Выбрать главу

Miß Talley bestand zunächst darauf, in ihrem Wagen fahren zu wollen, statt bei Doc Staunton einzusteigen. Seine Beteuerungen, daß er ohnehin gegen Abend wieder nach Bartlesville zurück müsse, nahm sie als höfliche Lügen (was sie auch waren); aber schließlich überzeugte er sie doch.

Die geschmeidigen, lautlosen Katzen sind hervorragende Wirte mit ihren weichen Pfoten, ihren raschen Bewegungen, ihrem guten Gehör. Sie konnten sich fast überall aufhalten, ohne bemerkt zu werden oder Aufsehen zu erregen.

Mit Hilfe einiger Katzen hatte der Parasit jede Farm zwischen der Gross-Farm und Bartlesville besucht; zwei davon allerdings nur sehr kurz, weil dort bissige Hunde frei im Hof umherliefen. Einer davon hatte die Katze erwischt, die dem Parasiten als Wirt diente.

Aber andererseits schien es bedeutungslos, daß er diese beiden Farmen hatte auslassen müssen, denn auf allen anderen hatte er nichts Wissenswertes erfahren. Dann hatte er in der Stadt sein Glück versucht, wobei er zunächst dem Radiomechaniker einen Besuch abgestattet hatte, weil dieser logischerweise als Wirt in Frage kam. Aber der Mann hatte sich als ungeeignet erwiesen – er wußte zu wenig und war zudem noch zu knapp bei Kasse, um sich frei bewegen zu können.

Gegen Abend erinnerte der Parasit sich an den kleinen Mann namens Staunton, der sich so für den Selbstmord des alten Siegfried Gross interessiert hatte. Nachdem in Bartlesville anscheinend nichts mehr von Bedeutung zu erfahren war, konnte es vielleicht nicht schaden, wenn er sich zunächst mit diesem Mann beschäftigte, der allem Anschein nach ebenfalls an der Bascombe Road wohnte.

Der Parasit ließ die Katze die Stadt auf dieser Straße verlassen, aber das Tier taumelte und stürzte bereits nach wenigen Kilometern; seine Pfoten bluteten, es war völlig erschöpft und ausgepumpt. Der Parasit stellte fest, daß die Katze wahrscheinlich einige Tage brauchen würde, bis sie sich völlig erholt hatte. Deshalb zwang er sie wieder auf die Füße und ließ sie querfeldein laufen, bis sie schon nach wenigen hundert Metern tot zusammenbrach.

Früh am folgenden Morgen ergriff er von einer grauen Katze Besitz, die auf einer der umliegenden Farmen lebte. Zunächst untersuchte er ihr Gedächtnis und stellte dabei fest, daß einige der Farmen nicht in Frage kamen, sondern daß Staunton noch weiter außerhalb der Stadt wohnen mußte. Dann beobachtete er jedes Haus sorgfältig und blieb dabei möglichst nahe an der Straße, um Staunton zu sehen, falls er in die Stadt fahren sollte.

Gegen elf Uhr geschah dieser Zufall tatsächlich, als die Katze auf dem Weg zur nächsten Farm über die Felder lief. Aus Osten näherte sich geräuschvoll ein alter Wagen, in dem der Parasit Staunton erkannte. Also mußte der Mann ziemlich am Ende der Straße wohnen. Andererseits kaum auf einer Farm, denn er wirkte nicht wie ein Farmer. Der Parasit ließ deshalb die nächsten Häuser aus und machte sich auf den Weg zu dem alleinstehenden Haus, von dem Tommy Hoffmann gewußt hatte, daß es nur zeitweise bewohnt war.

Ja, dort waren im Hof Reifenspuren zu sehen – wo Staunton anscheinend sein Auto stehenließ, weil keine Garage vorhanden war – und andere Anzeichen, daß hier jemand lebte. Aber hatte Staunton das Haus für immer verlassen?

Glücklicherweise schien es hier keinen Hund zu geben, so daß die Katze das Haus von allen Seiten betrachten konnte. Durch eines der Kellerfenster drang das Arbeitsgeräusch eines Motors und das Summen eines Generators. Das bedeutete, daß Staunton noch nicht abgereist war, sondern zurückkommen würde. Aber wohnte er hier allein, oder befand sich noch jemand in dem Haus?

Die Katze schlich um das Gebäude, ohne einen Zugang zu finden. Einige der Fenster im Erdgeschoß standen zwar offen, aber jeweils nur einen schmalen Spalt weit.

Der Parasit sah ein, daß er auf Stauntons Rückkehr warten mußte, um seine Untersuchung fortsetzen zu können. Aber in der Zwischenzeit sah er sich auf der ehemaligen Farm um, wobei er möglichst außer Sicht blieb, falls doch jemand in dem Haus zurückgeblieben sein sollte. Dann zog er sich in das hohe Gras hinter einem Schuppen zurück, um dort zu warten. Er ließ seinen Wirt schlafen, denn es war zwecklos, wenn er ihn jetzt überanstrengte und sich dann einen neuen suchen mußte. Außerdem würde die Katze sofort aufwachen, wenn sich ein Auto näherte.

Er mußte nicht so lange warten, wie er befürchtet hatte. Schon eine halbe Stunde später nahmen die empfindlichen Ohren der Katze das Geräusch eines fahrenden Wagens wahr, der sich von der Straße her näherte. Es war Stauntons Auto, und Staunton saß am Steuer, aber neben ihm saß eine Frau. Eine große, schlanke, ältliche Frau.

Der Parasit erkannte sie sofort, denn er verfügte über Tommy Hoffmanns Gedächtnis und seine Erinnerungen. Diese Frau war niemand anders als Miß Talley, Tommys ehemalige Englischlehrerin. War sie Stauntons Bekannte? War er ebenfalls Lehrer? Dann erkannte er, daß sie einen Schreibblock in der Hand trug und erinnerte sich daran, daß Miß Talley gelegentlich als Stenotypistin oder Buchhalterin arbeitete, um ihr Einkommen aufzubessern. Staunton mußte sie mitgebracht haben, damit sie für ihn arbeiten konnte. Das war ausgezeichnet; wenn er ihr Briefe diktierte, brauchte der Parasit ihn dabei nur zu belauschen, um einiges über ihn in Erfahrung zu bringen.

Nachdem die beiden das Haus betreten hatten, rannte die Katze von einem Fenster zum anderen, um festzustellen, in welchem Raum sie sich aufhielten. Sie hörte sie – ihre Stimmen, aber nicht jedes einzelne Wort – in einem Raum an der Rückseite des Gebäudes. Dann duckte sie sich zum Sprung auf das Fensterbrett. Von dort aus würde sie das Gesprochene verstehen, ohne daß jemand sich über ihre Anwesenheit wunderte, wie sie aus Erfahrung wußte. Und wenn die Leute Katzen mochten, würde man sie vielleicht sogar hineinlassen, wie Willie Chandler es getan hatte.

Er versuchte den Sprung und mußte feststellen, daß ungefähr zwanzig Zentimeter bis zum Fensterbrett fehlten. Die verdammte Katze war einfach zu klein. Jede andere, die er bisher gehabt hatte, hätte diese Höhe ohne weiteres geschafft. Einen Augenblick überlegte der Parasit bereits, ob er sich nicht eine andere suchen solle – aber diese andere befand sich vielleicht einige Kilometer weit entfernt und konnte erst hier sein, wenn Staunton zu Ende diktiert hatte. Nein, diese Möglichkeit schied vorläufig aus.

Er ließ die Katze an die Hintertür laufen und ihr Ohr dagegen legen; die Tür war zu dick, so daß er wieder nur Stimmen, aber keine Worte verstand.

Noch einmal langsam um das Haus. Im ersten Stock stand ein Fenster weit offen. Und jetzt sah er auch, daß die Zweige eines Baumes – oder jedenfalls einer davon – bis fast an das Fenster reichten. Dieser eine ragte etwas höher, aber unter dem Gewicht der Katze würde er sich wahrscheinlich genügend durchbiegen, um den Sprung in das offene Fenster zu ermöglichen.

Die graue Katze kletterte auf den Baum und arbeitete sich bis zu diesem Zweig vor. Ja, von hier aus konnte sie das Fenster erreichen. Aber zuerst warf sie einen Blick in das Zimmer und vergewisserte sich, daß die Tür offen stand, so daß er den Raum wieder verlassen konnte.

Er sprang. Vom Fensterbrett aus sah er zurück und bemerkte, daß er wie vermutet nicht mehr auf dem gleichen Weg zurück konnte. Der Zweig war wieder nach oben geschnellt und war jetzt zu weit vom Fenster entfernt. Aber zu; Not ließ sich bestimmt ein anderer Ausweg finden; Staunton würde wohl kaum sämtliche Fenster im Erdgeschoß dauernd geschlossen halten.

Er rannte in den Flur hinaus und schlich dann leise die Treppen hinunter und durch die Diele, an die sich die Küche anschloß. An einer Stelle befand sich eine kleine Nische – der ideale Horchposten.

Die Tür eines Kühlschranks wurde zugeschlagen, und dann verstand er, was in der Küche gesprochen wurde.

13

»Möchten Sie wirklich nicht auch ein Glas Bier, Miß Talley?« fragte Doc. »Vom Diktieren bekomme ich immer einen trockenen Hals, aber beim Mitschreiben ist es bestimmt nicht viel besser.«