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Die Shearwater segelte zwischen Landspitzen in ein weites Meeresbecken, das von weiteren Inseln umringt war. Die größte erstreckte sich über den gesamten Norden. «Horse Island», sagte Raul. «Kirkwall liegt auf der anderen Seite. David meint, wir brauchen noch den ganzen Tag, um uns um die Insel herumzuarbeiten.»

Vallon fühlte sich von den blitzenden Wellen und den Schiffsschwankungen etwas benommen. «Ich versuche ein bisschen Schlaf zu bekommen.»

Er rollte sich wie ein Hund zusammen und döste unter den Schreien der Möwen ein. Als er leicht tranig wieder aufwachte, fädelte sich die Shearwater gerade in eine Fahrrinne zwischen zwei Inseln ein. Delfine schossen pfeilschnell unter Wasser neben dem Schiff her. David und Raul standen im Bug, helle Aureolen bildeten sich jedes Mal hinter ihnen, wenn die Shearwater einen Wellenkamm durchbrach. Vallon trank eine Schöpfkelle Wasser und ging nach vorn.

Raul nickte zu der Insel auf der Backbordseite hin. «Sind fast da. Wir sind um Horse Island herum. Kirkwall liegt in einer Bucht am anderen Ende dieses Kanals. Aber denkt dran, Hauptmann, sobald wir an Land sind, kann Snorri bestimmen, wie es mit uns weitergeht.»

«Wir werden nicht in den Hafen einlaufen. Frag David, ob er einen Ankerplatz in der Nähe kennt – eine unbewohnte Insel wäre am besten.»

Vallon beobachtete Snorri, während Raul mit David sprach.

Dann kam Raul zurück. «Ein paar Meilen nördlich des Hafens gibt es eine kleine Insel. Früher haben sie dort Diebe und Hexen ausgesetzt. Jetzt sind nur noch Schafe dort.»

Vallon ging zu Snorri. «David kennt eine Insel, bei der wir heute Abend ankern können. Ich laufe nicht in Kirkwall ein, solange ich nicht weiß, mit was für einem Empfang wir dort rechnen müssen. Du kannst an Land gehen, wenn du willst.»

«Ihr haltet mich wohl für einen Schwachkopf. Sobald ich von Bord bin, sucht ihr das Weite.»

«Snorri, wenn ich dein Schiff stehlen wollte, hätte ich nicht gewartet, bis mir deine Landsleute dabei zusehen können. Übrigens geht David. Wir werden ohne Lotsen niemals nach Island finden.»

Eine Gestalt tauchte auf einer Klippe von Horse Island auf. Vallon sah, wie sich der Mann umdrehte und ein Signal landeinwärts gab.

«Thieves Holm», rief Raul. Sie waren an der Diebsinsel.

Die Insel bestand nur aus ein paar Morgen Land, das sich wenige Fuß über die Flutlinie hob und mit grobem Dünengras bewachsen war. Als sie darauf zufuhren, kam am Ende einer Richtung Süden gelegenen Bucht Kirkwall in Sicht. Vallon sah eine Kirche und weit auseinanderliegende Bauerngehöfte. Im Hafen ankerten ein paar Schiffe. Raul und Wayland begannen, das Segel herunterzulassen. Seehunde zogen sich ins Wasser, und eine Herde verwilderter Schafe, die Tang gefressen hatte, sprang davon. David ließ den Anker fallen, und sie ruderten ans Ufer. Vallon ging an Land und stellte fest, dass ihm seine Füße nicht gehorchten und in Luft traten, statt fest auf dem Boden aufzukommen. Er fiel hin. Die Übrigen sammelten sich um ihn. Nur Snorri war an Bord der Shearwater geblieben.

Vallon beobachtete ihn dabei, wie er sie beobachtete. «Raul, ich will, dass David mit Snorri an Land geht und ihm heimlich folgt. Ich will wissen, mit wem er sich trifft und ob er sich bemüht, ein Schiff für uns zu suchen.» Vallon tastete unter seinem Kittel herum und zog einen Beutel hervor. «Das ist doppelt so viel, wie wir ausgeben wollen.»

«Segelboot von Kirkwall kommend», sagte Wayland.

Vallon sah dem Boot entgegen. «Neun Männer an Bord. Für ein Fischerboot sind das zu viele.»

«David meint, es ist der Hafenmeister», sagte Raul.

«Alle zurück aufs Schiff.»

«Und was, wenn sie versuchen, uns zu verhaften?», sagte Raul.

«Da wären sie mit einem größeren Schiff gekommen, glaube ich. Haltet eure Waffen bereit, aber lasst sie nicht sehen, bevor ich es sage.»

Das Boot kämpfte sich gegen Rückstrudel voran. Die gesamte Besatzung war bewaffnet. Im Bug stand ein Mann mit kantigem Gesicht und einem Backenbart. David rief ihm einen Gruß zu, und der Mann riss erstaunt die Augen auf.

«Er heißt Sweyn», sagte Raul. «Markiert gern den starken Mann.»

Der Hafenmeister rief Fragen herüber. «Sag ihm, er soll uns nicht näher kommen», sagte Vallon.

David rief etwas. Das Boot kam dennoch näher.

Vallon zog sein Schwert. «Ich meine es ernst. Niemand kommt ohne meine Erlaubnis an Bord. Raul, zeig ihnen mal deine Armbrust.»

Beim Anblick der Waffen scherten die Norweger aus und hielten sich in der Strömung. Der Hafenmeister schüttelte drohend die Faust und rief etwas. David sah Vallon erschreckt an.

«Es ist keine gute Idee, den Hafenmeister zu beleidigen», sagte Raul.

«Wir sind nicht in seinem Hafen, und ich entscheide, wer auf dieses Schiff kommt. Sag ihm, er soll an der Insel ankern, dann lassen wir ihn und zwei seiner Männer an Bord. Erklär ihm, dass ich ein verrückter Ausländer bin und Fremden nicht vertraue. Wenn er nicht einverstanden ist, holen wir den Anker ein und sind weg.»

Snorri schrie wütend auf, als er dieses Ultimatum hörte und unterstützte David, indem er dem Hafenmeister zurief, dass ihm das Schiff gehöre, dass er Verwandte in Orkney habe und dass er sich für die friedlichen Absichten seiner Mitfahrer verbürgen könne. So ging es hin und her, bis der Hafenmeister nicht länger streiten wollte und seiner Mannschaft befahl, ihn und zwei Wachen an Land zu bringen. Dort holten Wayland und Garrick sie mit dem Beiboot ab.

Sweyns grimmiger Blick ließ vermuten, dass er Vallon am liebsten gevierteilt hätte. Während Raul ihm ihr Reisevorhaben erklärte, ließ er seinen Blick über das Schiff und seine Besatzung schweifen und betrachtete die Ladung. Bevor Raul fertig war, ging er wieder zur Reling und winkte die Mannschaft der Shearwater hinter sich her.

«Er gibt uns Anweisung, in den Hafen zu kommen», sagte Raul.

«Ich gehe nirgends hin. David und Snorri sind die Einzigen, die gehen.»

Erneut folgte ein hitziger Wortwechsel, bis der Hafenmeister schließlich aufgab. Dann schnippte er unter Vallons Nase mit den Fingern.

«Wir müssen trotzdem die Hafengebühren entrichten», sagte Raul. «Am besten zahlt Ihr sofort.»

Vallon spielte den Erbosten, bevor er sich von dem Geld trennte. Sweyn steckte es ein und stieg mit David ins Beiboot. Snorri zögerte.

«Wir können ohne Lotsen nirgendwohin», erinnerte ihn Vallon.

Snorri ging, und das Segelboot kehrte zum Hafen zurück. Es war Abend geworden, die Inseln lagen schwarz unter der sinkenden Sonne.

Raul legte seine Armbrust weg und rollte mit den Schultern. «Wir haben uns hier keine Freunde gemacht. Wir sollten Wache halten.»

Die schweren Wolken hingen niedrig am Morgenhimmel. Böen von Westen ließen die Shearwater um ihre Verankerung herumtanzen. Einige Fischer warfen im Schutz der Bucht von Kirkwall ihre Netze aus. Im Lauf des Vormittags nahm der Wind zu.

«Was ist, wenn David nicht zurückkommt?», fragte Raul.

«Dann segeln wir ohne ihn ab. Wir können uns auf den Färöern einen anderen Lotsen suchen oder auf einen Schiffsverband aus Norwegen warten.»

«Hauptmann, diese Färöer sind nicht mehr als ein Fliegenschiss im Ozean.»

«David hat dir doch bestimmt den Segelkurs erklärt.»

«Oh, klar. Von einer Insel zur anderen bis rauf zu den Shetlands, dann Richtung Nordwest, wobei der Vordersteven eine Handbreit links vom Polarstern gehalten werden muss. Am Tag darauf muss im Wasser nach einer helleren Strömung Ausschau gehalten werden, und wieder einen Tag darauf geht es in Richtung eines Luftschlosses, aber man muss trotzdem ständig darauf achten, ob Seegras nach Süden getrieben wird … Hauptmann, diese Zeichen zu lernen ist eine Lebensaufgabe. Sogar mit erfahrenen Seeleuten schaffen es nicht einmal die Hälfte der Schiffe bis nach Island. Die meisten kehren um. Von den übrigen hört man nie wieder etwas.»