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Aber ... Selbstmord allein war sinnlos. Welchen Grund hatte die Katze dafür gehabt?

Die Katze war früher eine ganz gewöhnliche Katze gewesen; Doc hatte sich selbst davon überzeugen können. Der Hund Buck war früher ein ganz gewöhnlicher Hund gewesen, bevor er seinen Herrn verließ und unter die Räder des Autos lief.

Gebrauchte etwas die Tiere – jedes für einen ganz bestimmten Zweck – und ließ sie dann Selbstmord begehen, um wieder frei zu werden?

Was hatte die Katze kontrolliert, während sie bei ihm lebte?

Und wie stand es mit den Menschen, mit Tommy Hoffmann und Siegfried Gross? Waren auch sie für bestimmte Zwecke gebraucht worden, hatten sie Aufgaben übernehmen müssen, für die andere Wirte ungeeignet waren, und waren auch sie später zum Selbstmord veranlaßt worden?

Aber von wem? Und weshalb?

Doc erinnerte sich daran, wie er die Katze gestreichelt hatte, bis sie vor Vergnügen schnurrte. Was hatte er eigentlich gestreichelt?

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er dachte an das Gefühl der Unsicherheit, das er empfunden hatte, als die Katze sich vor ihm versteckte – war das wirklich erst Donnerstagabend gewesen? –, aber das war nichts im Vergleich zu jetzt.

Damals hatte er nur Vermutungen angestellt. Jetzt wußte er etwas.

Aber was wußte er eigentlich? Nur daß er Angst hatte.

Er beugte sich vor, holte die tote Katze aus dem Wasser und trug sie in das Haus zurück. Dort wickelte er sie in eine alte Decke und legte sie auf den Rücksitz des Kombiwagens. Um sie nach Green Bay zu bringen, damit sie dort untersucht werden konnte? Er hatte sich noch nicht entschieden, aber die Möglichkeit bestand noch immer, falls er sich dazu entschließen sollte. Aber worauf mußte er sie denn untersuchen lassen? Ganz sicher nicht auf Tollwut, denn die Katze war noch völlig normal gewesen, als er sie vor einer Stunde ins Freie gelassen hatte.

Dann fiel ihm ein, was er vor allem erledigen mußte. Kurze Zeit später klingelte er an Miß Talleys Tür.

»Doktor!« rief sie aus, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte. »Ist etwas passiert? Kommen Sie doch herein!«

Staunton nickte ernst. »Ja, mit der Katze. Aber ich möchte Ihnen den Bericht gleich als Nachtrag diktieren. Wenn Sie Ihren Schreibblock holen wollen ...«

Miß Talley holte ihn, und ihre Augen glänzten aufgeregt, als er sprach und sie mitschrieb. Er schilderte die Episode mit der Katze in allen Einzelheiten von Anfang bis zum Ende und brauchte über eine Stunde dazu.

Dann sah Miß Talley auf. »Doktor! Jetzt müssen Sie den Sheriff verständigen! Oder vielleicht sogar das FBI, wenn der Sheriff Sie nicht ernst nimmt.«

Staunton nickte nachdenklich. »Das werde ich auch tun, Miß Talley. Aber zunächst möchte ich Ihnen die beiden Briefe an meine Freunde diktieren, denen ich den Bericht zusenden will.«

Er diktierte wieder, und die Briefe wurden länger, als er vorgehabt hatte; als Miß Talley den Bleistift absetzte, war es fünf Uhr geworden.

»Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, meinte Staunton lächelnd. »Wollen Sie mit mir in der Stadt essen? Dann fahre ich Sie wieder hierher zurück, damit Sie mit der Schreibarbeit anfangen können. Und morgen früh spreche ich mit dem Sheriff und gebe die Briefe auf – Luftpost und Eilboten.«

»Danke für Ihre Einladung. Aber – wollen Sie wirklich dort draußen in dem Haus übernachten? Alle diese Vorfälle haben doch ganz in der Nähe begonnen. Und jetzt noch die Sache mit der Katze – in Ihrem eigenen Haus!«

Staunton lächelte. »Keine Angst, Miß Talley, heute nacht passiert mir bestimmt nichts«, beruhigte er sie.

Und das stimmte auch, denn der Parasit war anderweitig beschäftigt.

17

Der Parasit hatte sich endlich aus dem Körper seines Wirts befreit, für den er keine weitere Verwendung mehr hatte, und befand sich wieder in seinem eigenen unter der Treppe auf der Gross-Farm. Er fühlte sich erleichtert und war mit dem zufrieden, was er getan hatte. Die Katze war so weit in den Wald hineingelaufen, bevor sie sich ertränkte, daß sie dort vermutlich kein Mensch finden würde. Staunton würde sich vielleicht über das Verschwinden der Katze wundern – aber Staunton würde nie etwas davon erfahren, weil er ab heute nacht nicht mehr Doc Staunton sein würde, sondern der Wirt des Parasiten.

Der Parasit hatte einen sehr einfachen Plan gefaßt, den er sich überlegt hatte, während er das Faulenzerdasein einer richtigen Katze führte. Er war davon überzeugt, daß er nie aus der Rolle gefallen war; er hatte keinen einzigen Fehler begangen. Stauntons Angebot mit der Pistole hatte ihn einen Augenblick lang gereizt – aber dann hatte er die Absicht erkannt, die der Mann damit verfolgte. Staunton hätte ihn bestimmt nicht erschossen, sondern im Gegenteil unter allen Umständen am Leben erhalten. Wahrscheinlich hätte er die Katze sogar mit Gewalt gefüttert, wenn sie die Nahrungsaufnahme verweigert hätte ...

Aber das lag jetzt alles hinter ihm, und nach dieser Nacht würde er sich völlig in Sicherheit befinden. Er würde von dem einzigen Menschen Besitz ergreifen, der ihm gefährlich werden konnte und gleichzeitig den perfekten Wirt darstellte.

Der Parasit empfand es als so wichtig, möglichst frühzeitig von Staunton Besitz zu ergreifen, daß er sich nicht einmal von einem Tier zu dessen Haus bringen lassen wollte. Mrs. Gross eignete sich besser für diese Aufgabe. Er wollte bis zwei Uhr morgens warten, weil dann vermutlich alle anderen Menschen längst schliefen, und sich von ihr in Stauntons Nähe verstecken lassen. Dann würde sie nach Hause zurückkehren, um dort zu sterben. Am besten durch einen gestellten Unfall – vielleicht durch einen Sturz die Treppe hinunter. Selbstverständlich würde dieser Todesfall wieder Aufsehen erregen, aber das spielte keine Rolle, denn eine Minute nach ihrem Tod würde er von Staunton Besitz ergriffen haben, wodurch jede Gefahr gebannt war. Sollten die anderen sich nur wundern; der Parasit würde sich jedenfalls in Sicherheit befinden.

Er gebrauchte seinen Spürsinn, um sich wieder mit seiner Umgebung vertraut zu machen und etwa eingetretene Veränderungen zu registrieren.

Mrs. Gross befand sich allein in dem Haus. Sie stand in der Küche und sterilisierte Einmachgläser. Im Hof und im Stall hatte sich nichts verändert, aber die drei Kühe standen nicht mehr an ihrem Platz. Ohne Zweifel waren sie auf der Weide. Alles schien in bester Ordnung.

Mrs. Gross verließ das Haus – und stieg über den Parasiten hinweg, als sie die Treppe hinunterging. Er folgte ihr aus reiner Neugier mit seinem Spürsinn, weil er sonst nichts anderes zu tun hatte. Sie ging um den Stall herum und blieb dort stehen. »Jim!« rief sie laut. »Juuhuu, Jim!« Er hörte eine andere Stimme, die ihr antwortete, obwohl er die Worte nicht verstehen konnte.

Dann erinnerte er sich. Das mußte Mr. Kramers Sohn sein, der Mrs. Gross während der Schulferien bei der Arbeit half, wie sein Vater ihr vorgeschlagen hatte.

Er konnte sich Jim vorstellen – schließlich hatte die Katze Pat den Kramers gehört: ein kräftiger Junge in Tommy Hoffmanns Alter. Das war allerdings ein wesentlich besserer Wirt als die ältliche, schwache Mrs. Gross. Aber er würde wohl kaum hier schlafen.

»Bringst du ein paar Maiskolben mit, Jim?« rief Mrs. Gross jetzt. »Ich koche sie uns zum Mittagessen. Und vielleicht auch drei oder vier Gurken, wenn du an dem Beet vorbeikommst.«

Dann ging sie wieder in die Küche zurück.

Jim Kramer richtete sich auf, fuhr sich mit dem Hemdsärmel über die Stirn und kam quer über das Feld auf das Haus zu. Er war groß und kräftig, etwa in Tommys Alter, und hatte Tommy gekannt, obwohl sie nicht eigentlich befreundet gewesen waren. Sie hatten völlig verschiedene Zukunftspläne gehegt, was diese Tatsache erklärte. Tommy wollte nur Farmer werden, aber Jim wollte höher hinaus und studieren. Vielleicht Maschinenbau oder auch Chemie, wenn er damit mehr Geld verdienen konnte. Wahrscheinlich aber doch Maschinenbau, denn auf diesem Gebiet war er besonders begabt, was er dadurch bewies, daß er sämtliche Maschinen auf der Farm seines Vaters pflegte und notfalls reparierte.