«Er kämpft nicht, weil er es nicht muss.»
«Sei still», zischte Wayland.
Lachlan wandte sich an seine Freunde. «Ich gebe euch ein Rätsel auf: Ein Hund, der tut, was man ihm sagt, ohne dass man es ihm sagt, und der nicht kämpft, weil er es nicht muss.»
Raul war rot geworden. «Der Hund tötet, was ihm in den Weg kommt. Er kämpft nicht. Er tötet einfach.»
Wayland stöhnte.
Lachlan strich sich übers Kinn. «Gilt das auch für Hunde?»
Raul zuckte mit den Schultern. «Ich habe noch keinen gesehen, der sich gegen ihn behaupten konnte.»
Lachlan grinste. «Hol Dormarth», sagte er, und Regan eilte hinaus. «Kennst du diesen Namen?», fragte er Wayland. «In der alten Religion von Irland ist Dormarth der Hund, der das Höllentor bewacht.»
Lachlan nahm eine Münze auf und ließ sie auf das Häufchen zurückfallen. «Mein Angebot steht noch. Tot ist dein Hund keinen Penny mehr wert.»
Der Atem bebte in Waylands Kehle. «Eurer auch nicht.»
Lachlan zog eine Augenbraue hoch. «Wenn du ihn so hochschätzt, wirst du auf den Ausgang des Kampfes wetten wollen.»
«Ich habe kein Geld zu verspielen.»
Lachlan lachte. «Setz doch dich selbst ein. Ein ansehnlicher Kerl wie du würde in Dublin einen ganzen Topf Silber einbringen.» Er streckte die Hand aus und tätschelte Waylands Wange.
Raul schob sich zwischen sie. «Welchen Wettkurs bietet Ihr an?»
«Passt dir drei zu eins?»
«Gemacht.»
Raul kramte die wenigen Münzen zusammen, die ihm nach seiner Prasserei vom Vorabend noch geblieben waren. Lachlan beäugte sie geringschätzig. Dann wandte er sich mit einer weitausholenden Geste an die Übrigen im Raum. «Kommt her und schließt eure Wetten ab.»
Ein paar Zechbrüder, die von der Größe von Waylands Hund beeindruckt waren, setzten ein paar Pennys auf ihn, doch Lachlans Ruf als Kenner von Kampfhunden war allgemein bekannt, und er musste den Wettkurs verdoppeln, bevor die Leute zu ihren Börsen griffen.
«Warum bist du denn so schlecht gelaunt?», murmelte Raul, der dicht neben Wayland stand. «Wir wären so oder so nicht aus der Sache herausgekommen, also können wir genauso gut ein bisschen Geld dabei verdienen.»
Wayland schob ihn von sich. «Mit dir bin ich fertig.»
Die Nachricht von dem Kampf hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und immer mehr Leute kamen in das Gasthaus. Lachlan befahl dem Wirt, er solle auf seine Kosten ein Fass anstechen, und die Stimmung im Raum wurde immer hitziger. Ein paar Huren, die einander untergehakt hatten, zogen durch die Menge wie verblühte Rosen. An der Tür erhob der Gastwirt einen Viertelpenny Eintritt, und sein Gehilfe legte Pennys auf einen Hackklotz, um sie mit einem Beil zu vierteln. Lachlan führte den Vorsitz über die Veranstaltung, empfing die Neuankömmlinge und ermunterte sie zum Wetten. Wayland legte seinem Hund zur Beruhigung die Hand auf den Rücken. Sowohl er als auch das Tier hassten Gedränge. Immer mehr Menschen schoben sich herein, bis nur noch der Platz frei war, den man für den Kampf geräumt hatte. Sogar auf dem Deckengebälk saßen Zuschauer. Auf dem Wetttisch häuften sich Münzen aus jedem Land Europas und weit entfernten Fürstentümern.
Lachlan kam zu Wayland herüber. «Leg deinen Hund an die Leine. Weißt du, wie man ihn aufstachelt?»
«Der Hund hat noch nie an der Leine gelegen, und Regeln kennt er nicht.»
«Wir spielen anständig. Wir lassen sie kämpfen, bis nur noch einer von ihnen aufrecht steht.»
«Wayland!»
Der Schrei war von der Eingangstür gekommen. Der Wirt und sein Gehilfe versuchten, die Tür vor immer weiteren hereindrängenden Gästen zuzuschieben. Wayland erhaschte einen Blick auf Syth, die in dem Gedränge ein ums andere Mal hochsprang.
«Hol Vallon!»
Lachlan hatte Wayland gehört und machte einen Schritt nach vorn, aber Syth war schon verschwunden, und der Gastwirt schob die Tür zu.
Erwartungsvollen Schweigen legte sich über den Raum. Waylands Hund hechelte gequält. «Lasst ein bisschen frische Luft herein», sagte Lachlan. Seine Anordnung wurde weitergegeben, bis einige Männer die Fensterläden aufstießen und in der großen Gaststube ein träger Luftzug spürbar wurde. In der Ferne grollte letzter Donner.
Wayland hörte ersticktes Knurren und scharrende Klauen.
«Macht die Tür auf», rief Regan von draußen. «Ich kann ihn kaum noch halten.»
Lachlan lächelte Wayland zu. «Aufmachen», rief er. «Macht Platz. Nehmt euch in Acht. Der da draußen ist nämlich bissig.»
Wayland und sein Hund wechselten einen Blick. Dann sprang die Tür auf, und die Leute rechts und links schraken zurück. Durch den Gang, den die Zuschauer gebildet hatten, raste ein blasses Muskelpaket und zog Regan hinter sich her, der sich vergebens mit den Fersen in den Boden stemmte. Alle zuckten vor dieser ungezähmten Wildheit zurück. Als sich Lachlan zum Kampfplatz umdrehte, verschwand Waylands Hund zwischen den verdutzten Zuschauern.
Noch während sie enttäuscht durcheinanderredeten, riss sich Dormarth los, raste im Kreis um den Kampfplatz inmitten der Zuschauer und winselte, als er den Geruch seines verschwundenen Gegners witterte. Wayland hatte solch grauenhaft auf Brutalität getrimmte Tiere noch nie ertragen können. Dieser Hund war niedriger als ein Mastiff, doch er trug über seinen gedrungenen Beinen und dem bulligen Nacken einen Schädel, der genauso groß war wie der seines eigenen Riesenhundes. Mit seinen hoch am Kopf sitzenden, schrägen Augen, den bis zum Knochen kupierten Ohren und den enormen Hauern, die in dem halb aufstehenden Maul zu sehen waren, erinnerte dieser Hund an ein Untier, das aus Tiefen heraufgestiegen war, in die niemals ein Sonnenstrahl dringt. Verdicktes Narbengewebe breitete sich wie ein Netz um seine Schnauze aus, und der zuckende, rattenartige Schwanz wirkte an diesem sehnigen Körper, als habe ihn jemand hinzugefügt, um einen obszönen Witz zu machen. Dormarth witterte an Wayland den Geruch des Hundes und rannte mit gefletschten Zähnen gegen seine Hüfte an. Wayland konnte Hunde genauso gut einschätzen wie andere Männer ihre besten Freunde, aber in diesem Tierschädel gab es nur eins zu ergründen – den irrsinnigen Trieb Dormarths, seinesgleichen zu töten.
Lachlan versetzte Dormarth einen Tritt, der einen anderen Hund verkrüppelt hätte, und ging zu Wayland. «Hast du deinem Hund befohlen, den Schwanz einzuziehen?»
«Ich habe Euch ja gesagt, dass er nicht kämpft.»
«Ruf ihn zurück.»
«Das werde ich nicht tun.»
«Euer Hund gewinnt durch Aufgabe des Gegners», sagte Raul mit einem vorwurfsvollen Seitenblick auf Wayland.
Lachlan stand mit gespreizten Beinen vor ihnen, die Hand am Schwertknauf. «Wir haben uns auf einen Wettkampf geeinigt, und du erfüllst deinen Part nicht. Ich habe noch nie über einen Vertragsbruch hinweggesehen.»
«Ich habe überhaupt nichts zugesagt.»
Lachlan stieg das Blut in die Wangen. Er wandte sich an die Zuschauer. «Was sagt ihr? Ihr habt bezahlt, um einen Kampf zu sehen. Wollt ihr etwas für euer Geld oder nicht?»
Die Leute brüllten und trommelten auf die Tische.
«Gib ihm dein Schwert», sagte Lachlan zu Regan. Wayland nahm es. Er hatte keine Wahl. Raul war inzwischen klar, wohin das alles führen würde, und mit erstarrter Miene sah er zu, wie sich die Katastrophe anbahnte, die er selbst ausgelöst hatte. Lachlan ging zur anderen Seite des Kreises und begann so heftig mit seinem Schwert herumzuwirbeln, dass die Zuschauer glaubten, es könne ihm jeden Augenblick aus der Hand fliegen. Wayland hörte ihr entsetztes Einatmen. Eine abendliche Brise strich durch die offenen Fenster herein. Er pfiff.
Als Lachlan Kampfstellung einnahm, breitete sich an einer Seite des dichtgedrängten Zuschauerrunds Unruhe aus. Zwei Männer in der ersten Reihe fielen um wie Kegel, und der Hund sprang an ihnen vorbei in den Kreis. Bevor noch allen klar wurde, was vor sich ging, hatte er sich schon auf Dormarth gestürzt und warf ihn um. Dormarth rollte ins Feuer, und zischend brannten sich die Kohlen in sein Fell, bevor er, nach versengtem Haar stinkend, wieder aufsprang. Sofort verbiss sich Waylands Hund in einen von Dormarths Vorderläufen und schleuderte ihn gegen den Tisch mit den Wetteinsätzen. Silbermünzen flogen durch den Raum. Dormarth setzte mit gekrümmtem Rücken zum Sprung an und versenkte seine Zähne in der linken Schulter des Hundes. Dort hing er wie ein grauenvoller Parasit, während sich Waylands Hund im Kreis drehte. Dormarth ließ los, und die Hunde verbissen sich in den Mäulern, wobei ihre Hauer mit einem hellen Geräusch aneinanderprallten. Der Hund stellte sich auf die Hinterbeine und zwang so auch Dormarth hoch, worauf sie in einer Art steifbeiniger Gavotte um den Kampfkreis liefen, bis der Hund den Vorteil seiner Größe nutzen und Dormarth hinabzwingen konnte. Dormarth gab die Schnauze des Hundes frei und versuchte, ihn an der Kehle zu packen, aber der Hund war schneller und kannte keine Regeln. Er drückte Dormarths Kopf zur Seite, schob sich mit seinem ganzen Körpergewicht nach und schlug seine Kiefer tief ins Fleisch über Dormarths Rückgrat. So hob er ihn wie einen Sack an und schleuderte ihn mit einem dumpfen Knall wieder auf den Boden, bei dem die Zuschauer unwillkürlich aufstöhnten. Wieder und wieder ließ der Hund seinen Gegner auf den Boden prallen, während Lachlan um die beiden kämpfenden Tiere herumtanzte.