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Auch Vallon erhob sich und legte Snorri den Arm um die Schultern. «Ich brauche deine Antwort heute Abend. Morgen will ich, dass du nach Norwich gehst und das Material für die Reparatur kaufst. Du kannst doch jetzt einen kleinen Spaziergang machen und dir alles überlegen.»

Snorri verschwand in der Dunkelheit. Sie hörten, wie er anfing, Selbstgespräche zu führen.

«Ich dachte, wir segeln nach Norwegen», sagte Richard.

«Der Plan hat sich geändert. Es ist jetzt April. Die Handelsflotte aus Island wird Norwegen erst im Spätsommer erreichen. Und es ist nicht sicher, dass sie Gerfalken dabeihaben, ganz zu schweigen von weißen. Aber selbst wenn, müssten wir ein Vermögen für sie bezahlen. Wir haben den ganzen Sommer vor uns. Wir können in aller Ruhe nach Island segeln. Wayland kann die Falken aus dem Nest holen oder die schönsten Exemplare einfangen. Sie werden uns keinen Penny kosten.»

Wayland nickte.

«Und noch eins. Drogo weiß, was wir vorhaben. Unsere Vergehen sind schwer genug, um inzwischen dem König vorgetragen worden zu sein. England muss irgendwelche politischen Beziehungen mit Norwegen unterhalten. Ich will mir nicht die nächsten vier Monate Sorgen darüber machen, dass ich verhaftet werden könnte. In Island sind wir für die Normannen außer Reichweite.»

«Klingt sinnvoll», sagte Raul.

«Ich will mit Snorri nirgendwo hinsegeln», sagte Richard. «Er hat ein ekelhaftes Benehmen, mir wird schon beim bloßen Gedanken daran schlecht.»

«Sch», kam es von Wayland. «Da kommt er.»

Snorri baute sich vor Vallon auf. «Hauptmann, ich hab hin und her überlegt, und ich fahr nich nach Island. Sechs Jahre bin ich jetzt weg, un ich träume jeden Tag von zu Hause. Ich sag Euch, was ich mache. Ich bringe Euch für zwanzig Pfund zu den Orkney-Inseln. Das sin norwegische Inseln, Hauptmann, die liegen kurz vor der schottischen Nordküste. Da könnt Ihr Euch ein Schiff nach Island nehmen.»

«Wie viele Tage dauert die Überfahrt?»

«Hängt vom Wind ab. Wenigstens eine Woche und noch mal so lange, bis Ihr in Island seid.»

«Zwanzig Pfund für eine Woche Überfahrt? Du bekommst schon zwölf Pfund für die Reparatur. Ich bezahle dir noch fünf Pfund.»

«Nein, nein. Es ist mein Schiff, und ich lege das Fahrgeld fest.»

«Du findest aber keine anderen Passagiere für diesen alten Trümmerhaufen.»

«Genau, und Ihr findet kein anderes Schiff. Ihr könnt’s Euch gar nicht leisten zu verhandeln.»

«Ich verhandle nicht. Dein Schiff ist unsere einzige Möglichkeit, hier wegzukommen, und ich lasse nicht zu, dass du uns mit deiner Geldgier im Weg stehst.»

«Zieht ihm eins über den Schädel, und versenkt ihn im Moor», sagte Raul.

«Halt du dich zurück», schnauzte Snorri Raul an. «Ich hab nich gesagt, dass ich nich über den Preis mit mir reden lass. Was sagt Ihr zu fünfzehn Pfund?», wandte er sich wieder an Vallon.

Vallon schwieg.

«Zwölf?»

«Sieben, und ich gebe noch die Heuer für die Mannschaft dazu. Das ist mein letztes Wort.»

Snorri verzog das Gesicht. «Ihr verhandelt hart. Wie viele von euch sind Seeleute?»

Nur Raul hob die Hand.

«Ist das alles? In der Gegend hier gibt’s keine Männer mit Erfahrung auf dem offenen Meer.»

«Du bist der Schiffsmeister. Die Mannschaft zu finden ist deine Angelegenheit.»

«Kann sein, dass ich ein paar Männer in Humberside kriege. Aber bis dorthin müssen wir auch erst mal kommen.»

«Das schaffen wir schon. Wayland ist stark und sehr geschickt. Und für Richard und Hero finden wir auch eine Aufgabe.»

Snorri scharrte mit dem Fuß auf dem Boden. Dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. «Also, die Herren, morgen geht’s früh los, und ich geh jetzt erst mal schlafen.» Damit verschwand er in seiner Hütte.

«Es ist eine Belohnung auf uns ausgesetzt», sagte Richard. «Traut Ihr ihm?»

«Nein, aber ich glaube, er braucht noch eine Weile, bis er einen Plan ausgebrütet hat. Raul, du gehst morgen mit ihm zur Küste und behältst ihn im Auge. Du wechselst dich mit Wayland ab.»

Mit dem Abend war es kühl geworden. Ein schneidender Ostwind fuhr durchs Schilf. Raul legte noch ein Stück Treibholz aufs Feuer. Alle betrachteten gedankenversunken die im Wind zuckenden Flammen. Hero überlief ein Schauer, der nichts mit der Kälte zu tun hatte.

«Du hast ja Gänsehaut.»

«Ich habe an die Überfahrt gedacht. Wir werden tagelang kein Land sehen.»

Raul nagte an einem Knochen. «Es ist gar nicht so schlimm, wenn man das Kotzen erst mal hinter sich hat.»

Vallon stocherte mit einem Zweig im Feuer herum. Der Wind trug Funken davon. «Wo bist du gesegelt?»

«Auf einem baltischen Sklavenschiff.»

«Bist du auch einmal in Russland an Land gegangen?»

«Wir haben ein paarmal das Küstenland überfallen. Da wohnen lauter Heiden. Ziehen einem bei lebendigem Leib die Haut ab, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen.»

Richard setzte sich empört auf. «Heiden oder nicht, der Sklavenhandel ist ein unwürdiges Geschäft.»

Raul sah ihn unter halbgeschlossenen Lidern heraus an. «Kann sein, lohnt sich aber.» Er deutete mit dem Knochen auf Vallon. «Wo wir gerade davon sprechen, Ihr habt nicht gesagt, was für uns dabei herausspringt.»

«Wir müssen sparsam mit dem Geld umgehen, wenn wir noch ein anderes Schiff mieten und Handelswaren kaufen wollen.» Vallon sah, dass sich Rauls Miene verdüsterte. «Von jedem Gewinn, den wir machen, bekommen du und Wayland ein Zehntel.»

Raul verschluckte sich. «Ihr sagt also, ich und Wayland bekommen ein Zehntel.»

«Jeder von euch. Wenn ihr all die Risiken auf euch nehmt, verdient ihr auch einen ordentlichen Anteil am Gewinn.»

Raul sah Wayland überrascht an.

«Und warum hast du damit aufgehört?», fragte ihn der Falkner.

«Womit aufgehört?»

«Mit dem Sklavenhandel.»

Raul warf den Knochen ins Feuer. «Wir haben Schiffbruch erlitten. Deshalb.»

Snorri brach beim Hellwerden auf und verkündete, in drei Tagen sei er zurück. Vallon und Hero begannen Weidenruten und Binsen zu schneiden, um einen Unterschlupf zu bauen, während sich Wayland daranmachte, das Schilf an dem Wasserlauf abzumähen. Am späteren Vormittag ruderten vier Männer aus den Marschen auf die Insel zu, die zwei Boote mit Wasserfässern und Feuerholz im Schlepp hatten. Die Männer stiegen mit Schaufeln, Hippen und Hacken aus ihrem Boot. Sie grinsten scheu, vermieden es, irgendwem direkt in die Augen zu sehen, und wirkten wenig beeindruckt von der Knochenarbeit, die Vallon von ihnen verlangte.

Um die Mittagszeit nahm Wayland eines der übrigen Boote und machte sich auf den Weg, um Raul abzulösen. Er fand den Deutschen beim Wasserlauf, wo er im Dünengras saß und einen Messergriff schnitzte.

Wayland teilte mit ihm Brot und Käse. Raul schälte eine Zwiebel und aß sie, als wäre sie ein Apfel. Die ersten Schwalben waren zurückgekehrt und jagten übers Wasser. Eine Schar Kormorane zog Richtung Norden auf eine Wolkenbank zu. Es wehte ein frischer Ostwind, doch die Wolken schienen nicht näher zu kommen.

«Island», sagte Raul. «Ein langer Weg, um an ein paar Falken zu kommen.»

«An weiße, die nur Könige und Kaiser halten dürfen.»

«Dass es die überhaupt gibt, glaube ich erst, wenn ich einen sehe.»

Raul hob seine Armbrust und legte auf eine Robbe an, die sich im seichten Wasser sonnte. Wayland legte eine Hand auf die Waffe. Raul senkte die Armbrust. «Wenn du es bis nach Miklagard schaffst, was machst du dann mit deinem Anteil?»

Wayland zuckte mit den Schultern. Reichtum bedeutete ihm nichts. Seine Familie hatte im tiefsten Wald ebenso gut gelebt wie irgendein großer Herr auf seiner Burg. Alles, was er brauchte, konnte er kostenlos bekommen oder eintauschen.

«Wär keine schlechte Wahl, zu den Warägern zu gehen, wie Vallon.»