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Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich mit aller Macht auf die Straße, die er entlang ritt. Seine Augen tränten von dem grellen Licht und von dem beißenden Rauch, den die brennenden Häuser verströmten. Das Prasseln der Flammen war so laut, dass es jedes andere Geräusch übertönte. Das Feuer machte das Pferd so unruhig, dass Andrej immer größere Mühe hatte, das Tier unter Kontrolle zu halten. Aber Lärm, Licht und Hitze, die ihm so große Schwierigkeiten bereiteten, waren zugleich auch seine Verbündeten. Er musste sich keine Gedanken darüber machen, frühzeitig gesehen zu werden, denn das Wüten der Zerstörung gab ihm zugleich auch Deckung. Weiter zur Dorfmitte hin nahm die Anzahl der brennenden Gebäude sogar noch zu; Lärm und Licht würden dort vermutlich unerträglich sein.

Das Pferd scheute, als ein brennender Strohhalm auf seine Mähne fiel und der Schmerz tief in seinen Hals biss; diesmal so überraschend und heftig, dass Andrej es nicht sofort wieder in seine Gewalt brachte. Das Tier versuchte auszubrechen, stieg auf die Hinterläufe und schlug wild mit den Vorderhufen aus, aber Andrej zwang es mit roher Gewalt wieder in seinen Willen. Erst danach schlug er mit dem Handrücken nach dem brennenden Stroh und fegte es davon. Das Pferd nutzte die winzige Unaufmerksamkeit, um erneut auszubrechen. Diesmal versuchte es nicht, seinen unwillkommenen Reiter abzuschütteln, sondern ging einfach mit ihm durch, und dieser zweite Ausbruchsversuch war selbst für Andrej nicht aufzuhalten. Er versuchte hastig, sich an Zaumzeug und Sattel festzuklammern, aber seine Reaktion kam zu spät.

Er verlor den Halt, stürzte rücklings aus dem Sattel und landete so heftig auf dem Bauch, dass er einen Moment lang benommen war und mit geschlossenen Augen und stöhnend liegen blieb. Sein rechtes Knie fühlte sich an, als hätte jemand einen glühenden Nagel hindurchgetrieben, und er spürte, wie warmes Blut an seinem Bein hinunterlief.

Als seine Gedanken aufhörten, sich wie wild im Kreise zu drehen, hörte er ein gehässiges Lachen. Hinter ihm ertönte dumpfes Hufscharren.

»Ich sage doch immer, dass du ein miserabler Reiter bist, Hässler«, sagte eine Stimme. »Du hast dein Tier einfach nicht unter Kontrolle, und ...«

Andrej stemmte sich mühsam und mit zusammengebissenen Zähnen hoch und drehte sich in der gleichen Bewegung herum. Die Worte brachen mitten im Satz ab und gingen in einen überraschten Laut über.

Hinter ihm war ein Reiter aufgetaucht. Der Mann war ein gutes Stück größer als er und fast so breitschultrig wie Abu Dun, wirkte aber viel plumper. Sein Pferd war auf die gleiche Art gezäumt wie das, von dem Andrej gerade heruntergefallen war, und auch seine Kleidung glich der, die Andrej trug. Sie hatten beide dunkle Hosen und helle Hemden an, aber wo Andrej ein schwarzes Wams über dem Hemd trug, hatte der andere eine mit ledernen Nieten besetzte Weste. Er trug schwere Lederbänder um das Handgelenk und eine ebenfalls lederne Kappe, die mit zahlreichen Nieten verstärkt war, sodass sie ihren Träger fast so zuverlässig schützte wie ein Helm, aber nicht dessen hinderliches Gewicht besaß. Das Ganze sah aus wie eine Uniform, und in dem schlechten Licht und bei all dem Rauch war die Ähnlichkeit wohl gerade groß genug gewesen, Andrej mit einem seiner Kameraden zu verwechseln.

Und vielleicht war das auch der einzige Grund, aus dem er nicht angegriffen worden war, dachte Andrej. Er hatte sich zu sehr darauf verlassen, dass ihn seine neu erworbenen wölfischen Instinkte vor jedem Hinterhalt warnen würden. Ein Fehler, der ihm bestimmt nicht noch einmal unterlaufen würde.

Auch der andere hatte seinen Irrtum schnell erkannt. Aus der Schadenfreude, die auf seinem Gesicht gelegen hatte, war Überraschung geworden, die jäh in Misstrauen und Wut umschlug, als er in Andrejs Gesicht blickte und begriff, dass er nicht seinem Kameraden gegenüberstand. Einen Herzschlag lang saß er reglos im Sattel und starrte auf ihn hinab, und Andrej konnte in seinen Augen lesen, wie er ihn einzuschätzen versuchte.

»Wer bist du?«, fragte er. Seine rechte Hand glitt zum Griff des plumpen Schwertes, das er im Gürtel trug, und Andrej musste sich beherrschen, um nicht dasselbe zu tun. Der Mann unterschätzte ihn - was jedem passierte, der Andrej zum ersten Mal sah; er war weder besonders groß noch von außergewöhnlich kräftiger Statur. Außerdem war der Reiter Zeuge geworden, wie Andrej ungeschickt vom Pferd gestürzt war. Wenn er sein Pferd herumriss und davon sprengte, hatte Andrej keine Möglichkeit, ihn einzuholen. Er stand drei oder vier Meter entfernt, und Andrejs Knie pochte noch immer vor Schmerz. Es würde Minuten dauern, bis er wieder in der Lage war, zu laufen, oder auch nur normal zu gehen.

»Wer du bist, habe ich gefragt!« wiederholte der Soldat. Dann beging er einen Fehler, der ihn das Leben kosten sollte: Er schwang sich mit einer zornigen Bewegung aus dem Sattel, zog das Schwert halb aus dem Gürtel und ließ den Griff dann mit einem verächtlichen Laut wieder los, während er auf Andrej zutrat.

Bei einem Gegner, der sich nur mühsam auf den Beinen halten konnte und kaum halb so viel wog wie er, glaubte er keine Waffe nötig zu haben.

»Hast du deine Zunge verschluckt, Bauerntölpel?«, fragte er. »Wie kommst du an Hässlers Pferd? Hast es ihm gestohlen, wie?«

»Nein, Herr«, antwortete Andrej leise. Er tat so, als ob er eingeschüchtert den Blick senken würde und machte zugleich einen humpelnden Schritt zurück - der keinen anderen Sinn hatte als den, sein Knie auf die Probe zu stellen. Es tat noch immer weh, aber er konnte sich bewegen.

»Ich habe es nicht gestohlen.«

»Wie kommst du dann an das Pferd?«, wollte der Soldat wissen. Das Misstrauen in seinem Gesicht war mittlerweile vollends erloschen und hatte einer boshaften Vorfreude Platz gemacht. »Na, spielt keine Rolle. Ich werde ihn fragen. Oder besser noch - ich hebe dich für ihn auf, damit er dich fragen kann, wenn er zurück ist. Ich fürchte nur ...«, er lachte hart, »... dass er nicht besonders guter Laune sein wird, wenn er den ganze Weg von der Alm hinab zu Fuß laufen musste.«

»Das muss er nicht«, antwortete Andrej.

Der Soldat blieb stehen. »Wie meinst du das?«

»Weil er tot ist«, sagte Andrej. »Und du es auch gleich sein wirst.«

Diese Unverschämtheit verschlug dem Soldaten die Sprache. Einen Augenblick lang starrte er Andrej mit offenem Mund an, dann verzerrte sich sein Gesicht vor Wut, und er stürzte sich mit hochgerissenen Fäusten auf seinen viel kleineren Gegner.

Andrej empfing ihn mit einem Fußtritt, der zwar eine neue Woge heißer Schmerzen durch sein Knie jagte, den Burschen aber auch stolpern und mit einem hilflosen Krächzen auf die Knie fallen ließ, wo er sich würgend krümmte.

Vermutlich wurde ihm bereits in diesem Moment klar, dass er seinen Gegner falsch eingeschätzt hatte. Andrej trat ruhig auf ihn zu, wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war und nach dem Schwert zu greifen versuchte, und entrang ihm die Waffe ohne die geringste Anstrengung. Mit der linken Hand schleuderte er das Schwert über die Schulter davon, mit der anderen schlug er dem Soldaten gleichzeitig so hart ins Gesicht, dass dieser nach hinten geworfen wurde und endgültig auf den Rücken fiel.

»Um deine Frage zu beantworten, mein Freund«, sagte er. »Mein Name ist Andrej Deläny. Ich stamme nicht aus dem Dorf. Ich bin hier nur zu Gast - genau wie du. Aber ich habe den Eindruck ...« Er sah sich um. »... dass ihr euch nicht wie Gäste benehmt. Habt ihr das Dorf angezündet?«

Der Soldat stemmte sich stöhnend auf die Ellbogen hoch. Sein Gesicht war grau vor Schmerz und blutüberströmt, und er bekam immer noch nicht richtig Luft. Aber das Flackern in dem Blick, mit dem er Andrej maß, zeugte von viel mehr Wut als Schmerz, oder gar Angst. Der Soldat hatte keineswegs aufgegeben, sondern betrachtete ihn mit neuem Respekt, während er vermutlich überlegte, auf welche Weise er ihn angreifen würde. Er beantwortete Andrejs Frage auch nicht, sondern stellte selbst eine. »Hast du Hässler getötet?«