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Er stammte von einem Planeten, der in einer Entfernung von dreiundsiebzig Lichtjahren um eine Sonne kreiste – in Richtung des Sternbilds Andromeda. Diese Sonne war von der Erde aus nur so schwach zu erkennen, daß sie nie einen Namen erhalten hatte, sondern nur als Nummer in den Sternkatalogen geführt wurde.

Er war nicht freiwillig gekommen; er war hierher geschickt worden. Nicht als Beobachter oder Vorbote einer Invasion (obwohl es dazu noch kommen konnte, falls er jemals zurückkehren sollte), sondern als ein Verbannter. Er hatte ein Verbrechen begangen. Um dieses Verbrechen erklären und beschreiben zu können, müßte man mit dem so völlig verschiedenartigen Gesellschaftssystem vertraut sein, dem der Parasit entstammte. Deshalb muß es genügen, wenn hier festgestellt wird, daß seine Strafe die Verbannung war.

Er war nicht in einem Raumschiff auf die Erde gekommen. Man hatte ihn mit Hilfe eines uns unbekannten Verfahrens per Energiestrahl ins All hinausbefördert. Diese Beschreibung ist ungenau, aber doch ebenso treffend, wie jeder andere Erklärungsversuch mit unseren sprachlichen Mitteln. Dieser Vorgang hatte sich blitzschnell abgespielt; eben hatte der Parasit sich noch auf seinem Heimatplaneten in dem Projektor befunden, aber bereits in der nächsten Sekunde lag er neben dem Weg in den Wäldern nördlich von Bartlesville, Wisconsin.

Sein Verbannungsort war bestimmt worden, ohne daß bekannt gewesen wäre, ob er bewohnt oder unbewohnt war, denn die Parasiten kannten Milliarden von Planeten, die wegen Zeitmangels noch nicht erforscht worden waren.

Jedenfalls befand er sich jetzt hier und wollte wieder nach Hause zurück. Es gab zwei entscheidende Gründe, die dies möglich erscheinen ließen.

Erstens hatte er Glück gehabt, als er auf einen Planeten geschickt wurde, auf dem intelligente Wesen lebten, die naturwissenschaftliche Kenntnisse besaßen, selbst wenn diese noch so primitiv waren. Auf einem unbewohnten Planeten wäre der Parasit völlig hilflos gewesen. Aber auch auf einem bewohnten, auf dem sich noch keine intelligenten Spezies entwickelt hatten, denn dort hätte er vielleicht einen Projektor konstruieren können, aber die Aussichten dafür wären denkbar gering gewesen. (Sie brauchen sich nur vorzustellen, wie schwer es für einen Dinosaurier wäre – selbst mit entsprechender Anleitung –, ein Germaniumvorkommen aufzuspüren, das Metall zu verarbeiten und daraus einen Transistor herzustellen.)

Zweitens würde er zu Hause freudig begrüßt werden und straffrei ausgehen – und sogar mit Ehrungen überhäuft werden –, falls er den Weg zurück fand. Jeder Verbannte hatte diese Chance, aber kaum einer von ihnen wußte sie zu nutzen.

Ein zurückgekehrter Verbannter wurde in der Tat hoch geehrt und als Held gefeiert, wenn er die Nachricht mitbrachte, daß es anderswo Lebewesen gab, die sich besser als die bisher gebräuchlichen Wirte für die Zwecke der Parasiten eigneten.

Und diese Bedingung konnte er erfüllen. Als Tommy ihn transportierte, war ihm aufgefallen, daß die Menschen neben vier Fingern an ihrer Hand auch einen Daumen besaßen, wie sonst keines der bekannten Lebewesen in der Galaxis. Der Parasit erfaßte sofort, daß die Menschen sich folglich ganz besonders für manuelle Verrichtungen eigneten. Vielleicht konnte er den Projektor so groß bauen, daß auch ein Mensch darin Platz hatte. Auf diese Weise wurde eine Expedition auf die Erde überflüssig – die Versklavung konnte sofort in großem Maßstab beginnen.

Alles das konnte er erreichen, wenn er überlegt und methodisch vorging, ohne dabei Fehler zu machen. Dabei hatte er bereits einen begangen, wie er jetzt wußte. Er hatte seinen gegenwärtigen Wirt gegen die Spielregeln des menschlichen Zusammenlebens verstoßen lassen, wodurch sich die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit auf ihn konzentrieren mußte. In den folgenden Tagen und Wochen würde Tommy Hoffmann neugierig und mißtrauisch beobachtet werden, was seinen Wert als Wirt mindern würde.

Was er hätte tun sollen – und was er getan hätte, wenn er Tommys Gedanken zuvor untersucht hätte –, war folgendes: Er hätte sich von Tommy verstecken lassen sollen – aber nicht in der weit entfernten Höhle, sondern vorerst nur in dem hohen Gras am Rande des Weges. Dann hätte er zu der noch immer schlafenden Charlotte zurückkehren müssen, um sich selbst wieder schlafend zu stellen. Auf diese Art und Weise hätte der Parasit genügend Zeit gehabt, um alles über die Beziehungen zwischen Tommy und dem Mädchen, die allgemein üblichen Reaktionen und das Gefühlsleben der Menschen in Erfahrung zu bringen. Mit Hilfe dieses neu erworbenen Wissens hätte er sich völlig normal benehmen können, so daß das Mädchen keinen Grund zum Verdacht gehabt hätte.

Später hätten sie sich wieder angezogen und wären nach Hause zurückgekehrt, wie sie es vorgehabt hatten. (Der Parasit konnte seinen Wirt über beträchtliche Entfernungen hinweg kontrollieren, wenn er erst einmal Besitz von ihm ergriffen hatte.) Am folgenden Morgen hätte Tommy allein zurückkehren müssen, um ihn in die Höhle zu tragen und dort zu verstecken. Dann hätte er nach Hause zurückkehren können, ohne unnötige Aufmerksamkeit zu erregen.

So hätte er vorgehen sollen, aber dazu war es bereits zu spät, als er darüber nachdachte. Folglich mußte der Plan genügen, den er sich unterdessen zurechtgelegt hatte. Er beruhte auf einer bei den Menschen vorkommenden Krankheit, die Tommy unter dem Namen Gedächtnisschwund bekannt war.

Tommy konnte die ganze Nacht vor der Höhle verbringen und sie bewachen. Früh am nächsten Morgen würde er dann seine Kleidungsstücke holen (das Mädchen hatte sie bestimmt zurückgelassen) und nach Hause gehen. Dort konnte er sich einfach genug herausreden. Er und das Mädchen waren müde gewesen, deshalb hatten sie sich ausruhen wollen. Dann war er eingeschlafen. Und im Morgengrauen war er an einer anderen Stelle im Wald aufgewacht, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen war. So weit konnte er unmöglich im Schlaf umhergeirrt sein – außerdem war Tommy kein Schlafwandler –, deshalb mußte er einen Grund dafür gehabt haben, an den er sich jetzt nicht mehr erinnern konnte. Ein klarer Fall von Gedächtnisschwund ... Vermutlich würde man ihn zu einem Arzt schicken, der nur mit den Schultern zucken würde. Von dann ab würde Tommy sich in den Augen der anderen völlig normal benehmen, bis er seine Rolle als Wirt ausgespielt hatte; dann würde er entweder Selbstmord begehen oder seinen Tod auf eine Weise herbeiführen, die auf einen Unfall schließen ließ.

Die Geschichte, die Tommy erzählen sollte, hatte einen Vorteil – sie widersprach dem Bericht des Mädchens in keinem Punkt, was sie auch immer erzählt haben mochte. Vielleicht hatte sie vor Angst ihrer Familie die ganze Wahrheit gebeichtet – daß sie und Tommy nackt geschlafen hatten, und daß er in diesem Zustand verschwunden war. Oder sie hatte diesen Punkt überhaupt nicht erwähnt. Wenn dies zutraf, stimmte seine Geschichte mit ihrer überein. Falls man ihm aber vorhielt, daß Charlotte etwas anderes erzählt hatte, dann konnte er immer noch schüchtern zugeben, daß er tatsächlich nackt gewesen sei. Jeder würde Verständnis dafür haben, daß er davon anfangs nichts erwähnt hatte.

Plötzlich schrak er aus seinen Gedanken auf. Durch Tommys Augen erkannte der Parasit zwei Lichtpunkte, die sich dem Eingang der Höhle näherten. Und durch Tommys Ohren hörte er das aufgeregte Kläffen eines Hundes, der einer Spur folgte, und stellte fest, daß es sich dabei um Buck, den Hund von Tommys Vater, handelte.

Er wußte sofort, was geschehen war. Tommys Vater hatte sich offensichtlich mehr Sorgen gemacht, als Tommy vermutet hatte. (Wahrscheinlich hatte Charlotte alles erzählt.) Tommy war der Meinung gewesen, daß man vielleicht morgen nach ihm suchen würde, aber nicht noch am gleichen Abend nach Anbruch der Dunkelheit. Und vor allem war er niemals auf den Gedanken gekommen, daß jemand Buck auf seine Spur ansetzen würde.

Aber jetzt näherten sie sich – zwei Männer und der Hund. Einer der Männer mußte Tommys Vater sein, der andere vermutlich Charlottes Vater.