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Miß Talley schüttelte langsam den Kopf. »Dr. Staunton, wenn Sie nicht ... wenn das alles wirklich wahr ist, sollten Sie lieber mit dem Diktat beginnen, bevor ich vor Neugier platze.« Sie schlug ihren Schreibblock auf.

Doc zündete sich eine neue Pfeife an und ging dann in der Küche auf und ab, während er diktierte. Selbstverständlich nicht fließend, denn zwischen einzelnen Sätzen lagen oft Minuten, weil er sich auf die Tatsachen beschränken wollte, ohne dabei übertriebene oder voreilige Schlüsse zu ziehen. Deshalb war es nicht verwunderlich, daß er etwa eineinhalb Stunden brauchte, um die ersten drei Todesfälle zu beschreiben und den negativen Untersuchungsbefund aus Green Bay zu erwähnen.

Dann ließ er sich an dem Tisch nieder und klopfte wieder einmal seine Pfeife aus. »Wir sollten uns eine Pause gönnen, bevor ich den Fall Gross in Angriff nehme«, meinte er dazu. »Ich bin bestimmt schon drei oder vier Kilometer gelaufen, und Sie müssen allmählich einen Schreibkrampf bekommen haben.«

Miß Talley sah auf. »Nein, durchaus nicht, aber Sie haben eine Pause verdient. Für mich wird es eigentlich erst jetzt wirklich interessant, denn über den Selbstmord von Mr. Gross weiß ich fast gar nichts.«

»Schön, machen wir zehn Minuten Pause. Miß Talley. Wie wäre es inzwischen mit einem kleinen Bier?«

Miß Talley lehnte zuerst ab, ließ sich aber dann doch dazu überreden. »Wie viele Durchschläge möchten Sie, Dr. Staunton?« fragte sie nach dem ersten Schluck.

»Drei«, antwortete Doc. »Einen für mich selbst und zwei für meine beiden besten Freunde, deren Meinung ich gern erfahren möchte. Der eine ist ein ausgezeichneter Arzt, der mir sicher Auskunft darüber geben kann, ob eine ansteckende Krankheit existiert, die innerhalb kürzester Zeit nach der Übertragung bei Mensch und Tier zu Irresein und Selbstmord führen kann. Der andere ist Spezialist für Elektronenrechner. Von ihm möchte ich ausrechnen lassen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß alle diese Vorfälle miteinander in Verbindung stehen. Später werde ich Ihnen noch die Begleitbriefe dazu diktieren.«

»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich einen vierten Durchschlag für mich mache, Doktor?«

»Keineswegs, Miß Talley.«

Sie lächelte. »Ausgezeichnet. Ich hätte es auf jeden Fall getan, aber es ist mir lieber, wenn ich Ihre Erlaubnis dazu habe.«

Doc lachte. Er empfand Miß Talleys Interesse und Neugier als geradezu wohltuend, nachdem er den Sheriff nicht davon hatte überzeugen können, daß die gesamte sogenannte Untersuchung weit am Kern der Sache vorbeigegangen war. Und ihm gefiel ihre offene Art, in der sie zugegeben hatte, daß sie einen Durchschlag für sich selbst gemacht hätte. Die ganze Miß Talley gefiel ihm einfach.

Er überlegte sogar, ob er ihr nicht eine Stellung als Sekretärin in seiner Abteilung anbieten sollte, nachdem er vor kurzem endlich durchgesetzt hatte, daß dafür eine Planstelle vorgesehen wurde. Dort würde sie bestimmt mehr als hier verdienen und zudem ihre Fähigkeiten besser einsetzen können. Aber dieser Vorschlag hatte noch Zeit.

Nachdem sie ihr Bier ausgetrunken hatten, begann Doc wieder auf und ab zu gehen und dabei zu diktieren. Gegen halb fünf war er damit fertig. »Das wäre es also für heute, Miß Talley«, sagte er und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Lassen Sie mich ein bißchen ausruhen, dann fahre ich Sie nach Hause.«

»Wollten Sie nicht noch etwas über die Schlüsse sagen, die Sie daraus ziehen?« fragte Miß Talley enttäuscht.

»Ich habe es mir anders überlegt«, antwortete Doc. »Ich will damit noch etwas warten, bis ich mehr erfahren habe. Außerdem wäre es falsch, wenn ich sie jetzt diktieren würde. Meine beiden Freunde, der Arzt und der Mathematiker, sollen ihre eigenen Überlegungen anstellen, ohne dabei beeinflußt zu werden. Miß Talley, ich habe nur sehr vage Vorstellungen – und glaube selbst nicht recht daran.«

»Das sehe ich ein. Aber warum wollen Sie nicht gleich die beiden Briefe diktieren? Dann könnten Sie wenigstens alles zusammen abschicken.«

»Eigentlich haben Sie recht, aber im Augenblick bin ich der Sache nicht mehr ganz gewachsen. Am besten diktiere ich sie Ihnen, wenn Sie das andere geschrieben haben. Dann lese ich das Geschriebene nochmals durch, während Sie die Briefe schreiben. Einverstanden?«

Miß Talley nickte und blätterte in ihrem Block. »Ich nehme an, daß ich zwei Tage brauchen werde, um das hier in die Maschine zu schreiben. Wenn ich auch abends arbeite, können Sie es Donnerstag mittag haben.«

»Arbeiten Sie normalerweise auch abends?«

»Nein, aber das hier ist schließlich keine Arbeit – und ich nehme dafür auch keinen Cent an. Doktor, das hier ist die aufregendste Geschichte, die ich je gelesen habe. Und auf das Geld bin ich nicht angewiesen. Wenn Sie mir unbedingt etwas geben wollen, haben Sie leider den Nachmittag vergeudet, denn dann müssen Sie alles noch einmal jemand anderem diktieren.«

Staunton seufzte. Er begriff, daß sie jedes Wort so meinte, wie sie es gesagt hatte, und daß es sinnlos war, etwa mit ihr diskutieren zu wollen. Gut, dann würde er sich eben nach seiner Rückkehr nach Boston mit einem Geschenk revanchieren – oder ihr den Posten verschaffen, an den er schon vorher gedacht hatte.

»Ausgezeichnet, Miß Talley. Aber dann betrachte ich Sie als meinen Partner, von dem ich notfalls auch mehr verlangen kann.«

»Einverstanden, Doktor. Woran haben Sie dabei gedacht?«

»Vielleicht könnten Sie sich in der Stadt ein bißchen umhören. Ich komme zwar selbst fast jeden Tag nach Bartlesville, aber trotzdem befürchte ich, daß mir unwichtig erscheinende Einzelheiten entgehen können, die aber unter Umständen doch bedeutend sein könnten. Sie wissen jetzt genauso viel wie ich, deshalb glaube ich, daß Sie die Spreu vom Weizen trennen würden, bevor Sie etwas an mich weitergeben.«

»Selbstverständlich, Doktor. Aber wie soll ich Sie benachrichtigen, wenn ich etwas erfahren habe? Sie haben doch kein Telefon, oder?«

»Nein, und jetzt bedaure ich es zum erstenmal. Aber ich gehe jeden Tag auf die Post, um nach Briefen zu fragen. Wenn Sie dort hinterlassen, daß ich Sie anrufen soll, erhalte ich die Nachricht bestimmt. Schön, dann komme ich also Donnerstag zu Ihnen. Können wir jetzt fahren?«

Sie verließen das Haus und stiegen in den Wagen. Als Doc gerade den Motor angelassen hatte, wandte Miß Talley sich an ihn. »Oh, ich wollte Ihre Katze eigentlich noch ein bißchen streicheln, aber jetzt habe ich es doch vergessen. Na ja, das kann ich später immer noch nachholen.«

Doc drehte sich zu ihr um. »Katze?« fragte er erstaunt. »Miß Talley, ich habe keine Katze. Haben Sie eine in dem Haus gesehen?«

»Ich ... ja, ich habe es mir jedenfalls eingebildet. Ich kann es nicht beschwören ...«

Doc stellte den Motor ab. »Vielleicht ist aus Zufall eine streunende Katze hereingekommen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich sie erst hinauslassen, bevor wir fahren, damit sie nach Hause kann.«

Er ging in das Haus zurück und durchsuchte sämtliche Räume, ohne die Katze zu finden. Die Fenster im Erdgeschoß waren alle geschlossen oder nur einen Spalt breit geöffnet. Nur im ersten Stock stand das Schlafzimmerfenster weit offen. Aber wie konnte eine Katze bis in diese Höhe gelangen? Doc sah nachdenklich aus dem Fenster, als ihm die Zweige eines benachbarten Baumes auffielen. Ja, das war möglich. Eine Katze konnte von dort aus auf das Fensterbrett springen – aber unmöglich wieder zurück. Auch ein Sprung aus dem Fenster erschien ausgeschlossen, denn der Boden darunter war so steinig, daß ein Sprung aus dieser Höhe tödlich sein mußte.

Dann fiel ihm plötzlich ein, daß diese Katze – falls sich wirklich eine in dem Haus aufhielt – vielleicht sterben wollte, die Katze auf der Gross-Farm hatte doch anscheinend ebenfalls den Tod gesucht, und die anderen Tiere ...

Er schloß das Fenster, ging die Treppe hinab und verließ das Haus. Wenn sich wirklich eine Katze eingeschlichen hatte, würde sie jedenfalls noch da sein, bis er zurückkam, so daß er sich dann mit ihr befassen konnte.