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»Wann war das?« fragte Eadulf.

»Gegen Ende meiner Dienstzeit, kurz vor Mitternacht.«

»Sarait hatte dir aber gesagt, daß sie bald zurück sein würde, und bis Mitternacht war sie noch nicht wieder da. Hast du dir keine Sorgen um sie gemacht?«

Caol schüttelte den Kopf. »Sie hatte mir gesagt, daß sie ihre Schwester besucht. Jeder kennt Gobnat. Ihr Mann, der Befehlshaber der königlichen Leibgarde, befindet sich auch hier; Capa hätte sie sicher bis ins Schloß zurückgeleitet.«

Schweigen trat ein. Colgu entließ den Krieger und wandte sich an Capa.

»Du kannst deine Frau hereinholen.«

Die Frau, die nun hereinkam, war offenbar ein wenig eingeschüchtert durch die versammelten Männer. Sie war attraktiv, auch wenn man sie nicht schön nennen konnte. Vielleicht waren ihre Züge ein wenig zu hart und kantig. Eadulf konnte eine gewisse Ähnlichkeit mit Sarait feststellen. Doch in Gobnats Gesicht lag eine gewisse Energie, beinahe eine Art Trotz, der der toten Amme fremd gewesen war. Sarait war weicher gewesen, dachte Eadulf. Gobnat wirkte viel entschlossener. Rasch blickte sie ihren Mann an, als wolle sie sich bei ihm rückversichern, dann blieb sie steif vor dem König stehen.

»Du mußt nicht aufgeregt sein, Gobnat.« Colgu lächelte. »Du kennst uns alle, und wir haben uns in den letzten Tagen schon mehrmals mit dir unterhalten. Du weißt auch, daß wir an deiner Trauer über den Tod deiner Schwester Anteil nehmen.«

Es schien, als wolle die Frau einen Knicks machen.

»Ja, mein König. Vielen Dank.«

Brehon Dathal war strenger als der König.

»Wir wollen, daß du hier als Zeugin über die Vorgänge um Saraits Tod aussagst. Wie wir erfahren haben, hat sie eine Nachricht erhalten, daß sie dich dringend aufsuchen soll. Da sie niemand anderen für das Baby fand, nahm sie es mit und machte sich auf den Weg zu dir.«

Gobnat schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht. Ich kann nur bestätigen, daß Conchoille zu mir kam und mir mitteilte, daß man die Leiche meiner Schwester gefunden hatte«, erklärte sie mit bebender Stimme.

»Das wollte ich nicht glauben, da sie hier im Schutz der Burg lebte und arbeitete. Conchoille sagte noch, daß sie im Wald außerhalb der Stadt lag. Mein Mann schickte einen Boten zur Burg und begleitete Con-choille, um die Leiche zu bergen. Sie trugen meine Schwester in mein Haus.«

»Du hast an jenem Abend deiner Schwester nicht die Aufforderung zukommen lassen, dich zu besuchen?« fragte Bischof Ségdae ein wenig freundlicher als der alte griesgrämige Richter.

»Nein, das habe ich nicht.«

»Du hast nichts von einem Kind überbringen lassen?« meldete sich Brehon Dathal mit barschem Ton wieder. Er wollte nicht ausgeschlossen werden.

»Das habe ich schon gesagt. Nein.« Gobnat rang die Hände. Sie war empört über den Ton des alten Richters.

»Und du kennst auch jenes Kind nicht, das angeblich die Nachricht überbracht haben soll?« Brehon Dathal wollte das Verhör anscheinend allein in die Hand nehmen.

»Diese Frage ist falsch«, warf Bischof Ségdae schroff ein. »Die Zeugin war nicht anwesend, als Caol uns das Kind beschrieb.«

Brehon Dathal errötete, da griff Colgu rasch ein, um einen Streit zu verhindern.

»Hier tagt nicht das Gericht, also müssen wir nicht so formal vorgehen. Ich glaube, wir können Gobnats Aussage, daß sie zum fraglichen Zeitpunkt keine Nachricht an ihre Schwester sandte, so akzeptieren.«

»Wie spät war es, als du von Sarait erfuhrst?« wollte Eadulf wissen.

»Mein Mann und ich wollten gerade zu Bett gehen. Das war kurz vor Mitternacht.«

»Und seit wann war dein Mann zu Hause?« fragte Brehon Dathal.

Gobnat überlegte einen Moment, ehe sie antwortete.

»Er ist zum Abendessen aus der Burg gekommen. Wenige Stunden nach Einsetzen der Dämmerung. Dann aßen wir und unterhielten uns ein wenig und wollten zu Bett, wie ich schon sagte.«

Bischof Ségdae nickte verständnisvoll.

»Genauso wie Capa gesagt hat«, stellte er fest. Dann wandte er sich an den Krieger. »Ich nehme an, daß sowohl in der Stadt als auch in der angrenzenden Gegend alle Leute nach dem von Caol beschriebenen Kind befragt wurden?«

»Das habe ich gleich als erstes angeordnet«, erwiderte Capa.

»So, das ist dann alles, Gobnat«, erklärte Colgu. »Vielen Dank.« Dann sah er wieder zu Capa. »Bring nun Conchoille rein.«

Das Alter des Holzfällers war schwer zu schätzen, er schien weder jung noch alt. Unter seiner Lederweste wirkte er sehr muskulös. Und seine nußbraune Haut verriet, daß er vorwiegend unter freiem Himmel lebte. Es flößte ihm offensichtlich keine Furcht ein, vor den bedeutendsten Männern des Königreiches zu stehen.

»Wir wollen nur festhalten, unter welchen Umständen du Saraits Leiche gefunden hast«, erläuterte Colgu.

Conchoille verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust und blickte die Männer nachdenklich an.

»Das habe ich alles bereits mehrmals erzählt.«

Brehon Dathal zog finster die Augenbrauen zusammen. Er wollte schon etwas sagen, da kam ihm Bischof Ségdae zuvor, der den Holzfäller mit einem breiten Lächeln ansah.

»Sei so gut und erzähle es uns noch einmal, es soll das letzte Mal sein.«

Conchoille zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe Bäume gefällt an dem Ort, den man die Streitfestung nennt ...«

»Den Ort kennen wir, Conchoille«, unterbrach ihn Brehon Dathal gereizt. »Er liegt ungefähr einen Kilometer südlich von hier.«

»Ich war gerade mit meiner Arbeit fertig geworden«, fuhr der Holzfäller ungerührt fort. »Als ich meine Sachen zusammengepackt hatte, war es dunkel, und ich machte mich auf den Weg in die Stadt.«

Brehon Dathal neigte sich schnell vor. »Zu dieser Jahreszeit wird es schon am Nachmittag dunkel. Wir wissen, daß du erst kurz vor Mitternacht an Capas und Gobnats Haus geklopft und ihnen die Nachricht überbracht hast. Betrachten wir also die Zeit zwischen deinem Arbeitsende bis zum Auffinden der Leiche. Selbst ein langsamer Wanderer wäre viele Stunden vor dir an Capas Haus angelangt. Das ist doch eklatant anormal.«

Conchoille blickte den alten Richter erstaunt an. »Solche schwierigen Wörter verstehe ich nicht. Darf ich den Bericht nicht auf meine Art fortführen?«

Brehon Dathal war empört über diese Erwiderung. Wieder einmal mußte Colgu eingreifen.

»Uns geht es um die Wahrheit«, sagte er. »Brehon Dathal möchte von dir wissen, warum du so lange gebraucht hast, um von deinem Arbeitsplatz und der Fundstelle der Leiche bis zu Capas Behausung zu gelangen?«

»Gleich zu Beginn des dunklen Waldstücks liegt das Wirtshaus von Ferloga. Ich habe keine Frau mehr. Deshalb kehre ich immer, wenn ich in der Nähe bin, nach der Arbeit zum Abendessen in Ferlogas Wirtsstube ein. Also habe ich dort gegessen und mich ein wenig mit Ferloga unterhalten. Dann bin ich weiter Richtung Stadt gegangen. Das habe ich dir alles schon einmal erzählt«, sagte er in Brehon Dathals Richtung.

»Sprich weiter«, forderte ihn Colgu auf.

»Der Weg hinter der Laterne von Ferlogas Wirtshaus ist sehr dunkel, vor allem im Wald.«

»Hattest du kein Licht bei dir?« fragte Brehon Dathal.

Der Holzfäller verzog das Gesicht. »Nur ein Narr würde zu dieser Zeit ohne Laterne durch den Wald gehen. Bedenkt, daß es in diesen Wäldern eine Menge Wölfe gibt.«

»Ich möchte das nur für das Protokoll festhalten«, rechtfertigte sich Brehon Dathal schroff.

»Ich hatte ein Laterne bei mir, die auch leuchtete«, sagte Conchoille ernst. »Ich hatte fast die Stadt erreicht, da stieß mein Fuß gegen etwas auf dem Weg. Ich hob die Laterne und stellte fest, daß es sich um ein Schultertuch handelte. Das Tuch war zudem von guter Qualität. Also beugte ich mich hinunter und hob es auf. Als erstes bemerkte ich, daß es voller Blut war. Da fiel der Rand meines Lichtscheins auf etwas Weißes auf dem Boden. Es war ein Arm. Ich ging darauf zu und entdeckte die Leiche . Es war Sarait. Sie war tot.«