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«Einen Augenblick noch.»

Vallon drehte sich um.

«Mein Sohn hat mich daran erinnert, dass vergangenen Sommer ein Mann hier war, um sich Geld zu leihen. Wie hieß er noch gleich? Nun gut, das spielt keine Rolle. Er war Norweger, einer der wenigen Angreifer, die den englischen Sieg bei Stamford Bridge überlebt haben. Er war auf einem Schiff entkommen, das dann von einem Sturm an die Küste von Ostanglien gedrückt wurde. Er wollte Geld, um das Schiff instand zu setzen. Im Tausch bot er mir Fisch an, und als ich ihm erklärte, kein Fischhändler zu sein, hat er versucht, mir ein englisches Waisenmädchen zu verkaufen. Doch selbst wenn er eine Sicherheit hätte bereitstellen können, hätte ich abgelehnt. Er war ein widerwärtiger Kerl, der es mit der Wahrheit nicht so genau nahm, und noch dazu ein bisschen auf den Kopf gefallen.»

«Ich glaube, wir machen es besser als er.»

«Ich habe ihn nur aus folgenden Gründen erwähnt», sagte Aaron und begann diese Gründe an den Fingern abzuzählen. «Er hat ein Schiff. Er braucht Geld, um es zu reparieren. Er will in seine Heimat zurück.» Aaron hielt einen weiteren Finger hoch. «Und, wie ich schon sagte, er ist verrückt. Ich wünschte, ich würde mich an seinen Namen erinnern. Er fällt mir bestimmt ein, wenn Ihr gerade zur Tür hinaus seid.»

«Und wo finden wir ihn?»

Aaron sprach kurz mit Moise. «In einer Stadt namens Lynn. Sie liegt einen Tagesritt weiter nördlich am Wash.» Dann begleitete er sie hinaus.

Als sie draußen auf der Eingangstreppe standen, sah Vallon im Schein von Kohlepfannen Soldaten am Burgtor stehen.

«Hör zu», sagte Aaron zu Hero. «Du weißt, dass Juden in England keine anderen Geschäfte als das Geldverleihen betreiben dürfen.»

«Ja, Herr.»

«Ich bin ein reicher Mann. Ich kann jeden Ort im Königreich besuchen, ohne Wegezölle zu bezahlen. Vor Gericht wiegt mein Wort so schwer wie das von zwölf gebürtigen Engländern. Ich wurde reich gesegnet – mit meiner Familie, meiner Religion, meinen Büchern und meinem Garten. Doch die Wahrheit lautet, dass ich in einem Käfig sitze.»

«Wir sollten jetzt gehen», sagte Vallon, der weiter die Soldaten beobachtete.

«Ich habe mir den Beruf des Geldverleihers nicht ausgesucht», fuhr Aaron fort. «Die Rechtswissenschaften zogen mich an, aber …» Mit einer kleinen Handbewegung wischte er das Auf und Nieder der Geschichte weg. «Du musst ein vielversprechender Student sein, da du von Konstantinus Africanus ausgewählt wurdest. Vergeude deine Talente nicht mit der irregeleiteten Treue zu einem …», Aaron warf einen Blick auf Vallon, «… Condottiere

«Ich werde nach meiner Rückkehr noch genügend Zeit für mein Studium haben.»

«Ha! Der Optimismus der Jugend, der Segen der Unwissenheit. Man hat niemals genügend Zeit.»

Damit zog Aaron die Tür zu. Riegel wurden vorgeschoben, Ketten klirrten. Der Schlüssel drehte sich im Schloss.

Hero sah Vallon an. «Seid mir nicht böse, Herr.»

«Warum bist du zurückgekommen?»

«Ich konnte nicht vergessen, was Cosmas gesagt hat. Dass eine unvollendete Reise ist wie eine Geschichte, der das Ende fehlt. Wie hätte ich gehen können, ohne zu wissen, wie dieses Abenteuer ausgeht?»

Vallon schüttelte den Kopf. «Nicht alle Reisenden kommen an ihrem Ziel an, nicht alle Reisen haben ein glückliches Ende.»

«Und es gibt noch einen anderen Grund – etwas, das mir schwer auf dem Gewissen liegt.»

Zwei der Soldaten bewegten sich über den Platz auf sie zu. «Das kannst du mir später erzählen.»

Sie waren am Fuß der Treppe, als die Luke in der Haustür geöffnet wurde. «Snorri!», rief Aaron. «So heißt der Norweger.»

«Lass uns allein», sagte Vallon. Er wartete, bis Richard hinausgegangen war, dann setzte er sich auf einen Stuhl am offenen Fenster. Hero blieb mitten im Raum stehen und hielt sich an seinem Medizinkasten fest. Auf dem Tisch brannte eine einzelne Kerze. Die einzige andere Lichtquelle war der Mond, der im Osten aufging.

«Nun?»

Hero sprach so leise, dass seine Worte kaum zu verstehen waren. «Als Ihr mich gefragt habt, warum Cosmas solche Mühen auf sich nehmen wollte, um Walter zu retten, habe ich Euch erzählt, er hätte aus Mitleid gehandelt und aus dem Wunsch heraus, England kennenzulernen. Das war nicht die ganze Wahrheit.»

Vallon erinnerte sich an seine Zweifel, was die Beweggründe des alten Mannes anging. Er legte einen Fuß auf das Fensterbrett. «Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir, und mir steht der Sinn nicht nach langen Fragen. Wenn du etwas zu beichten hast, dann tue es einfach.»

«Es stimmt, dass Cosmas nach der Katastrophe von Manzikert ins Lager des Sultans gegangen ist. Und es stimmt, dass er die Verhandlungen über die Bedingungen zur Freilassung einiger bedeutender Gefangener unterstützt hat, zu denen auch Kaiser Romanus gehörte. Während er mit diesen Verhandlungen beschäftigt war, erhielt er eine Nachricht von Sir Walter. Es war eine recht ungewöhnliche Botschaft, und sie erregte augenblicklich seine Neugier. Walter behauptete, Dokumente in seinem Besitz zu haben, die vom Herrscher eines fernen, christlichen Reiches stammten. Eines dieser Dokumente war ein Brief an den Kaiser von Byzanz, und er enthielt das Angebot einer Allianz gegen die Türken und Sarazenen.»

«Und wie war Walter in den Besitz dieses Briefes gelangt?»

«Während des Überfalls auf Armenien hatte er eine muslimische Stadt eingenommen. Der Statthalter hat ihm die Dokumente im Tausch für sein Leben gegeben. Der Statthalter selbst hatte sie an sich gebracht, als seine Truppen eine Karawane aus dem Osten abfingen. Cosmas wusste, wie wichtig solch eine Allianz sein konnte. Er glaubte, dass die Niederlage bei Manzikert zu einem Heiligen Krieg führen würde. Also ging er in das Lager, in dem Walter festgehalten wurde. Der Normanne zeigte ihm die Dokumente und bot sie ihm im Austausch für seine Freilassung an. Cosmas überzeugte Walter davon, ihm die ersten paar Seiten des Briefes zu überlassen, auf denen der Herrscher die Allianz anbietet und die Herrlichkeiten seines fernen Reiches beschreibt. Von dem Rest des Briefes – in dem erklärt wird, welchen Weg eine Gesandtschaft nehmen muss, um sein Land zu erreichen – und dem anderen Dokument wollte sich Walter nicht trennen. Er sagte, er würde sie herausgeben, sobald ihn Cosmas freigekauft hätte.»

«Für ein königliches Lösegeld.»

«Das war der erste Rückschlag. Der Emir verstand nicht, warum Cosmas einen recht unbedeutenden Söldner befreien wollte, also hat er seine Forderung aus Bosheit oder Misstrauen unglaublich hoch geschraubt.»

«Sprich weiter.»

«Cosmas hatte vor, den Patriarchen von Konstantinopel zur Bezahlung des Lösegeldes zu überreden, doch noch bevor er in der Hauptstadt anlangte, musste er feststellen, dass der eben zurückgekehrte Kaiser von seinem Neffen entmachtet worden war.»

«Der Verräter, der die Niederlage von Manzikert herbeigeführt hatte.»

«Ja, Herr. Cosmas wusste als einer von Romanos’ Beratern, dass auch sein eigenes Leben in Gefahr war. Also ist er nach Italien geflüchtet.» Heros Stimme erstarb.

«Setz dich», sagte Vallon. Er wartete. «Also, wir sind in Italien. Was geschah dann?»

«Er hat seinen alten Freund Konstantin besucht. Damals wurde ich zu seinem Begleiter bestimmt, aber ich schwöre, dass ich zu diesem Zeitpunkt nichts von den Dokumenten wusste. Sie haben mir nur gesagt, dass wir in einer sehr wichtigen Angelegenheit nach England reisen würden. Als wir Rom verließen, zeigten sich bei Cosmas schon die ersten Anzeichen seiner tödlichen Krankheit. Ich drängte ihn zur Umkehr, doch er wollte die Reise nicht abbrechen. Diese Mission war zur Besessenheit geworden.»

«Und wann hat er dich ins Vertrauen gezogen?»

«Erst in der Sturmnacht, in der Ihr uns in der Hütte gefunden habt. Und bevor er starb, hat er mir den Brief gegeben.»

«Hast du ihn noch?»