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Doc kam an diesem Tag so frühzeitig nach Hause zurück, daß er genügend Zeit hatte, um am Nachmittag zum Angeln zu gehen. Die Katze hatte sich anscheinend mit ihrem Schicksal abgefunden, denn sie versuchte nicht mehr an ihm vorbei ins Freie zu gelangen, als er das Haus betrat und es kurze Zeit später wieder verließ. Sie hatte sich bereits akklimatisiert.

Oder hatte sie nur jedes Wort verstanden und wußte genau, daß er sie am Montag hinauslassen wollte? Doc schlug sich den Gedanken daran aus dem Kopf und freute sich lieber im voraus auf einen geruhsamen Nachmittag.

Obwohl er um die falsche Tageszeit zum Angeln gegangen war, hatte er bereits nach einer Stunde fünf mittelgroße Forellen in seinem Eimer. Damit gab er sich vorläufig zufrieden, denn mehr konnte er auf keinen Fall an einem Tag essen, selbst wenn er auch die Katze damit fütterte. Und frische Bachforellen schmeckten wesentlich besser als solche, die im Kühlschrank aufbewahrt worden waren.

Nach seiner Rückkehr bereitete er drei davon zu und aß selbst zwei, während die Katze den dritten Fisch gierig verschlang. Doc sah ihr belustigt zu. »Gut, Katze«, meinte er dann, »von mir aus kannst du das als Bestechung ansehen. Aber wenn du bei mir bleibst, bekommst du wahrscheinlich nur jeden dritten Tag Forelle – keinesfalls täglich.«

Nach dem Frühstück am Montagmorgen überlegte Doc, ob er die Katze wirklich ins Freie lassen sollte, um zu sehen, ob sie nach vier oder fünf Stunden am frühen Nachmittag zurückkam. Ja, er würde den Versuch machen, denn ewig konnte er das Tier ohnehin nicht eingesperrt halten. Er würde der Katze die Freiheit wiedergeben und sie selbst entscheiden lassen, ob sie zu ihm zurückkehren wollte.

Aber wenigstens wollte er auf eine Kleinigkeit achten. Er hatte ein hervorragendes Fernglas bei sich, mit dem er sich an einem der Fenster im ersten Stock postieren wollte, nachdem er die Katze hinausgelassen hatte. Von dort aus konnte er dann beobachten, in welche Richtung sie verschwand, ob sie zu den Kramers zurücklief, im Wald untertauchte oder in der Nähe des Hauses blieb.

Er warf einen Blick aus dem Fenster und sah, daß draußen ein leichter Regen fiel. Wenn er heftiger wurde, war es denkbar, daß die Katze überhaupt nicht ins Freie wollte, weil sie wasserscheu war. Aber der Nieselregen hörte schon eine Viertelstunde später auf.

Genau um zehn Uhr – Doc wollte sein Versprechen halten, nachdem er vor einigen Tagen diesen Zeitpunkt erwähnt hatte – ging er durch das Wohnzimmer an der Katze vorbei zur Haustür. »Möchtest du einen kleinen Spaziergang machen, Katze?« fragte er und öffnete dabei die Tür.

Die Katze schien verstanden zu haben. Sie sprang zu Boden, streckte sich umständlich und ging mit erhobenem Schwanz an Doc vorbei durch die Tür.

Staunton nahm das Fernglas und rannte die Treppe hinauf. Zuerst versuchte er es mit dem Fenster seines Schlafzimmers, das sich als das richtige erwies; die Katze hatte den Hof bereits halbwegs überquert und bewegte sich in Richtung auf das Ende der Straße zu. Sie zeigte keine besondere Eile, hielt sich aber auch nicht allzu lange auf, sondern bewegte sich mit der Gelassenheit einer Katze, die ein bestimmtes Ziel vor Augen hat und keinen Grund zur Eile sieht.

Wahrscheinlich will sie zu den Kramers zurück, dachte Doc. Schön, ihm war es auch recht, denn vielleicht ersparte ihm das später einige Schwierigkeiten. Mrs. Kramer hatte ihm die Katze so bereitwillig überlassen, daß er sich vorstellen konnte, wie lange er später nach einer Bleibe für das Tier hätte suchen müssen. Und da er die Katze bestimmt nicht einfach zurückgelassen hätte, wäre ihm nichts anderes übriggeblieben, als sie mit nach Boston zu nehmen. Was hätte er aber dort mit ihr anfangen sollen?

Als die Katze das Ende der Straße erreichte, blieb sie stehen, wandte den Kopf und sah zu dem Haus zurück, das sie erst vor wenigen Minuten verlassen hatte. Doc trat rasch von dem Fenster zurück, beobachtete das Tier aber trotzdem weiter. Sah die Katze zurück, weil sie sich noch nicht entschieden hatte, ob sie wirklich nach Hause zurücklaufen sollte? Oder sah sie sich um, weil sie feststellen wollte, ob er ihr nachsah? Er wußte ziemlich sicher, daß sie ihn hinter dem Fenster nicht erkennen konnte.

Die Katze blieb etwa eine Minute lang unbeweglich stehen und überlegte entweder, oder vergewisserte sich, daß sie nicht beobachtet wurde. Was tat sie wirklich?

Dann bewegte sie sich wieder, diesmal etwas schneller, aber nicht die Straße entlang, die zu der Kramer-Farm führte. Statt dessen überquerte sie die Straße und verschwand im Unterholz, wo Doc sie schon nach wenigen Metern aus den Augen verlor.

Staunton senkte das Fernglas und kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr. Eigentlich hatte sie sich völlig normal benommen, aber trotzdem ...

Dann fiel ihm der Nieselregen ein, der vor einer halben Stunde niedergegangen war. Der Boden war bestimmt noch feucht davon, so daß die Katze Spuren hinterlassen haben mußte. Und warum sollte er ihnen nicht einfach folgen, um möglicherweise herauszubekommen, wohin sie verschwunden war? Schließlich hatte er im Augenblick wirklich nichts zu tun, so daß ein Spaziergang in der frischen Luft nur eine angenehme Abwechslung bedeutete.

Er brach sofort auf und nahm sich nur noch die Zeit, einen Hut aufzusetzen und einen Regenmantel mitzunehmen, falls es wieder zu regnen beginnen sollte. Die Spuren der Katze waren in dem feuchten Erdreich deutlich zu erkennen, und Doc beugte sich nieder, um sie sich einzuprägen, damit er nicht aus Versehen einer Wildfährte folgte.

Im Wald traten die Spuren weniger deutlich hervor, denn dort hatte der Regen den Boden kaum erreicht, und die Abdrücke waren im Gras zwischen den Bäumen nur schwach zu sehen. Doc hatte beträchtliche Mühe, der Spur zu folgen, bis ihm endlich auffiel, daß die Katze keinerlei Umwege gemacht hatte, sondern sich in einer geraden Linie bewegt zu haben schien.

Von dann ab kam Doc schneller voran. Er überquerte alle mit Gras bewachsenen oder trockenen Stellen in gerader Linie und brauchte nicht lange zu suchen, denn die Spur begann genau dort wieder, wo er stand.

Er hatte bereits etwa zwei Kilometer zurückgelegt, als die Spur plötzlich zu Ende war – am Ufer eines Bachs, der an dieser Stelle kaum breiter als einen Meter war? War die Katze darüber hinweg gesprungen? Doc sprang selbst hinüber und suchte nach etwa vorhandenen Abdrücken. Ohne Erfolg. Der Boden auf beiden Seiten des Bachs war feucht; die Spur der Katze bis an das Wasser ließ sich eindeutig verfolgen. Aber die Katze war nicht hinübergesprungen, sonst hätte Doc am anderen Ufer die Abdrücke ihrer Pfoten finden müssen.

Staunton stand wie vor den Kopf geschlagen und folgte dann dem Bachlauf. Bachabwärts, selbstverständlich. Die Strömung war nicht allzu stark.

Schon zwanzig Schritte weiter sah er genau das, was er zu sehen gefürchtet hatte.

Im Wasser lag eine ertrunkene graue Katze.

Ein offensichtlicher Selbstmord. Sogar noch eindeutiger als der Hund, der vor Docs Wagen gelaufen war; als die Eule, die durch ein Fenster geflogen war; als die Feldmaus, die Tommy Hoffmann angegriffen hatte; oder als die andere Katze, die zu dem bissigen Hund gerannt war.

Und dieses Tier hatte einige Tage in seinem Haus verbracht. Es hatte sein Angebot mit der Pistole nicht angenommen, es war nicht in einen Hungerstreik getreten und hatte auch sonst keinen Selbstmordversuch unternommen.

Nein, es hatte ruhig abgewartet, bis es tief im Wald unbeobachtet Selbstmord begehen konnte, wo sein Körper wahrscheinlich nie gefunden worden wäre – wenn Doc nicht doch mißtrauisch genug gewesen wäre, um der Spur zu folgen.

Hatte die Katze also doch jedes Wort verstanden und sich eiskalt überlegt, daß es weniger verdächtig war, wenn sie geduldig wartete, anstatt schon früher einen Selbstmordversuch zu begehen?