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«Ich spreche nicht von den Tücken der See. Mit einer Frau auf einem Schiff voller Männer ist Unheil vorprogrammiert. Du weißt doch, wie sich Raul benimmt, wenn er betrunken ist.»

«Raul würde es nicht wagen, sie anzurühren.»

«Siehst du? Jetzt denkst du schon darüber nach, dass es ihn vielleicht reizen könnte.» Vallon lehnte sich an die Reling. «Wir werden noch mehr Männer aufs Schiff holen, und ich kann in meiner Situation nicht wählerisch sein. Ganz bestimmt stehen wir am Ende mit mehr als einem niederträchtigen Mann da. Ich habe schon erlebt, welcher Wahnsinn unter Soldaten um sich greift, wenn man eine Frau zu ihnen lässt. Und ich habe genügend Opfer dieses Wahnsinns beerdigt, Gott ist mein Zeuge.»

«Der Hund tötet jeden, der ihr zu nahe kommt.»

«Und damit willst du mich beruhigen?»

Wayland verfiel in Schweigen.

«Außerdem ist da noch Snorri», sagte Vallon.

Wayland sah ihn an. «Was ist mit ihm?»

«Tu nicht so, als gäbe es kein böses Blut zwischen ihm und dem Mädchen. Mir ist sein Aberglaube völlig gleichgültig, aber wir hängen von ihm ab.»

Wayland lächelte verächtlich. «Er wird uns betrügen, ob das Mädchen dabei ist oder nicht.»

Vallon kniff die Augen zusammen. «Was willst du damit sagen?»

«Er ist nicht mehr ganz klar im Kopf. Er redet mit sich selbst und merkt es nicht mal. Er hat vor, uns auszurauben.»

Vallon rutschte auf seiner Bank herum. «Um dieses Problem kümmere ich mich zu gegebener Zeit.» Dann wurde sein Tonfall härter. «Es ändert nichts. Das Mädchen geht.»

Wayland sah auf seine Füße hinunter. «Es tut mir leid.»

Wieder sanfter sagte Vallon: «Ich bin sicher, dass du nur Gutes im Sinn hattest, und zum Glück hat uns deine Unbesonnenheit nicht den Tod gebracht. Wenn wir das Mädchen an Land bringen, werden wir es ausreichend versorgen. Das Geld wird von deinem Anteil des Gewinns abgezogen. Das wird deine Strafe sein, und du musst zugeben, dass sie milder ist, als du es verdienst.»

Wayland sah Vallon an. «Ich meinte, es tut mir leid, dass ich nicht in Euren Diensten bleiben kann.»

«Erzähl mir nicht, dass du mit ihr gehen willst.»

«Ihr habt gesagt, ich kann weg, sobald die Segel gesetzt sind.»

Vallon deutete zur Küste hinüber. «Dieses Mädchen hat dir den Verstand geraubt. Du stammst nicht aus dieser Gegend. Hier erwarten dich nur Armut und der Tod. Du bist ein Vogelfreier, auf dessen Kopf ein Preis ausgesetzt wurde. Irgendwer wird dich verraten. Auch wenn du nicht an der Küste bleibst, hast du kein Land, um etwas anzubauen, und niemanden, der dich schützen kann. Im besten Fall endest du als Leibeigener hinter einem Pflug. Ist es wirklich das, was du willst?»

Wayland blitzte ihn an. «Ich finde einen Wald, in dem wir so gut leben wie nur irgendein Herr mit seiner Dame.»

«Unsinn. Als du in der Wildnis gelebt hast, warst du allein. Überleg dir einmal, was es wirklich bedeutet, dir ein Mädchen aufzubürden. Du bist erst … siebzehn … achtzehn? Viel zu jung, um dich zu binden.»

Darauf erwiderte Wayland nichts. Vallon hatte in einem heiseren Flüstern gesprochen, weil ihm klar war, dass Snorri versuchte, sie zu belauschen. «Unser Verhältnis war von Anfang an heikel. Du hast mir gegenüber nicht den angemessenen Respekt gezeigt. Ich spreche aus Erfahrung, nicht aus verletzter Eitelkeit. Jedes Vorhaben braucht einen Anführer. Von Anfang an hast du dich meinen Befehlen nur gefügt, wenn es dir gepasst hat. Ich hätte dich schon längst deiner eigenen Wege gehen lassen, wenn ich an dir nicht ein paar herausragende Eigenschaften entdeckt hätte. Du bist tapfer, einfallsreich und klug. Lerne, dich deinen Vorgesetzten unterzuordnen, und dir steht eine glänzende Zukunft offen.»

Wayland hielt den Blick gesenkt.

«Ich dachte, du willst Gerfalken fangen.»

Wayland hob den Kopf. «Das will ich auch. Deswegen bin ich mit Euch gekommen.»

«Dann vertu’ diese Gelegenheit nicht. Ein Mann kann nur einmal im Leben einen Traum wahr machen.»

Wayland antwortete mit erstickter Stimme. «Ich kann sie nicht aufgeben. Ich habe einen Schwur abgelegt.»

«Sie zu heiraten?»

«Das ist es nicht.»

«Was dann?»

Der Hund trabte über das Deck auf sie zu. Wayland gab ihm einen Klaps, und das Tier legte sich hin und fixierte Vallon mit seinem Blick. Vallon verschränkte die Arme.

«Das ist also dein letztes Wort. Wenn das Mädchen geht, gehst du auch.»

Wayland straffte sich. «Ja.»

Vallon stieß einen langgezogenen Seufzer aus und betrachtete die Silberspur, die der Mond aufs Wasser warf. Es war kein Land mehr in Sicht. Der Horizont war leer. Er rieb sich über die Stirn.

«Bring sie her.»

«Aber Ihr jagt ihr keine Angst ein!»

«Hol sie einfach.»

Als Wayland gegangen war, hielt sich Vallon vor Augen, wie tief er gesunken war. Noch zwei Jahre zuvor hatte er ganze Armeen kommandiert. Er hatte nur den Arm zu heben brauchen, um Schwadronen in Bewegung zu setzen. Er war an der Spitze seiner Truppen in Städte eingeritten, und die Einwohner hatten hinter geschlossenen Fensterläden vor ihm gezittert, weil sie wussten, dass er die Macht über Leben und Tod besaß. Er hatte Deserteure zum Tode verurteilt und Feiglinge zum Strick, ohne weiter darüber nachzudenken. Und nun musste er mit einem Bauern über sein Liebchen verhandeln.

Syth bewegte sich so leise, dass er sie nicht kommen hörte und erst aufsah, als ihr Schatten über ihn fiel. Sie war größer, als er gedacht hatte, gertenschlank, mit Katzenaugen, und sie hatte etwas seltsam Entrücktes an sich. Vallon war versucht, sie anzufassen, um zu prüfen, ob sie auch keine Erscheinung war.

«Du bist also die Taube, die meinen wilden Habicht weggelockt hat.»

Sie warf Wayland einen Blick zu.

«Wie heißt sie?»

«Syth.»

Vallon starrte aufs Meer hinaus. «Die Normannen wissen, dass wir noch in der Nähe sind. Sie werden an der gesamten Küste nach uns suchen. Wir können es noch mehrere Tage nicht riskieren, euch an Land zu setzen – Zeit genug für dich, um zur Vernunft zu kommen. Bis dahin muss sie sich das Haar abscheren und Männerkleidung tragen. Sie schläft allein und du hältst züchtigen Abstand zu ihr. Solange sie bei uns ist, soll sie ihren Unterhalt verdienen. Kann sie kochen und nähen? Hat sie sonst noch irgendwelche Fähigkeiten?»

Wayland übersetzte Vallons Bedingungen. Das Mädchen griff sich ins Haar.

«Sie wird keine Schwierigkeiten machen», sagte Wayland.

Vallon schickte sie mit einer Handbewegung fort. «Geht und nehmt euch etwas zu essen.»

Wayland zögerte. «Und was ist mit Euch, Herr?»

Vallon zog sich seinen Umhang enger um die Schultern. «Geht mir einfach aus den Augen.»

XVI

Hero tastete sich im Dunkeln vorsichtig bis zum Bug. Er hatte während der Nacht mehrere Male nach Vallon gesehen, Schafspelze und Decken über ihn gelegt, als der Wind auffrischte. Nun stand er vor dem formlosen Deckenhaufen und räusperte sich. Als der Franke davon nicht aufwachte, beugte er sich hinunter und rüttelte ihn vorsichtig an der Schulter.

Vallon richtete sich jäh auf.

«Erschreckt nicht, Herr. Ich bin’s nur. Ich habe Euch etwas Gemüsesuppe gebracht. Esst sie, solange sie noch warm ist.»

Vallon tastete stöhnend nach seinen Rippen. «Ich fühle mich wie gerädert.» Er aß einen Löffel aus der Suppenschale, sein Blick wanderte von links nach rechts. «Wie spät ist es?»

«Bald wird es hell. Wir sind die ganze Nacht ostwärts gesegelt.»

Vallon grunzte und aß weiter. «Das schmeckt besser als der Schweinefraß von Raul.»

«Das Mädchen hat sie gekocht. Anscheinend ist sie wieder ganz auf dem Damm. Sie ist ziemlich merkwürdig.»

Vallons Suppenlöffel erstarrte auf halben Weg zu seinem Mund. Dann zuckte er mit den Schultern und aß weiter. «Haben alle einen Schlafplatz gefunden?»