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Und das kam so. Ahimaaz saß im »Sibir«, einer Schenke, von der es hieß, daß hier die etwas besser betuchten Halsabschneider und Berufsbettler zusammenkamen; er fand ins Gespräch mit einem Strauchdieb, von dem er sich etwas versprach. Seine Augen schauten mit dem fahrigen Blick, wie ihn nur Diebe und Hehler an sich haben. Ahimaaz spendierte seinem Gesprächspartner den Fusel und mimte vor ihm den arglistigen, nur leider etwas beschränkten Ladendiener in einer Galanteriewarenhandlung auf der Twerskaja. Als er die Rede darauf brachte, daß der Ladeninhaber haufenweise Geld im Tresor liegen habe - es brauche nur einen kundigen Mann, der einem zeige, wie man das Schloß aufkriegt, dann ließen sich locker zwei, drei Hunderter pro Woche abzweigen, und keiner bekomme es mit -, da fingen die Augen des Schnorrers an seinem Tisch zu blitzen an: Hier schien ihm ein Fisch von selbst ins Netz zu hüpfen.

»Das ist ein Fall für Mischa«, sagte der Experte überzeugt. »Der macht dir das akkurat.«

Ahimaaz tat, als zweifelte er.

»Hat der Mann denn Ahnung? Kein Pfuscher?«

Der Typ sah ihn verächtlich an.

»Wer soll ein Pfuscher sein? Der Kleine Mischa? Eher bist du selber einer! Paß auf, Bruder, komm einfach heute abend in der >Galeere< vorbei, da sitzen dem Mischa seine Jungs und zechen. Ich geh schon mal hin und geb Bescheid. Dann können sie dich ordentlich empfangen.«

Und die Augen des Lumpenkerls blitzten in heller Vorfreude auf eine satte Provision - dafür, daß er dem Kleinen Mischa einen Sonntagsbraten vor die Nase setzte.

Gegen Abend kehrte Ahimaaz in die »Galeere« ein. Nicht mehr Ladendiener, sondern blinder Bettelmann: in Lumpen gehüllt, mit Bastschuhen an den Füßen und grauem Star. Er hatte sich Häutchen aus Kalbsblase unter die Lider geschoben, durch die man alles wie im Nebel sah, doch der Eindruck war verblüffend echt. Ahimaaz wußte aus Erfahrung, daß Blinde nirgendwo Verdacht erregten, keiner beachtete sie. Wenn sie sich nicht rührten, wurden sie von ihrer Umgebung nach kurzer Zeit ganz übersehen.

Also rührte er sich nicht. Gab sich auch wenig Mühe, herumzuschauen, horchte um so genauer hin. Am anderen Ende des Raumes saß unverkennbar eine Handvoll

Banditen beisammen. Vielleicht waren es die aus Mischas Bande, doch ein auffällig schmaler, flinker war nicht dabei.

Als es hinter den trüben kleinen Kellerfensterscheiben dunkel wurde, ging es richtig los.

Auf die nach ihm eingetroffenen Gäste hatte Ahimaaz zunächst kaum geachtet. Erst kamen zwei: ein Trödler und ein krummbeiniger Kirgise im schmierigen Kittel. Kurz darauf noch ein Buckliger. Daß es sich um Kriminalpolizisten handeln könnte, wäre ihm nicht im Traum eingefallen. Die Moskauer Polizei arbeitete nicht schlecht, das mußte man ihr lassen. Und trotzdem waren die Ganoven den getarnten Detektiven irgendwie auf die Schliche gekommen.

Alles ging sehr schnell. Eben noch war es still und friedlich gewesen, im nächsten Moment lagen zwei - der Trödler und der Kirgise - leblos hingestreckt, der Bucklige hing ohnmächtig über dem Tisch, während einer der Banditen sich am Boden wälzte und unausgesetzt, mit gräßlicher, wie gekünstelt anmutender Stimme brüllte, er halte es nicht aus.

Bald darauf erschien der Mann, auf den Ahimaaz gewartet hatte. Ein Stutzer mit schnellen, eckigen Bewegungen, europäisch gekleidet, nur daß die Hosen in auf Hochglanz gewienerten Chromlederstiefeln steckten. Diesen Verbrechertyp kannte Ahimaaz gut, er gehörte für ihn in die Kategorie der »Frettchen«: kleine Räuber, die einem gefährlich werden konnten. Daß dieser Mischa in der Moskauer Unterwelt eine solche Autorität erlangt hatte, war indes erstaunlich. Aus »Frettchen« pflegten bestenfalls Provokateure und Doppelagenten zu werden.

Aber es würde sich bald herausstellen, was der hier für ein Bürschlein war.

Die toten Polizisten wurden nach nebenan bugsiert, auch den betäubten buckligen Alten schleifte man weg.

Mischa und seine tollkühne Bande nahmen wieder Platz und begannen zu tafeln.

Das Wimmern und Stöhnen des Mannes, der ihnen zu Füßen lag, hörte irgendwann auf, was jedoch keinen kümmerte. Erst nach einer halben Stunde fiel es den Banditen plötzlich ein, das Glas »auf den Seelenfrieden von Semjon Trumm« zu heben, der Kleine Mischa hielt mit dünner Stimme eine herzergreifende Rede, in der Ahimaaz jedes zweite Wort fremd war. Den Toten nannte der Redner ehrfürchtig einen »strammen Macker«, was bei den Umsitzenden einverständiges Kopfnicken hervorrief. Die Andacht währte indes nicht lange. Trumm wurde an den Beinen dorthin geschleift, wo schon die toten Polizisten lagen, und das Gelage nahm seinen Fortgang, als wäre nichts geschehen.

Ahimaaz spitzte die Ohren, damit ihm von den Gesprächen der Ganoven kein Wort entging. Er zweifelte immer weniger daran, daß außer Mischa keiner von der erbeuteten Million wußte. Anscheinend hatte er die Sache im Alleingang durchgezogen, ganz ohne die lieben Kameraden.

Aber nun hatte er ausgespielt. Es galt nur noch den geeigneten Moment für ein Gespräch unter vier Augen abzupassen.

Gegen Morgen, als die Schenke sich geleert hatte, stand Mischa plötzlich auf. »Genug Stroh gedroschen«, verkündete er lauthals. »Macht, was ihr wollt, ich kriech zur Fiska untern Rock. Aber vorher müssen wir uns noch mit dem Bullen abgeben.«

Grölend verzog sich die ganze Bande hinter den Tresen und von da in die Tiefen des Kellers.

Ahimaaz blickte sich um. Der Wirt schnarchte seit langem hinter einer Bretterwand, nur zwei Gäste saßen noch da, Mann und Weib, die sich bis zur Besinnungslosigkeit hatten vollaufen lassen. Der Moment war günstig.

Hinter dem Tresen lag ein finsterer Gang. In seiner Tiefe zeichnete sich ein schwach erhelltes Viereck auf dem Fußboden ab. Von dort waren gedämpfte Stimmen zu hören. Der Weinkeller?

Ahimaaz zog sich das Häutchen vom einen Auge. Vorsichtig spähte er hinab. Alle fünf Banditen waren unten.

Fünf waren zuviel. Er mußte noch warten, bis sie den falschen Buckligen erledigt hatten. Anschließend, wenn sie heraufgekrochen kamen, konnte er sie still und leise, einen nach dem anderen, umlegen.

Doch es kam anders.

Der Geheimpolizist erwies sich als fixes Bürschchen. Eine solch artistische Gewandtheit war Ahimaaz noch nicht begegnet. In Sekundenschnelle hatte der »Bucklige« die ganze Bande erledigt. Ohne aufzustehen, warf er erst den einen, dann den anderen Arm nach vorn, und zwei der Ganoven faßten sich an die Gurgel. Hatte er Messer nach ihnen geworfen, oder was? Den beiden anderen zertrümmerte der Polizist den Schädel mit einem besonders originellen Instrumentarium: Knüppel, die an Ketten hingen. Man traute seinen Augen nicht, wie einfach und wirkungsvoll. Noch mehr Respekt nötigte ihm ab, wie versiert der »Bucklige« den Kleinen Mischa verhörte. Ahimaaz erfuhr alles, was er wissen mußte. Er zog sich in den Schatten zurück. Dann folgte er dem Detektiv und seinem Gefangenen lautlos durch das dunkle Labyrinth.

Sie kamen vor eine Tür, die beiden traten ein, kurze Zeit später knallten drinnen Schüsse. Wer von beiden hatte getroffen? Ahimaaz glaubte nicht, daß es Mischa war. Und in diesem Fall war es nicht geraten, dem behenden Polizisten vor die Mündung zu laufen. Lieber lauerte er ihm auf dem Korridor auf... Nein, hier war es zu dunkel. Es konnte passieren, daß man nicht genau, nicht tödlich genau traf.

Ahimaaz kehrte in den Schankraum zurück und streckte sich auf einer Bank aus. Sekunden später tauchte der fleißige Geheimpolizist wieder auf, und was das Schönste war: Er hatte das Portefeuille dabei. Sollte Ahimaaz jetzt schießen, sollte er noch warten? Der »Bucklige« hielt den Revolver im Anschlag. Seine Reaktionsschnelligkeit hatte er unter Beweis gestellt, er würde auf die kleinste

Bewegung hin abdrücken. Ahimaaz kniff das von dem Häutchen befreite Auge zusammen. War das nicht der Herstal-Revolver von gestern? Stand vor ihm etwa jener »Krämer«, der bei Knabe aufgetaucht war?