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»Und wenn ich sie jetzt befrage?«

»Das würde nicht funktionieren. Um die Sterne zu befragen, muß man den genauen Zeitpunkt des Entstehens der Frage treffen. Das ist wie beim Erstellen eines Geburtshoroskops für einen Menschen. Das Horoskop muß für einen bestimmten Augenblick an einem bestimmten Ort erstellt werden, sonst ist es nutzlos. Damit meine ich nicht nur den genauen Tag, einen bestimmten Tag in einem bestimmten Jahr, sondern die genaue Tageszeit, denn die Sterne bewegen sich sehr rasch am Himmel. Was für einen Menschen richtig ist, kann für einen anderen, der am gleichen Ort nur zehn Minuten später zur Welt kam, schon falsch sein.«

»Das verstehe ich. Aber was willst du mir damit sagen?«

»Du hast dir diese Frage seit vielen Tagen schon gestellt. Wie soll ich den exakten Zeitpunkt feststellen, an dem deine Frage ursprünglich entstanden ist?«

Fidelma zog resigniert die Schultern hoch.

»Es ist so deprimierend, nur zu warten und die Dinge nicht lenken zu können.«

Conchobar nickte voller Mitgefühl.

»Du bist schon immer so furchtbar ungeduldig gewesen, Fidelma.« Er lächelte sanft. »Seit du das Licht der Welt erblickt hast, bist du ungeduldig gewesen. Ich war bei deiner Geburt dabei. Du bist zu früh gekommen, hast geschrien und gebrüllt, um Zuwendung zu erhalten. Du warst voller Ungeduld, auf die Welt zu kommen, zu lernen, was du lernen wolltest, du warst ungeduldig mit allen Menschen, die dir dumm und einfältig erschienen und die nicht so schnell waren wie du.«

»Heißt es nicht, daß Geduld die Tugend der Esel ist?« sagte Fidelma zynisch.

Conchobar kniff die Augen zusammen.

»Ich erinnere mich an einen großen Brehon, der einmal sagte, wer keine Geduld besitzt, der besitzt auch keine Weisheit. Dieser Brehon war ...«

Fidelma lächelte.

»Ich weiß. Das war mein eigener Mentor, Brehon Morann. Er mußte nie warten, hat sich nie nutzlos fühlen müssen, während das eigene Kind Gott weiß was für Gefahren ausgeliefert war.«

»Fidelma, es gibt auch das Sprichwort, wenn du Geduld hast, wird dich die Biene mit Honig versorgen. Heute ist nicht der Tag für voreilige Aktionen. Heute beherrscht nämlich An Bech den Himmel.«

Fidelma wußte, daß das irische Himmelszeichen der Biene von den Römern Skorpion genannt wurde.

»Warum?« fragte sie.

»Weil nicht nur die Sonne im Skorpion steht, sondern auch Mars, der Herrscher des Skorpion, so wie Venus und Jupiter. Beide gleichzeitig. Das könnte meiner Ansicht nach nachteilig sein, Fidelma. Bei deinem starken Temperament könntest du Entscheidungen treffen, die sich zum Guten aber auch zum Schlechten fügen könnten. Außerdem, und darauf mußt du besonders achtgeben, ist der Skorpion das Tierkreishaus des Todes.«

Fidelma erblaßte. Dann lächelte sie.

»Du sollst doch eigentlich Freude in mein Leben bringen, Conchobar.«

»Ich soll dir dabei helfen, die Wege zu gehen, die du gehen mußt, Fidelma. Anstatt hier mit einem alten Mann wie mir brandubh zu spielen, solltest du bei deinem Mann sein.«

Fidelma zog verstimmt die Nase kraus. Wieder blickte Bruder Conchobar sie nachdenklich an.

»Läuft zwischen dir und unserem sächsischen Freund etwas schief?«

»Ja, einiges, Conchobar.«

»Ich bin nicht dein anam chara, aber ...«

»Ich habe keine Seelenfreundin. Seit Liadin.«

»Wenn du einen Seelenfreund brauchst, so will ich gern deinen innersten Gedanken lauschen und meine Meinung dazu sagen.«

Fidelma sah auf das Spielbrett nieder. »Dieses Spiel ist ein Kinderspiel verglichen mit dem, was in meinem Kopf vorgeht, und ich kann keinen Schutz auf den Feldern finden, die das Spielbrett meines Lebens darstellen.«

Conchobar starrte sie einen Moment lang an.

»Es ist nicht einfach für Bruder Eadulf, nicht nur in einem fremden Land zu leben, sondern auch mit einer Prinzessin der Eoghanacht verheiratet zu sein.«

»Das war seine Entscheidung«, rechtfertigte sie sich.

Conchobar lächelte. »Und du hattest nichts damit zu tun?«

Auf seinen leicht sarkastischen Tonfall hin errötete sie.

»Ich habe versucht, ihn davon abzuhalten, habe versucht .«

Conchobars Lächeln wurde immer breiter.

»Ich verstehe. Du bist gegen deinen Willen überwältigt worden, und es gab nichts, was du hättest tun können?«

»Die Frist für unsere Probeehe ist bald abgelaufen. In den nächsten Wochen ist sie vorbei.«

»Und du hast vor, ihn dann zurückzuweisen? Das ist unter den gegebenen Umständen ziemlich unpassend, nicht wahr?«

Fidelma preßte die Lippen aufeinander und schwieg. Conchobar dachte so unglaublich logisch, genau wie sie.

»Abgesehen von Eadulfs Schwierigkeiten, sich diesem Leben anzupassen, welche Gefühle hast du? Erzähl mir nicht, daß du dich als Partnerin von ihm abgestoßen fühlst. Dafür kenne ich dich zu gut. In deinem Leben hast du nie etwas gemacht, was du nicht wolltest. Du bist diese Beziehung eingegangen, weil du es so wolltest, und nicht, weil Eadulf es wollte.«

Fidelma öffnete den Mund, schwieg dann aber lieber. Sie fragte sich, was sie wohl am besten darauf antworten konnte.

In diesem Moment flog die Tür auf, und ein Mönch trat ein. Er lief geradewegs auf Bruder Conchobar zu und bemerkte Fidelma nicht.

»Komm schnell, Bruder Apotheker«, rief er atemlos. »Du wirst sofort gebraucht.«

Fidelma erhob sich rasch.

»Was ist geschehen?« fragte sie mit Herzklopfen.

Der Mönch drehte sich um, jetzt erst entdeckte er sie.

»Schwester Fidelma! Es ist Bischof Petran. Ich glaube, er stirbt ... Wenn er nicht schon tot ist.«

Kapitel 11

Bischof Petran lebte nicht mehr. Er lag auf seinem Bett, seine Haut war blaß wie gestrafftes Pergament, seine Lippen schimmerten eigenartig blau. Bruder Conchobar konnte nur noch den Tod feststellen.

Im Raum befanden sich zwei Diener von Bischof Petran, junge Mönche, die offensichtlich zutiefst bekümmert über den Tod ihres alten Mentors waren. Von Neugier getrieben, hatte Fidelma Bruder Con-chobar zu den Gemächern des Bischofs begleitet. Tags zuvor war der Bischof noch bei bester Gesundheit gewesen, und seine Auseinandersetzung mit Eadulf hatte bewiesen, daß er wie stets geistig äußerst rege war. Sie wollte gerade Bruder Conchobar nach der Todesursache fragen, da öffnete sich auf einmal die Tür und Brehon Dathal, oberster Richter von Mu-man, betrat, gefolgt von Finguine, dem Tanist, den Raum.

Der Brehon sah sich dienstbeflissen um und runzelte verärgert die Stirn, als er Fidelma entdeckte.

»Ich werde die Untersuchung dieses Falls übernehmen, Fidelma«, verkündete er streng, als hätte sie sich mit ihm anlegen wollen.

Sie lächelte ein wenig. »Das kannst du sehr gern tun, Dathal, auch wenn noch gar keine offizielle Untersuchung angesetzt ist. Ich habe Bruder Conchobar nur zufällig hierher begleitet. Wir hatten gerade eine Partie brandubh gespielt, als er von einem dieser jungen Mönche hier zum Bischof gerufen wurde.«

Brehon Dathal wandte sich an Bruder Conchobar. »Wie ich sehe, ist Bischof Petran tot. Was war die Todesursache?«

Bruder Conchobar zog die Schultern hoch. »Das kann ich zur Zeit noch nicht sagen. Dazu muß ich ihn mir erst einmal genauer ansehen.«

Brehon Dathal blickte auf die Leiche hinunter.

»Blaue Lippen, blaue Lippen«, murmelte er. »Da ist doch sicher Gift im Spiel, oder?«

»Nicht unbedingt«, widersprach ihm der alte Apotheker.

»Meiner Erfahrung nach doch«, erwiderte der Richter bissig.

»Mir war gar nicht bewußt, daß du Arzt bist«, meinte Bruder Conchobar kühl.

Brehon Dathal beugte sich über die Leiche und schien Conchobars Einwurf nicht gehört zu haben. Bruder Conchobar räusperte sich laut, um sich bemerkbar zu machen.