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Der schwarzgekleidete Riese hatte ohne Mühe auch den letzten flüchtenden Soldaten eingeholt und schwang seinen Säbel. Aber der Hieb war schlecht gezielt.

Die Klinge streifte den Flüchtenden nur und schleuderte ihn nicht zu Boden, ließ ihn aber taumeln.

Für den Angreifer selbst war sein eigener Hieb ungleich verheerender. Von der schieren Kraft seines eigenen Schlages nach vorne gerissen, verlor er den Halt im Sattel, und wäre um ein Haar vom Pferd gestürzt. Der Krummsäbel entglitt seinen Fingern und verschwand in der Dunkelheit. Sein Pferd bäumte sich erschrocken auf und stieg wiehernd auf die Hinterläufe. Der Reiter klammerte sich mit verzweifelter Kraft an die Zügel, fügte dem Tier damit aber nur noch mehr Schmerzen zu, sodass es in Panik mit den Vorderhufen ausschlug, den Kopf zurückwarf und seinen Peiniger abschüttelte. Der Reiter sprang sofort wieder auf die Füße, machte aber nur einen einzelnen, taumelnden Schritt, ehe er benommen stehen blieb, sich vorbeugte und die Handflächen auf die Oberschenkel stützte. Er brauchte nur einen Moment, um wieder zu Kräften zu kommen.

Die wenigen Augenblicke reichten dem Soldaten jedoch, um seinen Vorsprung auszubauen. Er war verletzt und taumelte, aber die Todesangst gab ihm die Kraft, sein Tempo zu steigern. Der unheimliche Angreifer bückte sich nach seinem Schwert. Er humpelte leicht, als hätte er sich bei seinem Sturz aus dem Sattel verletzt, und er verlor weitere, kostbare Zeit damit, sein Pferd wieder einzufangen und aufzusitzen; genug Zeit für den flüchtenden Soldaten, um den Waldrand zu erreichen und auf eines der dort angebundenen Pferde zu steigen.

»Keine Sorge«, sagte Andrej, als Abu Dun eine unschlüssige Bewegung machte, aber dann wieder stehen blieb. »Er wird entkommen. Das muss er sogar.«

»Ich weiß«, murmelte Abu Dun. »Sonst könnte ja niemand davon berichten, dass hier ein großer schwarz gekleideter Mohr sein Unwesen treibt und ahnungslose Soldaten abschlachtet.« Er knirschte so laut mit den Zähnen, dass Andrej damit rechnete, Blut auf seinen Lippen zu sehen, als er sich zu ihm umwandte.

»Ich nehme meinen Vorschlag zurück.«

»Welchen?«

»Unserer Wege zu gehen«, sagte Abu Dun grimmig. »Ich möchte jetzt doch deinem Freund Thobias die eine oder andere Frage stellen.«

»Seltsam«, antwortete Andrej. »Aber ich hatte gerade dieselbe Idee.« Er machte eine Kopfbewegung zum Waldrand und die dort angebundenen Pferde.

»Wenigstens müssen wir nicht zu Fuß gehen.«

Sie hatten den Feuerschein schon von weitem gesehen, ein unheimliches rotes Lodern, als wäre der Himmel mit Blut getränkt, aber Andrej hatte sich bis zum Schluss geweigert, seine Bedeutung zu verstehen. Ein brennender Heuhaufen.

Ein Lagerfeuer, um das sich die Dorfbewohner versammelt hatten, um ein Fest zu feiern oder Gäste willkommen zu heißen. Ein Holzstapel, der Feuer gefangen hatte ... Es war erstaunlich, auf wie viele überzeugende oder auch abwegige Erklärungen sein Hirn kam, um nicht sehen zu müssen, was offensichtlich war.

Es war Trentklamm, das brannte.

Nicht nur ein Haus. Nicht nur ein Heuschober oder ein Holzstapel. Der Ort brannte von einem Ende zum anderen. Obwohl sie am Waldrand Halt gemacht hatten und auf die grausige Szene aus der gleichen Entfernung wie am Tag ihrer Ankunft hinabblickten, hatte Andrej das schreckliche Gefühl, die Hitze der brennenden Häuser auf dem Gesicht zu spüren und den Gestank von brennendem Holz und Stroh und vor allem Fleisch zu riechen. Er spürte weder die Hitze noch roch er irgendetwas anderes als die kalte klare Luft, die von den Bergen herabströmte und Rauch und Brandgeruch von ihnen forttrug.

Lange Zeit saßen sie schweigend nebeneinander in den Sätteln und sahen auf den brennenden Ort hinab. Winzig erscheinende Gestalten bewegten sich zwischen den brennenden Gebäuden.

Andrej erkannte sehr wohl, dass sie viel zu weit entfernt waren, um Einzelheiten zu sehen, aber es war wie mit dem Gestank und der Hitze: Er wusste, was dort unten geschah.

»Da scheint jemand vorschnell gewesen zu sein«, sagte Abu Dun, nach einer Weile, die vermutlich nur Augenblicke gewährt hatte, Andrej aber wie eine Ewigkeit vorkam. »Oder waren wir drei Tage länger in den Bergen, als ich dachte?«

»Auf jeden Fall zu lange«, antwortete Andrej, ohne den Blick von der brennenden Ortschaft zu nehmen.

Seine überempfindlichen Augen schmerzten und begannen allmählich zu tränen, aber er war nicht in der Lage, den Blick von der schrecklichen Szenerie abzuwenden. Er konnte nicht sagen, wie viele der winzigen, um ihr Leben rennenden Gestalten wirklich dort unten zu sehen waren, und wie viele seiner Einbildung entsprangen.

Oder gerade lange genug, wisperte eine dünne Stimme irgendwo in seinen Gedanken. Ein Schauder durchfuhr ihn. Er hatte das Gefühl, dass jetzt alles einen Sinn ergab. Alle Antworten lagen vor ihm. Aber er fand die richtigen Fragen nicht.

»Was sollen wir tun?«, fragte Abu Dun.

Andrej hob die Schultern. Er kannte auch diese Antwort.

»Wir könnten immer noch davon reiten«, schlug Abu Dun vor. Schon der Ton, in dem er diese Worte aussprach, trug die Antwort in sich. Andrej machte sich nicht einmal die Mühe, etwas zu entgegnen.

»Dort unten sind mindestens fünfzig Soldaten«, sagte Abu Dun - was nach Andrejs Einschätzung übertrieben war. Trentklamm hatte zwar an die hundert Einwohner, aber es brauchte keine fünfzig Soldaten, um ein Bauerndorf dieser Größenordnung auszulöschen. Wenn die Männer dort unten ihr Handwerk verstanden - woran Andrej keine Sekunde lang zweifelte - dann reichten fünfzehn Männer.

»Mehr nicht?«, fragte er kalt. »Wenn es so ist, dann reicht es, wenn du mir Rückendeckung gibst.«

Abu Dun seufzte. »Du meinst das ernst, wie?«, fragte er. »Du willst tatsächlich dort hinuntergehen und sie alle erschlagen?«

Andrej versuchte, mehr Einzelheiten in dem Gewirr aus loderndem roten und gelben Licht und vollkommener Dunkelheit unter ihnen zu erkennen, aber es gelang ihm nicht. Immerhin sah er, dass es ein Gebäude in Trentklamm zu geben schien, das die Angreifer bisher verschont hatten: die Kirche. Aber vielleicht brannte die Kirche nicht, weil sie das einzige Gebäude des ganzen Ortes war, das aus Stein gebaut war.

»Ich weiß nicht, was ich meine«, sagte er leise; mehr an sich selbst gewandt als an Abu Dun. Mit einer fast übermenschlichen Anstrengung riss er sich vom Anblick des brennenden Dorfes los und sah den Nubier an. »Ich weiß nicht, was ich will. Sag du es mir.«

Das ebenholzfarbene Gesicht des nubischen Riesen blieb vollkommen ausdruckslos. »Wir haben deine Heimat verlassen, weil du des Krieges müde warst, Hexenmeister«, erinnerte er Andrej leise, fast sanft. »Bist du sicher, dass wir hierher gekommen sind, nur um gleich einen neuen anzufangen?«

»Er ist doch längst im Gange«, antwortete Andrej leise. »Ob mit oder ohne uns.«

»Ohne uns wäre mir lieber«, sagte Abu Dun. Aber er klang nicht überzeugend.

»Der Soldat wird geredet haben«, gab Andrej zu bedenken. »Wer immer in deine Verkleidung geschlüpft ist, um die drei Soldaten zu erschlagen, wollte, dass er entkommt. Du fällst auf, mein Freund. Man wird dich überall suchen.«

Abu Dun machte eine abfällige Bewegung. »Wenn ich für jede Stadt, in der ich gesucht werde ein Geldstück bekäme, wäre ich ein reicher Mann«, sagte er.

Dann schürzte er die Lippen. »Andererseits hast du Recht, Hexenmeister. Weißt du, dieser Kerl hat meinen Mantel, und den hätte ich gerne zurück.« Er hob die Schultern. »Ich hänge daran.«

Nach Andrejs Meinung war dies kaum der richtige Moment für Scherze; nicht einmal, wenn man Abu Duns Humor kannte, der mindestens so schwarz war wie sein Gesicht.

Statt zu antworten, schloss Andrej für einen langen Moment die Augen und legte den Kopf in den Nacken, bevor er die Lider wieder hob. Der Himmel war noch immer wolkenlos, und der Mond schien größer geworden zu sein.