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Mit einem dumpfen Surren schnellte der Bolzen aus Rauls Armbrust. Vallon hob sein Schwert. «Tu … was … ich … sage.»

Snorri schüttelte die Faust. «Ihr zahlt mir jeden Schaden.»

Vallon hastete zum Bug zurück. Raul zog ein Gesicht. Er hatte vorbeigeschossen.

Langsam wurden die Gesichtszüge der Gegner erkennbar. Ein Offizier hatte die Hälfte der Soldaten an die Ruder geschickt. Im Bug drängten sich ein halbes Dutzend Speermänner, die versuchten, sich genügend Platz zu verschaffen. Die Übrigen standen an den Längsseiten des Bootes, schlugen ihre Schwerter an die rautenförmigen Schilde und schrien im Rhythmus: «Dex aie. Dex aie.»

In einer einzigen flüssigen Bewegung hob Wayland den Bogen, spannte und ließ den Pfeil abschnellen. Vallon sah dem Pfeil nach, der in einem Bogen in die Höhe schoss, verlor ihn aus den Augen, als er niederging, und hörte dann den Schrei des Mannes, der getroffen worden war.

«Zufall», sagte Raul, der seine Waffe nachlud. Wayland hatte schon den nächsten Pfeil eingelegt und zielte.

Das Fischerboot war nun keine hundert Schritt mehr entfernt, und den Normannen war klargeworden, dass die Shearwater auf Kollisionskurs fuhr. Ihre zahlenmäßige Überlegenheit schien nun nicht mehr so schlagend, als sie ein viermal so schweres Schiff auf sich zuhalten sahen. Ihre Kriegsrufe erstarben. Einige der Männer ihm Bug suchten mit ihren Blicken rechts und links nach einem Fluchtweg.

«Steuerbord halt!», rief der Offizier.

«Zu spät», murmelte Vallon, als das Fischerboot begann, über die Backbordseite herumzuschwingen. Die merkwürdige Stille, die einem Kampf vorausgeht, legte sich über die Männer. Sie ist merkwürdig, weil sie ganz gewöhnliche Geräusche umso lauter erscheinen lässt – das Kreischen der Möwen, das Gurgeln des Wassers unter dem Bug, das Knarren des Segels.

«Nach den Speeren zum Entern bereit machen.»

Raul drückte den Schaft seiner Armbrust gegen die Schulter und löste einen Bolzen aus, der einen der Soldaten um die eigene Achse wirbeln ließ.

Der Kurswechsel und die tödlichen Pfeile hatten Unruhe unter den Speermännern gestiftet, und nur vier schleuderten ihre Lanzen. Doch sie konnten weder genau zielen, noch hatten sie sicheren Stand, sodass die drei Männer auf dem Vordeck der Shearwater den Lanzen leicht ausweichen konnten. «Wappnet euch für den Aufprall», sagte Vallon.

Der Vordersteven der Shearwater prallte auf das Boot, schlug knapp hinter dem Bug ein Loch hinein und schor ein paar Ruder ab. Männer stürzten. Stage rissen knallend, und der Mast legte sich schräg. Von dem halben Dutzend Normannen, die sich aufs Entern vorbereitet hatten, schafften es nur zwei, die anderen wurden weggestoßen oder waren zu kurz gesprungen. Wayland traf einen der Enterer mitten im Sprung mit einem Pfeil. Raul stürzte sich auf den anderen, hob ihn hoch, als wäre er eine Strohpuppe, und warf ihn über Bord.

«Hinter Euch!», schrie er unmittelbar darauf.

Vallon fuhr herum und sah einen weiteren Soldaten an Deck klettern. Bevor Vallon ihn erreicht hatte, war er bereits auf den Füßen. «Zu mir!», rief der Soldat, machte einen Schritt vorwärts und erstarrte, weil ihn ein Speer seines eigenen Kameraden durchbohrt hatte. Vallon fing ihn unwillkürlich auf, als er weitertaumelte, und die beiden sahen sich einen Moment lang wie Liebende in die Augen.

«Tapferer Kerl», sagte Vallon, dann schob er den Toten aus dem Weg.

Der Zusammenprall hatte der Shearwater kaum etwas von ihrer Fahrtgeschwindigkeit genommen. Vallon sah eine Reihe wutverzerrter Gesichter an sich vorbeiziehen. Ein weiterer Speer verfehlte ihn. In seiner Wut schleuderte einer der Soldaten sein Schwert in wirbelndem Flug auf die Shearwater.

Dann hatten sie das Boot hinter sich gelassen, schon leckten die Wellen darüber, und die Soldaten, die zu ertrinken fürchteten, stießen entsetzte Schreie aus.

«Irgendwer verletzt?», rief Vallon. «Hero? Richard?»

Die beiden stiegen aus dem Laderaum und schlugen sich die Hände vor den Mund, als sie die beiden Toten sahen. Vallon drehte sich zu Raul um. «Wirf die Männer über die Reling.»

Dann ging Vallon ins Heck und hielt sich mit beiden Händen am Achtersteven fest. Das Fischerboot lag auf der Seite, und die Normannen klammerten sich daran fest. Die Brise hatte inzwischen den Nebel vertrieben, und Vallon sah das Schiff, das an ihnen vorbeigefahren war, wieder Richtung Meer steuern.

Als er sich umdrehte, begegnete er Heros entsetztem Blick. Vallon schob sein Schwert in die Scheide. «Ich habe dich weggeschickt, weil ich dir solche Anblicke ersparen wollte.» Er ging an Hero vorbei und blieb erneut stehen. «Wenn es eine Vorsehung gibt, die sich um Ratten kümmert, warum sollte sie es dann mit uns nicht auch gut meinen?»

Langsam versank der Sonnenball hinter dem Land. Das normannische Schiff hatte gehalten, um die Überlebenden aus dem Fischerboot aufzunehmen. Snorri kletterte eilig aus dem Laderaum. «Ich hab Euch ja gesagt, dass Euer Wahnsinn unser Untergang sein wird. Wir haben Risse in den Planken. Wir ziehen Wasser. Gleich sinken wir.»

Vallon deutete müde auf Raul. «Sieh es dir mal an.»

Raul spuckte bedächtig aus. «Ich schätze, ich bin gestorben, ohne dass es mir jemand gesagt hat, und jetzt muss ich mir meinen Weg durch die Hölle suchen.»

«Selbst der Kerl dort unten würde dich nicht haben wollen.»

Raul grinste, als hätte ihm Vallon ein Kompliment gemacht.

Mit Vallon am Ruder segelte die Shearwater weiter. Er achtete genau auf die übrigen Schiffe, die etwas südwärts fuhren. Es waren fünf, sie hielten sich auf Parallelkurs mit der Shearwater und unternahmen keinen Versuch, näher heranzukommen. Sie hatten vor, die Mündung des Wash zu blockieren, an der die Ausfahrt ins offene Meer von Sandbänken verengt wurde. Wenn die Normannen zuerst dort ankamen und mit ihren Schiffen eine Sperrkette errichteten, würde die Shearwater zwischen den Schiffen durch eine Lücke fahren müssen, die höchstens eine halbe Meile breit wäre. Langsam wurde der Himmel grau, und der Abend zog herauf. Das Meer verwandelte sich in eine schwarze Fläche, und die feindlichen Schiffe waren nicht mehr zu erkennen. Am Himmel glänzten die ersten Sterne. Es würde nicht lange so dunkel bleiben. Bald würde der Mond aufgehen, dem nur noch eine Nacht zum Vollmond fehlte, und das Meer so hell erleuchten wie der Tag.

Vallon sah zu Wayland hinauf, der dreißig Fuß über dem Deck auf der Rah balancierte. «Siehst du sie noch?»

«Ja. Sie halten weiter Kurs.»

Snorri und Raul stiegen aus dem Laderaum. «Nur ein kleines Leck», sagte Raul. «Wir haben es gestopft. Das Mädchen achtet darauf, ob es dicht bleibt.»

Snorri nahm die Ruderpinne. Bald darauf schien sich im Osten ein unterirdisches Leuchten auszubreiten, und ein riesiger Mond ging auf, goldfarben zuerst, dann verblassend bis zur Farbe einer marmorierten Eierschale. Wie fahle Laternen waren die Normannenschiffe wieder auf dem Wasser zu erkennen.

«Schaffen wir es, als Erste an der Mündung zu sein?», fragte Vallon Snorri.

«Das wird verflucht eng.»

«Du hast gesagt, die Shearwater könnte jeden englischen Schlammfloh überholen.»

«Stimmt, aber sie haben eine offene Passage durch die Fahrrinne von Lynn, während wir um den Mare’s Tail herummüssen.»

«Ist das eine Sandbank?»

«Bei der Größe eher ne Insel. Drei Meilen lang un Richtung Süden geschwungen.»

«Das heißt, wir sind gezwungen, dichter an die normannische Flotte heranzufahren.»

Snorri lachte in sich hinein, wie immer, wenn er unter Anspannung stand. «Genau. Wir müssen ihnen direkt in den Weg fahren.»

Wayland blieb mit dem Auftrag, nach Sandbänken Ausschau zu halten, auf der Rah über Deck. Raul lud seine Armbrust nach. Er stellte sich dazu mit den Füßen auf die Bogenarme der Waffe, atmete tief ein, und spannte die Sehne in einem einzigen kräftigen Zug, der ihm die Adern unter der Haut hervortreten ließ. Einmal hatte er behauptet, er würde sie mit solcher Kraft spannen, dass er einen Bolzen glatt durch zwei gepanzerte Soldaten schießen konnte. Vallon bezweifelt das keineswegs. In einem untätigen Moment hatte er einmal versucht, die Sehne zu spannen, nur um festzustellen, dass er sie kaum einen Fingerbreit bewegen konnte. Seit sie zusammen aufgebrochen waren, führten Raul und Wayland einen Dauerstreit darüber, wer von ihnen die tödlichere Waffe besaß. Raul bestand darauf, dass die Armbrust genauer und durchschlagskräftiger war, während Wayland – falls er sich zu einer Antwort herabließ – betonte, dass er in der Zeit, in der Raul einen Bolzen loswurde, sechs Pfeile abschießen konnte.