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»Nimm hier Platz, es ist ein eisig kalter Tag, Bruder Eadulf. Ich schätze, daß du Sachse bist. Ich heiße Corb, und das ist meine Frau Corbnait. Was für eine Art Trank oder Salbe brauchst du, mein Freund?«

Eadulf betrachtete den Kräutersammler eine Weile. Dann blickte er zu der Frau mit dem Baby, die ihn lächelnd grüßte. Er entschied, nicht lange zu zögern, sondern gleich zu sagen, was er auf dem Herzen hatte.

»Es ist so, Corb. Ich suche dich und deine Frau. Ich bin euch aus Cashel gefolgt.«

Das Lächeln der Frau erstarb, besorgt schaute sie ihn an, und es schien, als drückte sie ihr Kind fester an die Brust.

»Wir haben nichts Schlimmes getan«, sagte sie prompt. Ihr Mann warf ihr ganz unverhohlen einen warnenden Blick zu.

»Das habe ich auch gar nicht behauptet«, antwortete Eadulf ruhig. »Gibt es irgendeinen Grund, warum ich das denken sollte?«

»Was willst du von uns?« fragte Corb ein wenig herausfordernd. »Bist du uns gefolgt, weil du ein Heilmittel brauchst?«

»Ihr seid aus Cashel gekommen«, stellte Eadulf fest.

»Wir stammen aus dem Königreich Laigin. Es ist richtig, daß wir durch Cashel kamen.«

»Wie ich sehe, habt ihr ein hübsches munteres Baby.«

Corbnait zwinkerte nervös mit den Augen.

»Gott hat es gut mit mir gemeint«, murmelte sie. »Ich bin mit einem Sohn beschenkt worden.«

Eadulf versuchte, einen gelassenen Ton anzuschlagen.

»Ist das euer einziges Kind?«

»Ja. Wir haben ihn Corbach genannt.« »Doch man hat euch unterwegs mit zwei Babys gesehen.« Eadulfs Stimme war plötzlich ein wenig scharf.

Die Frau stieß einen erschrockenen Laut aus und wurde ganz blaß.

»Wer sagt das?« fragte Corb abweisend.

Eadulf lächelte ihn an. »Komm schon, Kräutermann. Erinnerst du dich daran, durch Cashel gekommen zu sein?«

Corb zögerte. »Wir sind nicht durch Cashel gekommen.« Er betonte das Wort >durch<.

»Ob nun durch Cashel oder drumherum - das spielt jetzt keine Rolle. Erinnerst du dich daran, daß ihr ein Wirtshaus aufgesucht habt - Ferlogas Wirtshaus, südlich von Cashel?«

»Wenn du die Frau des Wirts befragst, würde sie dir sagen, daß wir nur ein Baby haben«, entgegnete der Kräutersammler.

»So ist es.« Eadulf hatte eine strengen Ton angeschlagen. »Deshalb bin ich euch ja auch den ganzen Weg hinterhergeritten. Als ihr in Ferlogas Wirtshaus wart, hattet ihr nur ein Baby. Es gibt aber Zeugen, die unterwegs gesehen haben, daß deine Frau zwei Babys im Arm hielt. Wie kam es dazu?« Er starrte den Kräutersammler und seine Frau mit fragender Miene an.

Corbnait war offensichtlich ganz verwirrt.

»Man kann uns nichts vorwerfen«, sagte sie plötzlich. »Wir wollten das Kind nicht haben.«

Eadulf seufzte tief. Dann lächelte er zufrieden.

»Ich glaube, ihr solltet mir endlich etwas erklären«, sagte er. »Wo habt ihr dieses >ungewollte< Kind aufgelesen?«

Corb setzte gerade an, ihm zu widersprechen, doch seine Frau schüttelte den Kopf.

»Der sächsische Bruder ist uns den ganzen Weg von Cashel bis hierher gefolgt, Corb. Wir müssen ihm die Wahrheit sagen.« Dann erzählte sie Eadulf: »Mein Mann Corb ist Kräutersammler. Wir sind arme Leute und leben von den Einnahmen aus dem Verkauf der Medizinen und Kräutermixturen. Vor einigen Jahren wurden mein Mann und ich von unserem Clan verstoßen. Du mußt wissen, wir haben uns heimlich davongemacht. Wir waren zu der Zeit beide mit anderen Partnern verheiratet, doch trotzdem liebten wir uns. Unsere Beziehung war eine verbotene, das Kind aus unserer Liebe wurde aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Deshalb ziehen wir durchs Land und verkaufen überall unsere Waren in der Hoffnung, uns einmal an einem Ort niederlassen zu können.«

Sie machte eine Pause. Ihr Mann nickte.

»Sprich bitte weiter«, sagte Eadulf. »Was geschah in Cashel?«

Nun ergriff Corb das Wort.

»Wir hatten vor, die Nacht im Wirtshaus zu verbringen, weil es sehr kalt war. In Ferlogas Wirtshaus. Die Wirtsfrau hätte uns auch bereitwillig aufgenommen, denn ich hatte ihr eine Salbe für ihr Bein gegeben, doch ihr Mann war sehr dagegen. Er wollte solche Leute wie uns nicht. Also verließen wir das Wirtshaus und fuhren weiter auf Cashel zu. Die Nacht war angebrochen. Wir stießen auf einen kleinen Pfad, der am Fluß entlangführte, und erreichten schließlich eine Lichtung, wo wir im Wagen übernachteten.«

»Ihr habt kein Feuer gemacht? Ist das nicht ungewöhnlich?« wollte Eadulf wissen.

»Vielleicht«, erwiderte Corb. »Aber ich wollte auf keinen Fall irgendwelche Leute anlocken. Manche wollen nichts mit Nichtseßhaften zu tun haben. Ich habe nicht mal die Pferde abgeschirrt, sondern ihnen nur eine Decke übergeworfen. Ich wollte nur ein, zwei Stündchen schlafen und dann nach Nordosten weiterziehen und einen Bogen um Cashel machen, um unerfreuliche Begegnungen zu vermeiden.

Es war kurz vor Mitternacht, als ich aufwachte. Der Himmel war klar, ich konnte den Mond und die Sterne sehen und wußte, daß die Nacht noch nicht weit fortgeschritten war. Etwas hatte mich aufgeweckt. Irgendwo heulte ein Hund.«

Seine Frau bestätigte das. »Der Hund hat auch mich geweckt. Dann hörte ich jemanden rufen.«

»Ich dachte, daß vielleicht jemand Hilfe brauchte«, fuhr Corb fort. »Also nahm ich meinen Stock und ließ meine Frau mit unserem Kleinen im Wagen zurück. Ich beschloß, den Weg zurückzugehen. Doch ich hörte nichts mehr, weder einen Hund noch einen Menschen. Etwa hundertfünfzig Meter vom Wagen entfernt vernahm ich zu meiner Rechten ein paar Laute. Ich blieb stehen. Da schrie ein Baby. Ehrlich gesagt, es schrie nicht richtig, es war eher eine Art Glucksen, wie es Babys eben so von sich geben, wenn sie sich wohl fühlen. Ich blickte mich um. Es schien niemand da zu sein, der Mond schien hell. Ich ging weiter und kurz darauf entdeckte ich ein leichtes Umhängetuch.«

Eadulf beugte sich vor. »Und?« fragte er rasch.

»Da lag es - ein ausgesetztes Baby.«

»Wie bist du darauf gekommen, daß es ausgesetzt war?«

Corb lachte laut auf. »Das Baby war allein, mitten im Wald. Niemand sonst war da. Und das schlimmste war, daß es so abseits vom Weg nach Cashel lag und von unserem Waldpfad. Wäre ich nicht aufgewacht und so beunruhigt gewesen, hätte ich das Kind nie entdeckt. Es wäre an Unterkühlung gestorben, oder an Schlimmerem ... Denn durch diese Wälder streifen Wölfe und andere wilde Tiere.«

»Was hast du dann gemacht?«

»Was blieb mir übrig? Ich nahm das Baby hoch und trug es zu meiner Frau. Es war gut genährt, seine Kleider verrieten, daß es aus wohlhabendem Haus stammen mußte. Ich hatte keine Ahnung, warum es ausgesetzt worden war. Das machte uns sehr besorgt. Sicher waren diejenigen, die zu so einem Verbrechen fähig waren, noch ganz in der Nähe. Wir beschlossen deshalb, sofort weiterzuziehen und unseren Weg um Cashel herum nach Norden fortzusetzen. Erst als der Morgen dämmerte, hielten wir wieder an und schliefen.«

»Und du meinst, daß dies alles vor Mitternacht geschah? Der bellende Hund, die Rufe und das Kind, das du dann fandest?«

»Ja.«

»Das Baby war hübsch und gesund«, fügte die Frau hinzu. »Wohl kaum sechs Monate alt, mit roten Haaren über der Stirn. Der Junge war in wollene Tücher gehüllt, die sehr kostbar waren.«

Auf einmal faßte sich der Kräutersammler ein Herz.

»Sachse, weshalb fragst du uns so ausführlich danach?« fragte er entschlossen. »Wir haben dir nun so viel anvertraut, doch du hast uns nichts von dir erzählt. Wir schweigen ab jetzt, wenn du uns nicht sagst, was dich dieses Kind angeht.«

Eadulf sah sie beide ernst an.

»Das Baby ist Alchu, Sohn von Lady Fidelma von Cashel. Seine Amme wurde ganz in der Nähe von eurem Wagen ermordet. Das Kind ist seitdem verschwunden. Nun habe ich euch aufgespürt.«