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Wayland zog für einen Moment die Kapuze ab. Töte ihn.

Der Hund setzte sich lautlos in Trab.

Der Mond trat wieder hinter den Wolken hervor und warf schwache Schatten. Wayland entdeckte den zweiten Ganoven hinter einem Baum. Er würde einen Bogen um ihn schlagen müssen, um sicher zielen zu können. Er bewegte sich langsam und so geräuschlos wie der Schatten einer Katze, bis er den Rücken des Mannes im Blick hatte. Wayland wusste nicht, ob es sich um Leofric oder Sidward handelte, und es war ihm auch gleichgültig. Schließlich würde jeder der beiden ihn selbst mit der gleichen Beiläufigkeit töten, mit der man eine Fliege erschlägt. Er lehnte sich zurück, sein Rücken bog sich fort von der Krümmung seines Bogens. Als er die Sehne voll gespannt hatte, zeigte der Pfeil schräg zum Himmel hinauf. Er senkte ihn in langsam und behielt dabei die eiserne Spitze genau im Blick, um den Pfeil in dem Moment abschnellen zu lassen, in dem das Rückgrat des Mannes vor ihm auftauchte.

Da bewegte sich sein Opfer. Wayland blinzelte. Der Gauner sah angespannt hinter dem Baum hervor, er hatte die erstickten Geräusche von der anderen Seite des Weges gehört. Bevor Wayland erneut zielen konnte, stieß sich der Gauner von dem Baum ab und verschwand hakenschlagend in der Dunkelheit.

Ernüchtert atmete Wayland tief aus. Nun musste er dem Mann erneut folgen. Und dieses Mal würde es schwieriger werden. Der Räuber wäre auf der Hut.

Eine Waldohreule ließ ihren monotonen Lockruf erklingen – ‹Uuh-uuh-uuh›. Wenn Wayland nicht selbst so täuschend echt Tierstimmen hätte nachahmen können, hätte er geschworen, dass dieser Eulenruf echt war. Der Räuber wartete auf eine Antwort. Doch Wayland wusste, dass sein Gefährte tot, sein gebrochener Blick in die Zweige hinauf gerichtet war, dass Blut aus seiner zerfleischten Kehle strömte.

Der Gesetzlose wiederholte den Ruf.

Wenn er auch dieses Mal keine Antwort erhielte, würde er wissen, dass etwas nicht stimmte. Wayland legte die Hände um den Mund und gab den klagenden Eulenruf zurück. Nichts geschah. Der Ganove musste sich fragen, warum sein Gefährte auf die andere Seite des Weges zurück gewechselt war. Aber vielleicht hatte Wayland auch den falschen Ruf nachgeahmt.

Er versuchte es noch einmal. Immer noch keine Reaktion. Die Stille klang in seinen Ohren. Er spürte seinen Herzschlag hinter den Rippen.

Irgendwo knackte ein Zweig. Wayland erstarrte, alle Sinne angespannt.

Vor ihm schien sich ein Gebüsch zu bewegen, von ihm wegkriechen zu wollen. Wayland verließ seine Deckung und ging darauf zu, ohne sich weiter um Lautlosigkeit zu bemühen.

Der Ganove fuhr herum, sein Pfeil war auf Waylands Brust gerichtet. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen.

«Siward?»

Wayland hob eine Hand und ging weiter.

Der Köhler rannte ihm nach. «Was machst du denn? Was war das vorhin für ein Lärm?»

Wayland legte einen Finger auf die Lippen.

«Sie werden jeden Augenblick hier sein», flüsterte der Köhler. «Warum bist du zurückgekommen?»

Wayland stand so nahe vor ihm, dass er Leofrics Augen durch die Schlitze in der Kapuze glänzen sah. Er hob den Zeigefinger.

«Was ist denn?»

Wayland trat dicht vor ihn und holte seitlich mit seinem Messer aus.

Der Köhler versteifte sich und legte die Hand ans Ohr. «Da kommt jemand.»

Von weitem war ein schwaches, aber kraftvolles Geräusch zu hören, das sich auf sie zubewegte. Es wurde lauter – ein ungezügelter Galopp, ein unaufhörliches … ja, was? Der Köhler machte einen Schritt rückwärts und stieß dabei mit Wayland zusammen.

Da brach der Hund mit wirbelnden Pfoten in einer weiten Kurve zwischen den Bäumen hervor. Als er die beiden Männer sah, kam er rutschend zum Stehen. Langsam drehte er den Kopf, und dann stand er einfach da, sein Fell glänzte schwach aus dem Schatten heraus, und aus seinem Maul stiegen Atemwolken auf.

«Allmächtiger!», keuchte Leofric entsetzt. Er ließ vor Schreck die Bogensehne los, und Wayland hörte den Pfeil durchs Unterholz jagen.

«Schieß!», schrie der Köhler und tastete mit fliegenden Händen nach dem nächsten Pfeil.

Doch schon griff der Hund an, als grau-schwarzer Schemen raste er auf sie zu. Der Köhler ließ seinen Bogen fallen und griff nach seinem Messer. Es gelang ihm, den Arm vors Gesicht zu heben, bevor der Hund ihn auf den Rücken warf.

Wayland stürzte herbei. Der Hund hatte die Schulter des Köhlers zwischen den Kiefern und schüttelte ihn wie ein Terrier eine Ratte. Das Messer flog aus Leofrics Hand. Wayland griff in die Nackenfalten des Hundes und versuchte ihn wegzuziehen.

Nein!

Er zerrte das bockende Tier, das weiter angreifen wollte, auf den Hinterläufen von dem Köhler weg.

Lass ihn!

Der Hund sah Wayland mit blutrünstigem Blick an.

Lass ihn.

Lauernd zog sich der Hund zurück. Der Köhler kroch auf den Ellbogen weiter von ihm weg. Wayland folgte ihm und stellte sich mit gezogenem Messer über ihn. Der Köhler sah zu dem Falkner empor, seine Kapuze war verdreht, und der Stoff über seinem Mund wurde mit jedem Atemzug eingesogen und wieder weggepustet. Wayland bückte sich und zog dem Mann die Kapuze vom Kopf. Dann streifte er seine eigene ab. Der Köhler verdrehte die Augen und ließ den Kopf nach hinten fallen.

Wayland fesselte ihm Hände und Füße und band ihn an einem Baum. Dann zeriss er die Kapuze des Mannes und benutzte die Stoffstreifen, um ihm die Augen zu verbinden und ihn zu knebeln.

Anschließend machte er sich auf die Suche nach dem Jungen.

Vallon ließ den Blick prüfend rechts und links an den Bäumen entlangwandern. Der Wald war still wie ein Grab. Raul hielt seine Armbrust schussbereit; von Zeit zu Zeit drehte er sich um und ging rückwärts, während er den Weg hinter ihnen kontrollierte.

«Wie weit sind wir schon gegangen?», fragte Vallon.

«Mindestens zwei Meilen. Es muss jetzt bald Mitternacht sein.» Raul deutete mit einer Kinnbewegung auf Hero und Richard. «Die beiden sind zum Umfallen müde.»

«Noch nicht.»

«Hauptmann, wenn Ihr glaubt, dass uns ein Hinterhalt erwartet, warum führt Ihr uns dann direkt hinein?»

«Wayland weiß, dass wir diesen Weg nehmen.»

«Vielleicht sehen wir ihn bis morgen früh nicht mehr. Ihr kennt ihn doch. Vielleicht ist er jagen gegangen. Aber noch wahrscheinlicher hat er sich irgendwo ein gemütliches Plätzchen zum Schlafen gesucht.»

«Wenn er das gemacht hat, bringe ich ihn um.»

Sie gingen in der beklemmenden Stille des Waldes weiter.

«Ich war schon einmal in so einem Wald», sagte Raul. «In der Normandie, mitten im Winter, kurz vor dem Julfest. Ich hatte eine Woche Ausgang und meinen Lohn, und den wollte ich in Rouen ausgeben. Ich bin früh aufgebrochen, aber nachmittags hat es angefangen zu schneien, und ich habe die falsche Abzweigung genommen. Es war ein trüber Tag, der Himmel so schwarz, als sollte gleich das jüngste Gericht stattfinden, und nirgends ein Haus oder eine Menschenseele. Ich kam an einen Wald und folgte einem Weg, der hineinführte. Als es dunkel wurde, war ich immer noch in dem Wald, und meine einzige Orientierung waren die Sterne am Himmel. Und als ich so durch diesen Winterwald ging, hatte ich das Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein, also habe ich meine Flöte herausgeholt und mir ein Liedchen vorgespielt, um wenigstens die Musik zur Gesellschaft zu haben. Dann hörte ich auf zu spielen, weil ich das Gefühl bekam, dass ich auf einmal viel mehr Gesellschaft hatte, als mir lieb sein konnte.

Es waren die Bäume. Es war, als würden sie sich nach mir umdrehen, nachdem ich an ihnen vorübergegangen war. Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel, und ich schwöre, dass sie sich über mir zueinanderneigten. Das war schon schlimm genug, aber dann … Dann berührte etwas meinen Rücken. Ich sprang vor Schreck in die Luft und drehte mich um. ‹Wer ist da?›, habe ich gerufen, aber niemand antwortete. Da war nichts außer Bäumen und Schnee. ‹Beachte die Kobolde und Gespenster einfach nicht, klar?›, habe ich zu mir selbst gesagt. Aber das ist leichter gesagt als getan, Hauptmann. Als ich weiterging, kribbelte mir der ganze Rücken, so sehr rechnete ich mit noch einer Berührung. Tja, es kam keine, aber dafür kam etwas anderes. Ich hörte es auf mich zuschleichen – der Schnee hinter mir knirschte und knarrte. Knirsch-knarr, knirsch-knarr. Vor lauter Angst konnte ich keinen Schritt mehr tun. Was immer auch hinter mir gewesen sein mag, blieb ebenfalls stehen. Dieses Mal wagte ich es nicht, mich umzudrehen, denn ich wusste, das Wesen hinter mir hatte Flügel und Hörner und Augen so groß wie Holzteller. Mit schlotternden Knien ging ich weiter, und das Ding folgte mir. Jedes Mal, wenn ich stehen blieb, blieb es auch stehen, und jedes Mal, wenn ich weiterging, folgte es mir.