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»Ein Mann in meiner Stellung muß auf der Hut sein. Alle reichen Leute habe Feinde.«

Poirot verfolgte das Thema nicht weiter. Er schwieg eine Weile und fragte dann:

»Warum haben Sie mich eigentlich kommen lassen?«

»Das will ich Ihnen sagen. Zuallererst konsultierte ich einen Arzt - drei Ärzte, genauer gesagt.«

»Und was sagten sie?«

»Der erste setzte mir auseinander, daß es nur eine Diätfrage sei. Es war ein älterer Mann. Der zweite war jung und gehörte der modernen Richtung an. Er versicherte mir, daß der ganzen Geschichte ein gewisses Ereignis meiner Kindheit zugrunde liege, das um diese besondere Zeit - drei Uhr achtundzwanzig - stattfand. Ich sei so fest entschlossen, mich nicht an dieses Ereignis zu erinnern, daß ich es durch meinen Selbstmord symbolisiere. Das ist seine Erklärung.«

»Und der dritte Arzt?« fragte Poirot.

Benedict Farleys Stimme schrillte vor Zorn.

»Er ist ebenfalls ein junger Mann und hat eine geradezu lächerliche Theorie. Er behauptet, daß ich selbst des Lebens überdrüssig sei, daß mein Leben mir so unerträglich erscheine, daß ich es vorsätzlich zu enden wünschte! Aber da die Anerkennung dieser Tatsache gleichbedeutend sei mit dem Eingeständnis, daß ich im wesentlichen versagt hätte, weigerte ich mich im Wachzustande, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Doch wenn ich schliefe, würden alle Hemmungen beseitigt, und ich führte das aus, was ich in Wirklichkeit zu tun wünschte. Ich machte meinem Dasein ein Ende.«

»Dann ist er also der Ansicht, daß Sie, ohne es zu wissen, Selbstmord begehen möchten, nicht wahr?« sagte Poirot.

Benedict Farley erwiderte schrilclass="underline"

»Und das ist unmöglich - unmöglich! Ich bin durchaus glücklich! Ich habe alles, was ich mir wünsche, alles, was man mit Geld kaufen kann! Es ist phantastisch, einfach unglaublich, so etwas überhaupt anzudeuten!«

Poirot betrachtete ihn voller Interese. Vielleicht sagte ihm etwas in dem ganzen Gebaren - die zitternden Hände, die bebende, schrille Stimme - daß die Beteuerungen zu heftig und damit an sich schon verdächtig seien. Aber er begnügte sich mit der Bemerkung:

»Und was habe ich mit alledem zu tun, Monsieur?«

Benedict Farley beruhigte sich plötzlich wieder und klopfte nachdrücklich mit dem Finger auf den neben ihm stehenden Tisch.

»Es besteht noch eine andere Möglichkeit. Und wenn etwas daran sein sollte, sind Sie der Mann, der damit fertig werden kann! Sie sind berühmt. Sie haben Hunderte von Fällen bearbeitet - phantastische, unwahrscheinliche Fälle! Sie würden es wissen, wenn es irgend jemand täte.«

»Wovon reden Sie eigentlich?«

Farleys Stimme sank zu einem Geflüster herab.

»Nehmen wir einmal an, daß jemand mich töten will . Könnte er es auf diese Weise tun? Könnte er bewirken, daß ich Nacht für Nacht diesen Traum habe?«

»Durch Hypnose, meinen Sie?«

»Ja.«

Hercule Poirot überlegte eine Weile.

»Möglich wäre es vielleicht, nehme ich an«, sagte er schließlich. »Aber ein Arzt könnte Ihnen diese Frage besser beantworten.«

»Ist Ihnen ein derartiger Fall noch nicht vorgekommen?«

»Nein, nicht gerade in dieser Form.«

»Sie sehen aber doch, worauf ich hinauswill. Man veranlaßt mich, denselben Traum Nacht für Nacht, Nacht für Nacht zu träumen - und dann - eines Tages wird mir diese Suggestion zuviel, und ich setze sie in die Tat um. Ich tue, was ich so oft geträumt habe - ich töte mich!«

Langsam schüttelte Hercule Poirot den Kopf.

»Sie halten es für unmöglich?« fragte Farley.

»Unmöglich?« Poirot schüttelte abermals den Kopf. »Mit diesem Wort habe ich nicht gern etwas zu schaffen.«

»Aber Sie halten es für unwahrscheinlich?«

»Höchst unwahrscheinlich.«

Benedict Farley murmelte leise: »Der Arzt war derselben Meinung.« Dann hob sich seine Stimme wieder, und er fragte: »Aber warum habe ich diesen Traum? Warum? Warum nur?«

Hercule Poirot schüttelte den Kopf, und Benedict Farley sagte unvermittelt:

»Sind Sie ganz sicher, daß Ihnen so etwas in Ihrer Praxis noch nicht vorgekommen ist?«

»So einen Fall habe ich noch nie gehabt.«

»Das wollte ich gern wissen.«

»Gestatten Sie mir eine Frage?«

»Was ist es? Was ist es? Fragen Sie, was Sie wollen.«

»Wen haben Sie im Verdacht, wenn Sie sagen, daß jemand Sie töten möchte?«

»Niemand«, lautete die barsche Antwort. »Überhaupt keinen.«

»Aber der Gedanke war Ihnen doch gekommen.«

»Ich wollte nur wissen, ob die Möglichkeit existiere.«

»Nach meinen eigenen Erfahrungen zu urteilen, möchte ich sagen: nein. Sind Sie übrigens schon einmal hypnotisiert worden?«

»Natürlich nicht. Glauben Sie etwa, ich gebe mich zu solchem Unsinn her?«

»Dann kann man wohl sagen, daß Ihre Theorie ganz entschieden unwahrscheinlich ist.«

»Aber der Traum, Sie Tor, der Traum!«

»Der Traum ist sicherlich bemerkenswert«, sagte Poirot nachdenklich. Er schwieg und fuhr dann fort: »Ich möchte gern den Schauplatz dieses Dramas sehen - den Tisch, die Uhr und den Revolver.«

»Aber gewiß. Kommen Sie mit ins Nebenzimmer.«

Während er den Schlafrock enger um sich zog, erhob sich der alte Mann halbwegs aus seinem Sessel, ließ sich dann aber wieder zurücksinken, als sei ihm plötzlich etwas eingefallen.

»Nein«, erklärte er. »Es gibt dort nichts zu sehen. Ich habe Ihnen alles eingehend geschildert.«

»Aber ich möchte mich gern selbst überzeugen.«

»Durchaus nicht notwendig«, sagte Farley schroff. »Sie haben mir Ihre Ansicht gesagt. Damit ist der Fall erledigt.«

Poirot zuckte die Achseln. »Wie Sie wünschen.« Er stand auf. »Ich bedaure sehr, Mr. Farley, daß ich Ihnen nicht helfen konnte.«

Benedict Farley starrte unverwandt geradeaus.

»Bin kein Freund von vielem Hokuspokus«, knurrte er. »Ich habe Sie über die Tatsachen unterrichtet, und Sie können nichts damit anfangen. Damit ist die Angelegenheit zu Ende. Sie können mir eine Rechnung über das Konsultationshonorar schicken.«

»Das werde ich nicht versäumen«, erwiderte der Detektiv trocken und schritt zur Tür.

»Einen Augenblick!« rief der Millionär hinter ihm her. »Der Brief - ich möchte ihn gern haben.«

»Der Brief von Ihrem Sekretär?«

»Ja.«

Poirot machte ein erstauntes Gesicht. Er fuhr mit der Hand in die Tasche, zog einen zusammengefalteten Bogen heraus und reichte ihn dem alten Herrn, der einen prüfenden Blick darauf warf und ihn dann kopfnickend neben sich auf den Tisch legte.

Wiederum ging Hercule Poirot auf die Tür zu. Er war ziemlich verdutzt, seine rastlosen Gedanken kreisten um das, was er soeben gehört hatte. Doch mitten in seine Überlegungen hinein drängte sich ein nagendes Gefühl, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei. Und dieses Etwas bezog sich auf ihn selbst - nicht auf Benedict Farley.

Als seine Hand schon auf dem Türgriff lag, klärten sich seine Gedanken. Ihm, Hercule Poirot, war ein Versehen unterlaufen! Er machte noch einmal kehrt.

»Ich bitte Sie tausendmal um Verzeihung! Ganz in Gedanken an Ihr Problem, habe ich eine Dummheit begangen! Dieser Brief, den ich Ihnen gegeben habe -unglücklicherweise habe ich in meine rechte Tasche gegriffen, anstatt in meine linke ...«

»Was ist los? Was reden Sie da?«

»Der Brief, den ich Ihnen soeben gegeben habe, enthält eine Entschuldigung meiner Wäscherin wegen der Behandlung meiner Kragen.« Poirot lächelte reumütig und griff in seine linke Tasche.

»Dies ist Ihr Brief.«

Benedict Farley riß ihn knurrend an sich. »Zum Kuckuck, warum können Sie denn nicht aufpassen?«

Mit einer nochmaligen Entschuldigung nahm Poirot die Mitteilung seiner Wäscherin wieder an sich und verließ das Zimmer.