Meinung war.

Vallon sah sie über den Rand seines Bechers an. «Wir nehmen keine Einladungen von Fremden an.»

Vor sich hin murrend ging Raul los, um dem Köhler die Absage auszurichten. Vallon beobachtete die beiden. Der Mann wirkte beleidigt, aber das war zu erwarten gewesen. Allerdings widersprach er nicht und unternahm keine Überredungsversuche. Stattdessen stieß er noch einmal mit Raul an und verabschiedete sich mit einem Handschlag von ihm. Als der Gastwirt mit einer Platte Dorsch an den Tisch kam, war die Sache für Vallon erledigt. Er aß ein paar Bissen und schob dann seinen Teller von sich. Er fühlte sich fiebrig. Es hatte wieder angefangen zu regnen, und eine Zeitlang lauschte er auf das Wasser, das vom Dachsims tropfte. Die verbrauchte Luft in dem Gasthaus machte ihn schläfrig. Er nickte im Sitzen ein.

Als er von einem hässlichen Traum geweckt wurde, stellte er fest, dass es in der Gaststube still geworden war. Sein Fieber war angestiegen. Das Licht schmerzte ihn in den Augen. Gegenüber am Tisch waren Hero und Richard mit den Köpfen auf den Armen tief eingeschlafen. Raul saß mit aufgestütztem Kinn völlig übermüdet daneben.

Es hatte aufgehört zu regnen. Die Gaststube war inzwischen fast leer. Drei Dorfbewohner saßen auf einer Bank neben dem Feuer und unterhielten sich leise. Als Vallon sie ansah, gaben zwei seinen Blick zurück. Der dritte war ein blinder Alter.

Vallon zog Raul die Hand unterm Kinn weg. Der Deutsche zuckte zusammen.

«Wie lange habe ich geschlafen?»

Raul fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. «Ich weiß nicht, aber Ihr habt ein schönes Nickerchen gemacht. Vermutlich hattet Ihr es dringend nötig.» Er legte seinen Arm um Hero und Richard und sagte mit gesenkter Stimme: «Diese beiden hier wollte ich auch nicht aufwecken.»

Als Vallon aufstand, schoss ihm heftiger Schmerz durch ein Bein. Er kniff die Augen zusammen und hielt sich am Tisch fest. Besorgt streckte Raul den Arm nach ihm aus. «Alles in Ordnung, Hauptmann? Ihr seht nicht gut aus.»

«Der Köhler. Wann ist er gegangen?»

Raul strich sich über den Bart. «Keine Ahnung.»

«Was hat er gesagt, als du ihm erklärt hast, wir würden nicht bei ihm übernachten?»

«Er war sehr höflich, wenn ich mir’s recht überlege. Hat mir noch eine gute Nacht gewünscht und meinte, er würde morgen unterwegs nach uns Ausschau halten.»

Vallon straffte sich. «Das war eine Falle.»

«Hauptmann, Ihr habt ja nicht einmal selbst mit dem Mann gesprochen. Ihr wisst nicht das Geringste über ihn.»

Vallon stützte sich mit den Händen auf den Tisch und beugte sich zu Raul hinunter. «Warum sollte ein mittelloser Köhler fünf Fremde bei sich aufnehmen?»

«Ich habe ihm gesagt, dass wir dafür bezahlen.»

«Du hast also behauptet, ich hätte eine dicke Börse voll Silber dabei.»

«Was habt Ihr denn, Hauptmann? Ich habe lediglich gesagt, es würde nicht zu seinem Schaden sein.»

«O ja», sagte Vallon, «er wollte uns zahlen lassen.» Mit einem Ruck fuhr er herum. Der Gastwirt trug immer noch sein festgefrorenes Lächeln auf dem Gesicht. Es erinnerte Vallon an das Grinsebild auf dem Gasthausschild. Auch der Junge saß noch immer mit baumelnden Beinen auf dem Tresen.

«Sag ihm, er soll uns eine Unterkunft für die Nacht geben.»

«Hauptmann, ich dachte …»

«Tu, was ich sage.»

Der Gastwirt nahm Rauls Frage mit bedauerndem Kopfschütteln auf.

«Er hat keinen Platz. Er sagt, im nächsten Dorf gibt es eine Herberge.»

«Sag ihm, dass es schon dunkel ist und wir müde sind. Wir bezahlen, wenn er uns in seinem Stall schlafen lässt.»

Diese Bitte schien die gute Laune des Gastwirtes zum Versiegen zu bringen. Raul zog ein Gesicht. «Er fragt, warum wir Leofrics Angebot nicht angenommen haben, wenn wir so dringend ein Bett brauchen.»

Der Junge auf dem Tresen hatte aufgehört, mit den Beinen zu baumeln. Es lag vermutlich an dem Fieber, aber Vallon hatte den Eindruck, dass seine dunkelbraunen Augen vor Boshaftigkeit glitzerten.

Der Gastwirt begann aufzuräumen und verbreitete dabei auffordernden Lärm. Die drei Dorfbewohner waren inzwischen gegangen. Vallon rüttelte Hero und Richard an der Schulter. «Wacht auf. Wir gehen.» Er sah sich um. «Wo ist Wayland?»

«Er mag geschlossene Räume nicht», entgegnete Raul. «Vermutlich ist er draußen und schnappt frische Luft.»

Der Halbmond verströmte genügend Licht für Wayland, um dem Köhler zu folgen. Der Mann ging mit lebhaftem Schritt mitten auf dem Weg und sang dabei vor sich hin. Wayland und sein Hund bewegten sich auf dem grasbewachsenen Wegrand. Er war draußen gewesen, als der Köhler das Gasthaus verließ und bald darauf der Junge auftauchte. Die beiden hatten kurz zusammengestanden und ihre Köpfe wie Verschwörer zusammengesteckt, nicht wie Freunde, die sich voneinander verabschieden. Dann waren sie grußlos auseinandergegangen. Wayland hatte keine Zeit gehabt, Vallon von seinem Verdacht zu berichten. Als der Junge in das Gasthaus zurückging, war der Köhler auf seinem Weg aus dem Dorf schon beinahe außer Sicht.