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Der Inquisitor stöhnte. »Teufel!«, keuchte er. »Du ... du Teufel!«

Thobias ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück. Sein Lächeln erlosch. »Warum musstet Ihr hierher kommen? Was haben wir Euch getan, Euch und Eurer allwissenden Kirche, Exzellenz?« Seine Augen blitzten, und für einen Moment schien etwas Dunkles, Tierisches durch seine Züge zu schimmern. »Wir wollten nichts weiter als das, was alle wollen - in Frieden unser Leben leben. Warum konntet Ihr uns nicht einfach in Ruhe lassen?«

»Teufelsbrut!«, keuchte Martius. »Ihr werdet brennen! Ihr werdet für alle Ewigkeiten in der Hölle brennen!«

»Ja, das mag sein«, sagte Thobias. Er schüttelte den Kopf, als hätte er eingesehen, wie sinnlos es war, das Gespräch fortzuführen. Einen Moment lang musterte er Martius noch nachdenklich, dann trat er wieder an die Liege seines Vaters heran.

Ludowig hatte die Augen geöffnet. Sein Blick flackerte. Es waren die Augen eines Mannes, der die Hölle gesehen hatte, dachte Andrej schaudernd.

Mit verzweifelter Kraft bäumte er sich gegen den fremden Willen auf, der seinen Körper beherrschte, aber es war sinnlos.

»Gebt Euch keine Mühe, Andrej«, sagte Thobias, ohne ihn auch nur anzusehen. Er hob die Schultern. »Oder versucht es meinetwegen weiter. Vermutlich seid Ihr es Eurem Stolz schuldig. Es macht keinen Unterschied.«

Er beugte sich tiefer über seinen Vater und legte ihm die flache Hand auf die Stirn. Ein beruhigendes Lächeln erschien auf seinen Zügen, und als er weitersprach, war seine Stimme sanft; als rede er mit einem kranken Kind. »Es wird alles gut. Beweg dich nicht. Die Schmerzen werden gleich vergehen.«

»Was ... was hast du ... getan?«, keuchte Ludowig. Seine Stimme klang verzerrt, voller Qual, und kaum noch wie die eines Menschen.

»Es wird alles gut, Vater«, sagte Thobias. Er seufzte, richtete sich wieder auf und sah erst Andrej, dann Martius an. »Bist du zufrieden, Pfaffe?«, fragte er böse. »Freut es dich, zu sehen, was du diesem alten Mann angetan hast - einem Mann, der sein Leben in den Dienst desselben Gottes gestellt hat, in dessen Namen du seine Brüder und Schwestern umbringst?«

»Hör auf, Gott zu lästern!« schrie Martius. »Mach ein Ende, du Monstrum! Töte mich, aber ich werde am Ende doch triumphieren, denn meine Seele wird an Gottes Seite sein, während deine für alle Ewigkeiten in der Hölle brennt.«

»Töten?«, sagte Thobias stirnrunzelnd. »Nein. Hab keine Angst, Martius. Ich habe nicht vor, dich zu töten.«

»Thobias«, stöhnte Ludowig. »In Gottes Namen! Was ... was tust... du?«

Thobias wandte seine Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment wieder seinem Vater zu. Der alte Mann war mittlerweile wieder so weit zu Kräften gekommen, dass er sich aufsetzen konnte. Aber er hatte sich auch weiter verändert. Seine Schulter war unförmig angeschwollen. Schwarzes, borstiges Fell begann aus seiner Haut zu sprießen, und etwas stimmte mit seinem Gesicht nicht mehr: Es schien auf einer Seite auseinander zufließen, wie eine Maske aus weichem Wachs, die zu lange in der Sonne gelegen hatte.

»Gleich, Vater«, sagte Thobias. »Ich erkläre es dir gleich. Du wirst alles verstehen, glaub mir. Aber im Moment ist keine Zeit dafür.« Er schüttelte den Kopf und sah Andrej vorwurfsvoll an. »Irgendwann werdet Ihr begreifen, was für Schwierigkeiten Ihr mir bereitet habt, mein Freund. Alles wäre so einfach gewesen, hättet Ihr Euch nicht eingemischt.« Er seufzte erneut. »Nun zu Euch, Exzellenz. Ihr werdet hinausgehen und genau das tun, weshalb Ihr hergekommen seid. Sagt Euren Männern, dass dieser ganze Ort vom Teufel besessen ist. Ihr müsst diesen Höllenpfuhl auslöschen - das waren doch Eure eigenen Worte, oder?« Er lachte hässlich. »Wie ich die Männer einschätze, die Ihr mitgebracht habt, wird es Euch keine besondere Überredungskunst kosten. Tötet sie alle. Vernichtet Trentklamm. Niemand darf überleben.«

»Thobias!«, keuchte Ludowig. »Was ... was tust du?!«

»Was notwendig ist«, antwortete Thobias hart.

»Nein!«, rief Ludowig. »Das ... das kannst du nicht tun! Nicht alle diese Menschen! Sie ... sie sind deine Schwestern und Brüder! Du kannst nicht alle diese Menschen umbringen wollen!«

»Es muss sein«, befand Thobias. »Nur so können wir Ruhe finden, Vater.«

»Aber du ...«

»Sie werden nicht aufhören«, fuhr Thobias in verächtlichem Ton und mit einer Kopfbewegung auf den Inquisitor fort. »Glaubst du, wenn er geht, kommt an seiner Stelle nicht ein anderer? Trentklamm muss vernichtet werden. Nur wenn sie glauben, dass wir alle tot sind, werden sie uns in Frieden lassen.«

»Nein«, keuchte Ludowig. Er zitterte am ganzen Leib, aber nun nicht mehr vor Schmerz, sondern vor blankem Entsetzen über das, was er hörte. »Das kann nicht sein! Tu das nicht, Thobias, im Namen Gottes! Wir ... wir können weggehen. Wir können fliehen, irgendwohin, wo sie nicht nach uns suchen!«

»Sie würden uns überall finden«, erwiderte Thobias. »Wir hätten nirgendwo Ruhe.«

»Aber ...«

»Gebt Euch keine Mühe, Vater Ludowig«, sagte Andrej. Selbst das Reden fiel ihm schwer. Alles würde so kommen, wie Thobias es geplant hatte, und vielleicht war das sogar gut so. Andrej schauderte. Das war nicht er, der diesen Gedanken hegte. Der Wolf begann nicht nur von seinem Körper Besitz zu ergreifen, sondern schlich sich bereits in seine Gedanken ein, »Ihr werdet Euren Sohn nicht umstimmen, Vater. Er hat das von Anfang an so geplant, nicht wahr?«

Die letzte Frage war an Thobias gerichtet, der sie mit einem Nicken und einem kalten, nur angedeuteten Lächeln beantwortete. »Ihr und Euer schwarzer Freund wart ein Geschenk Gottes. Ich habe lange auf jemanden wie Euch gewartet, Andrej.«

»Jemanden, dem Ihr die Schuld an allem geben könnt«, vermutete Andrej.

»Euer Plan ist aufgegangen. Jetzt müsst Ihr nur noch abwarten, bis Martius' Männer den Rest der Stadt niedergebrannt und alle Männer, Frauen und Kinder erschlagen haben.«

Thobias lächelte, und sein Vater richtete sich weiter auf. Er hatte sich erneut verändert. Sein gesamter rechter Arm war mittlerweile von schwarzem Fell überzogen, und die Hand begann sich zur Kralle zu biegen. Sein Gesicht war zur Grimasse geworden, nur noch zur Hälfte menschlich.

»Nein«, wimmerte er. »Nein! Nein!«

Und damit warf er sich auf Thobias.

Der Angriff kam völlig überraschend. Thobias taumelte haltlos einen Schritt nach vorn und versuchte sich aus dem Griff Ludowigs zu befreien. Für einen Moment lockerte sich der Würgegriff des fremden Willens, der Andrej gefangen hielt.

Er versuchte nicht, sich nach dem Schwert zu bücken. Andrej blieb nur Zeit für eine einzige Bewegung: Er ergriff die brennende Fackel, die noch immer zwischen ihm und der Pritsche lag, und stieß sie Thobias mit aller Macht ins Gesicht.

Thobias brüllte vor Schmerz und Wut. Seine Faust schmetterte Andrej die Fackel aus der Hand, und ein zweiter, ungleich härterer Schlag mit dem Handrücken schleuderte ihn vollends zu Boden. Benommen blieb Andrej liegen und versuchte dann in die Höhe zu kommen.

Als er die Augen öffnete, bot sich ihm ein schrecklicher Anblick. Thobias rang noch immer mit seinem Vater. Er hatte sich weiter verändert. Das Ungeheuer in ihm hatte Überhand genommen - aber auch Thobias war verwandelt.

Auch er war zum Werwolf geworden, aber was Andrej erblickte, war nicht die schrecklich missgestaltete Kreatur, die er erwartet hatte, sondern ein auf eine wilde Art beinahe schönes Geschöpf; eine unglaubliche Mischung aus Mensch und Tier. An diesem Werwolf - dem ersten wirklichen Werwolf, den er sah, wie Andrej jenseits aller Zweifel begriff - war nichts Dämonisches oder Abstoßendes. Es war ein Geschöpf von so unvorstellbarer Fremdheit, dass sich etwas in Andrej bei seinem bloßen Anblick zu rühren schien.