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Und am wichtigsten war es im Augenblick, sich selbst, seinen eigenen Körper in ein sicheres Versteck zu bringen. Er mußte ihn verstecken, bevor andere Menschen (jetzt dachte er in Ausdrücken, die Tommy geläufig waren) vorbeikamen und ihm Schaden zufügen konnten.

Er suchte in Tommys Gedanken und Erinnerungen nach einer geeigneten Stelle und hatte bald eine entdeckt. Etwa einen Kilometer von der Lichtung entfernt befand sich eine Höhle in einem bewaldeten Hügel. Eine kleine Höhle, die anscheinend niemand außer Tommy kannte, der sie vor Jahren einmal entdeckt hatte. Zudem bestand der Boden der Höhle aus feinem Sand.

Er erhob sich leise und vorsichtig, um das schlafende Mädchen nicht aufzuwecken. Er hätte sie ohne weiteres umbringen können, aber das hätte die Angelegenheit nur unnötig kompliziert; der Parasit empfand zwar mit diesen minderwertigeren Lebewesen keinerlei Mitleid, tötete aber nur, wenn es wirklich unumgänglich war. Da er sich jetzt beeilen mußte – schließlich konnte jederzeit jemand den Weg benutzen –, hielt er sich nicht damit auf, seinem Wirt den Befehl zu geben, daß er sich zunächst anziehen solle. Tommy trug nur ein Paar blaue Socken; seine restlichen Kleidungsstücke – Schuhe, Unterhosen, Hose und ein Hemd – lagen noch an der Stelle, wo er sie abgelegt hatte.

Als er den Weg erreicht hatte, setzte er sich in einen leichten Trab und bewegte sich in Richtung auf die Höhle zu, nachdem er sich selbst vom Boden aufgehoben hatte.

Als er Tommys Gedanken durchforschte, entdeckte er die Antwort auf eine Frage, die ihn verblüfft hatte – warum Tommy und das Mädchen ihn nicht näher betrachtet hatten, obwohl sie ihn deutlich gesehen hatten. Von oben her gesehen glich er entfernt einem Tier, das auf der Erde (er kannte jetzt den Namen des Planeten, auf dem er sich befand) Schildkröte genannt wurde. Jeder, der nicht allzu genau hinsah, mußte in ihm eine etwa fünfzehn Zentimeter lange Schildkröte sehen, die Kopf und Beine eingezogen hatte. Diese Art von Tieren bewegte sich äußerst langsam und besaß keine große Intelligenz; Schildkröten belästigten die Menschen nicht, und diese stellten ihnen nicht immer nach. Gewiß, sie waren eßbar – er empfand den Geschmack von Schildkrötensuppe deutlich auf der Zunge –, aber ein Tier von dieser Größe war zu klein, um viel Suppe zu ergeben. Nur ein Mensch, der dem Hungertod nahe war, würde sich die Mühe machen, eine so kleine Schildkröte zu töten.

Diese zufällige Ähnlichkeit hatte ihn gerettet. Das und das Verhalten der Feldmaus, während sie sein Wirt gewesen war. Er hatte sie das Richtige tun lassen, wenn auch mit der falschen Absicht – ein weiterer glücklicher Zufall. Die beiden Menschen hatten weder Angst vor der Maus gehabt noch hätten sie das Tier vom Weg gejagt. Aber dann hatte sie das Mädchen gebissen und den Jungen angegriffen, wodurch die beiden in Angst versetzt wurden, die Maus könne Tollwut gehabt haben. Und diese Furcht brachte Tommy dazu, Charlotte so rasch wie möglich zu dem Versteck zu führen, wo sie nachsehen konnten, ob sie wirklich gebissen worden war. Sonst wären sie wohl langsam weitergegangen und vielleicht sogar stehengeblieben, als das Mädchen die Schildkröte sah. Wahrscheinlich hätte einer von ihnen das Tier aufgehoben, weil es eben doch nicht völlig wie eine Schildkröte aussah – und das wäre fatal gewesen, weil sie dann hätten erkennen müssen, daß sie gar keine Schildkröte vor sich hatten, sondern nur einen geschlossenen Panzer mit keinerlei Öffnungen für Kopf und Beine. Vermutlich hätten sie das seltsame Ding mit nach Hause genommen, wo vielleicht jemand auf die Idee gekommen wäre, es aufzubrechen, um zu sehen, was sich im Innern des Panzers verbarg. Das hätte das Ende des Parasiten bedeutet, selbst wenn er sich schnell einen anderen Wirt gesucht hätte, denn ohne seinen eigenen Körper war er nur begrenzte Zeit lebensfähig.

Jetzt ließ er Tommy so schnell wie möglich rennen, bis er von dem Weg abbiegen mußte. Dabei stellte er fest, daß sein Wirt dieses Tempo nicht sehr lange durchhalten konnte, deshalb ließ er zu, daß der Junge etwas langsamer lief.

Der Eingang der Höhle war eigentlich nur ein verhältnismäßig kleines Loch in der Erde; man mußte sich auf Hände und Knie niederlassen, wenn man hineinwollte, und der Parasit bemerkte zufrieden, daß die Öffnung von dichtem Unterholz verdeckt wurde.

Im Innern der Höhle herrschte ein ungewisses Halbdunkel, aber selbst durch Tommys Augen vermochte er sich einigermaßen zu orientieren. Und durch Tommys Gedächtnis konnte er sich ein Bild von seiner neuen Umgebung machen. (Sein Spürsinn, der unabhängig von jeder Beleuchtung funktionierte, arbeitete nur, wenn er sich in seinem eigenen Körper befand. Hatte er von einem Wirt Besitz ergriffen, dann war er auf dessen Sinnesorgane angewiesen, selbst wenn sie noch so unzulänglich waren.) Die Höhle war nicht übermäßig groß – etwa sieben Meter lang und nicht mehr als zwei Meter breit – und nur in der Mitte hoch genug, daß ein Mann darin aufrecht stehen konnte.

Der Parasit veranlaßte Tommy, ihn etwa in der Mitte der Höhle abzusetzen. Dann ließ er ihn mit den Händen den Sand aufgraben, bis der darunterliegende Fels zum Vorschein kam. Als nächstes erteilte er Tommy den Befehl, ihn in das Loch zu legen, es wieder aufzufüllen und den Sand festzuklopfen. Schließlich kroch der Junge rückwärts aus der Höhle und verwischte dabei sorgfältig alle Spuren, die er zuvor hinterlassen hatte.

Dann brachte er Tommy dazu, daß er sich in der Nähe des Höhleneingangs niederließ und dort wartete.

Jetzt hatte er keine Eile mehr. Jetzt hatte er ein sicheres Versteck gefunden und konnte sich genügend Zeit lassen, um Tommys Wissen in sich aufzunehmen, es zu katalogisieren und es als Grundlage für seine langfristigen Pläne zu benutzen.

Außerdem mußte er sich überlegen, was er in nächster Zeit mit seinem Wirt vorhatte. Er hatte bereits erkannt, daß Tommy nicht der ideale Wirt war, nach dem er suchte. Aber für den Augenblick war er gut genug. Tommy besaß vermutlich einen durchschnittlichen I.Q. für seine Rasse (so dachte Tommy jedenfalls von sich selbst), aber sein Wissen war sehr begrenzt, denn er besaß nur nebelhafte Vorstellungen von Physik, Chemie und anderen Naturwissenschaften.

Aber Tommy war gut genug – für den Augenblick.

3

Charlotte Garner wachte auf und mußte erst einen Augenblick lang überlegen, wo sie sich befand. Ihr war kalt, denn sie lag im Schatten eines Busches, obwohl sie vor einiger Zeit im warmen Sonnenschein eingeschlafen war. Das bedeutete, daß die Sonne jetzt bereits tief im Westen stehen mußte. Verblüfft hielt sie den linken Arm in die Höhe, um die Uhr ablesen zu können – und war noch mehr verblüfft. Sie hatten fast drei Stunden geschlafen. Selbst wenn sie sofort aufbrachen und sich sehr beeilten, würden sie noch eine halbe Stunde zu spät zum Abendessen nach Hause kommen. Wahrscheinlich machten ihre Eltern sich bereits Sorgen um sie, denn sonst war sie immer pünktlich zu den Mahlzeiten gekommen.

Sie drehte sich rasch auf die Seite, um Tommy zu wecken. Tommy war verschwunden. Aber seine Kleidungsstücke lagen noch an der gleichen Stelle, wo er sie abgelegt hatte. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie, aber dann erkannte sie, was geschehen sein mußte. Tommy war anscheinend kurze Zeit vor ihr aufgewacht und hatte die Lichtung verlassen, weil er eine natürliche Regung verspürte. Sehr weit konnte er sich nicht entfernt haben, denn sonst hätte er sich anziehen müssen. Wahrscheinlich würde er gleich zurückkommen.

Und da er selbst keine Uhr trug, hatte er vielleicht noch gar nicht bemerkt, wie spät es bereits war. Aber Charlotte wußte es nur zu gut. Sie zog sich hastig an und setzte sich dann noch einmal auf die Erde, um ihre Sandalen überzustreifen.

Noch immer kein Lebenszeichen von Tommy. Wenn Charlotte sich auch seinetwegen noch keine Sorgen machte, so wollte sie ihn doch zu größerer Eile anspornen und rief deshalb nach ihm. Er antwortete nicht. Allerdings würde er sich kaum außerhalb der Hörweite entfernt haben – und wahrscheinlich befand er sich bereits auf dem Weg zurück, deshalb antwortete er gar nicht erst. Sie holte einen Kamm aus Tommys Tasche, fuhr sich damit durch ihre kurzgeschnittenen Haare und steckte ihn wieder an seinen Platz zurück.