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Doch nun bekam Wayland den Eindruck, dass ihn sein Gefühl getäuscht hatte. Der Köhler wirkte ganz einfach wie ein Mann auf dem Weg nach Hause. Wenn er sich umsieht, beschloss Wayland, dann habe ich recht gehabt. Jeder, der mit finsteren Plänen durch einen nächtlichen Wald geht, wirft von Zeit zu Zeit einen Blick über die Schulter.

Doch der Köhler hatte nur Augen für den Weg, der vor ihm lag. Wayland schätzte, dass sie nun schon eine Meile weit gegangen waren, und bald wären es zwei. Er war seit der Morgendämmerung unterwegs und dachte nun mit sinkender Laune an den Rückweg zum Dorf. Im Wald regte sich kein Blatt. Die einzigen Geräusche waren seine eigenen gedämpften Schritte und das gelegentliche Klicken, mit dem sein Bogen an den Gürtel schlug. Je tiefer er in den Wald vordrang, desto stärker wurde er sich seiner selbst bewusst. Es war merkwürdig. Wayland folgte einem Mann, hatte jedoch das Gefühl, als sei er selbst das Zentrum der Aufmerksamkeit. Während er die Gestalt im Mondlicht beobachtete, beschlich ihn der unangenehme Eindruck, dass der Köhler wisse, dass er da war, und dass er ihn irgendwohin lockte. Und noch eine andere, unschöne Vorstellung breitete sich in seinem Kopf aus. Es kam ihm so vor, als würde er, wenn er zu dem Köhler aufholte und ihn zu sich umdrehte, das Gesicht eines anderen Mannes vor sich haben.

Dann blieb der Mann stehen. Wayland erstarrte. Auf diese Entfernung war er nichts weiter als ein Schatten in den Schatten, ein Umriss, der keinen nächtlicher Wanderer zum Umdrehen bewegen würde.

Der Köhler kam zurück, als hätte er seine Abzweigung verpasst und versuchte nun, sich zu orientieren. Er sah sich langsam um. Er ging zu einer Seite des Weges und anschließend zur anderen.

Wolken verhüllten den Mond. Als die Mondsichel wieder auftauchte, war der Köhler verschwunden. Zuletzt hatte Wayland ihn bei einer abgestorbenen Eiche mit enorm dickem Stamm gesehen.

Wayland wartete ab, um sicherzugehen, dass der Köhler nicht zurückkam. Der Hund beobachtete ihn mit bebenden Flanken. Wayland nickte ihm zu, und wie ein Geist huschte das Tier über den Weg.

Wayland ließ seinen Blick wandern und versuchte, den Ort zu begreifen. Er konnte keine Abzweigung entdecken, das einzig Ungewöhnliche war die alte Eiche. Immer wieder kehrte Waylands Blick zu ihr zurück, und je länger er sie ansah, desto mehr hatte er das Gefühl, der Baum würde seinen Blick erwidern. Unwillkürlich schaudernd zog Wayland die Schultern zusammen. Es war nicht nur Einbildung. Die Eiche hatte ein Gesicht – zwei leere Augenhöhlen über einem gähnenden Mund. Wayland tastete nach dem Kreuz, das um seinen Hals hing.

Er fuhr zusammen, als der Hund völlig lautlos zu ihm zurückkehrte. Er folgte ihm über den Weg, und dort begann das Tier mit Abstand um die Eiche herumzustreichen und den Baum zu beäugen, wie ein Fuchs, der eine Vogelscheuche abschätzt.

Moment.

Als Wayland die Eiche aus der Nähe sah, musste er über die Sinnestäuschungen lächeln, die das Mondlicht hervorgerufen hatte. Alter und Fäulnis hatten eine Höhle in ihren Stamm gefressen, und die beiden Augen waren nichts weiter als alte Astlöcher. In der Höhlung sah er etwas herabbaumeln. Er glaubte, es müsse etwas sein, das der Köhler dort aufgehängt hatte, und streckte die Hand danach aus, um jedoch gleich wieder zurückzuzucken. Es war ein Katzenkadaver an einem Strick, das Maul in einem mumifizierten Grinsen erstarrt. Wayland warf einen Blick über die Schulter, bevor er sich wieder dem hohlen Stamm zuwandte. Die Dunkelheit darin war tief genug, um einen Mann zu verbergen. Wayland fröstelte bei dem Gedanken daran, dass jemand – dass etwas – dort drinnen mit angespannter Aufmerksamkeit auf den Moment lauerte, in dem er in Reichweite kam.

Er trat zurück und wäre dabei um ein Haar über den Hund gestolpert. Der Hund nahm Waylands Ärmel zwischen die Zähne und zog ihn mit sich fort.

Sie schlichen zwischen die Bäume. Wie Säulen ragten die gewaltigen Stämme um sie auf. Es gab kaum Unterholz – nur ein paar Haselbüsche und zuweilen ein glänzender Stechpalmenstrauch. Wayland gelangte auf einen Pfad, der einen sanften Abhang hinunterführte. Der entspannte Trab des Hundes verriet ihm, dass ihnen der Köhler weit voraus war. Er beschleunigte seinen Schritt.

Sie mussten mehr als eine Meile zurückgelegt haben, als sich der Hund mit einem Mal auf den Boden duckte. Wayland ging neben ihm in die Hocke. Er roch Holzrauch und Schweinedung. Während er vorwärtskroch, fiel ihm ein, dass der Köhler wahrscheinlich auch einen Hund hatte. Doch nun war es zu spät, um sich darüber Sorgen zu machen. Die Bäume wurden spärlicher, und Wayland erkannte vor sich eine Hütte auf einer Lichtung. Nebelhafter Rauch stieg von ihrem Dach auf, und durch einen Spalt im Fensterladen fiel Licht. Auf der anderen Seite der Lichtung grunzten Schweine. Wayland hörte gedämpfte Stimmen und dann das Geräusch einer Tür, die ins Schloss gezogen wurde.

Leichtfüßig rannte er zum Haus und duckte sich unter das Fenster. Was er zu sehen erwartete – was er zu sehen hoffte –, war der Köhler im Kreis seiner Familie, wie er sich gähnend die Stiefel auszog. Wayland legte sein Auge an die Spalte im Fensterladen. Sein Mund wurde trocken. Schwankendes Licht von Talgkerzen erhellte einen Raum voller Männer mit verfilztem Haar und ungepflegten Bärten. Sie trugen grob zusammengenähte Felljacken oder die grünlichen Westen, die Wayland für die Uniform einer Gruppe mit üblen Absichten hielt. Er wusste, wer diese Leute waren. Ulf hatte sie vor ihnen gewarnt: Die Männer aus dem Wald. Ehemalige Widerstandskämpfer, die zu Banditen und Halsabschneidern geworden waren.

Ein verdreckter Mann rückte ein Stück zur Seite, und Wayland sah den Köhler vor einem dunkelhaarigen Mann stehen, der am Fenster saß. Er war glattrasiert und wirkte im Vergleich zu den anderen wilden Gesellen beinahe zivilisiert. Um seinen Hals hing eine Kette aus getrockneten Pilzen – ein Zauberamulett oder Heilmittel gegen Krankheiten.

«Fahrende Gaukler, Ash. Das hat der Deutsche gesagt. Und vielleicht stimmt das auch. Aber auf jeden Fall sind es Fremde – alle bis auf einen, einen tumben englischen Jungen. Wolfsjunge hat ihn der Deutsche genannt. Er hat einen Hund, ein wahres Untier, sieht aus, als wäre er im Bärenzwinger besser aufgehoben als bei einer Gauklertruppe. Diesem Hund will man im Dunkeln lieber nicht begegnen.»

Ash machte eine knappe Geste.

«Wär eine Schande, ihn zu töten», sagte der Köhler. «Ich hätte nichts dagegen, selbst so einen Hund zu haben.»

Doch Ash interessierte sich nicht für den Hund. «Wer gehört sonst noch dazu?»

«Zwei junge Hänflinge und ein Franzmann – ein Franke, kein Normanne. Harter Kerl, sieht gefährlich aus, weiß sich zu wehren. Der Deutsche hat erzählt, er hätte ihn Spanien gekämpft. Er fordert die Leute zum Schwertkampf heraus.»

«Mir gefällt das alles nicht», sagte ein anderer. «Ein nächtlicher Hinterhalt ist immer riskant. Es reicht, wenn nur einer von ihnen entkommt, und …»

«Maul halten», sagte Ash. Dann wandte er sich wieder an den Köhler. «Warum hast du sie nicht hergebracht?»

Der Köhler bleckte seine schwärzlichen Zähne. «Das wollte ich ja. Es war alles vorbereitet. Ich hatte den Deutschen besoffen gemacht, dein Junge sollte dir die Meldung bringen, aber dann ist der Franzmann aufgetaucht und hat dem Deutschen erklärt, dass sie weiterziehen.»

Ash lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Du musst dich verraten haben.»

«Nein, ich schwör’s bei meinem Leben. Ich habe alles genauso gemacht wie immer. Frag deinen Onkel.»