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»Eines muss man dir lassen, Hexenmeister«, sagte er. »du bist zäh. Du gibst nicht auf, wie?«

Dann kam er auf eine leichtsinnige ldee: Er zog einen Krummsäbel unter dem Kaftan hervor und schob mit ihm das Sarazenenschwert in Andrejs Richtung.

»Du willst kämpfen, Giaur?«, höhnte er.

»Tu es. Nimm dein Schwert und wehr dich!« Andrejs Hand schloss sich um den Griff der vertrauten Waffe, des einzigen wertvollen Besitzes, den ihm sein Stiefvater Michail Nadasdy hinterlassen hatte. Abu Dun lachte noch immer und Andrej trat ihm mit solcher Wucht vor den Knöchel, das er haltlos zur Seite kippte und auf einen Tisch fiel, der unter seinem Aufprall in Stücke brach. Noch bevor er sich von seiner Überraschung erholen konnte, war Andrej auf den Füßen und über ihm. Sein Schwert machte eine blitzartige Bewegung und fügte Abu Dun eine tiefe Schnittwunde auf dem Handrücken zu. Der Krummsäbel des Piraten polterte zu Boden und Andrejs Sarazenenschwert bewegte sich ohne innezuhalten weiter und ritzte seine Kehle: Zu leicht, um ihn zu töten, aber doch so tief, das sich eine dünne, rasch mit Rot füllende Linie auf seinem Hals abzeichnete. Abu Dun keuchte und erstarrte.

»Du hättest besser auf Vater Domenicus gehört, Abu Dun«, sagte Andrej kalt.

»Manchmal reden die heiligen Männer nämlich nicht nur Unsinn, weißt du?«

Abu Dun starrte ihn aus hervorquellenden Augen an. Er begann am ganzen Leib zu zittern.

»Aber ... aber wie kann das sein?«, stammelte er. »Das ist unmöglich! Ich habe dir das Kreuz gebrochen!«

Andrej bewegte das Schwert, sodass Abu Dun gezwungen war, den Kopf immer weiter in den Nacken zu legen und sich schließlich rücklings und in einer fast unmöglichen Haltung in die Höhe zu stemmen.

»Teufel!«, presste er hervor. »Du ... du bist der Teufel! Oder mit ihm im Bunde!«

»Nicht ganz«, sagte Andrej. »Aber du kommst der Wahrheit schon ziemlich nahe.«

Er sah den neuerlichen Schrecken auf Abu Duns Gesicht und bedauerte seine Worte fast. Ihm war nicht wohl dabei, das er Abu Dun nun töten mußte. Jedoch: Das Geheimnis seiner Unverwundbarkeit mußte gewahrt bleiben, um jeden Preis! Trotzdem fuhr er fort:

»Vielleicht solltest du dir genau überlegen, was du jetzt sagst. Du solltest dir möglicherweise mehr Gedanken um deine Seele als um deinen Hals machen, Pirat.«

»Töte mich«, sagte Abu Dun trotzig. »Mach mit mir, was du willst, aber ich werde nicht vor dir kriechen.«

»Du bist ein tapferer Mann, Abu Dun«, sagte Andrej. Er dirigierte den Piraten mit dem Schwert weiter zurück, bis er rücklings auf die Liege fiel.

»Aber ich hatte nicht vor, dich zu töten. Deshalb bin ich nicht gekommen.« Abu Dun schwieg. In seinen Augen war eine so grenzenlose Angst, wie Andrej sie noch nie zuvor im Blick eines Menschen gesehen hatte, aber gerade das machte ihn nur umso vorsichtiger. Angst konnte aus tapferen Männern wimmernde Feiglinge machen, aber manchmal machte sie auch aus Feiglingen Helden.

»Du weißt, weshalb ich hier bin«, sagte er. Abu Dun schwieg weiter, doch Andrej sah, wie sich sein Körper unter den Kleidern ganz leicht spannte. Er bewegte das Schwert, und an Abu Duns Hals erschien eine zweite rote Linie.

»Du wirst die Gefangenen freilassen.«, sagte er.

»Du wirst deinen Männern befehlen, den Anker zu lichten und ans Ufer zu fahren. Sobald die Gefangenen an Land und in sicherer Entfernung sind, lasse ich dich laufen.«

»Das ist unmöglich«, sagte Abu Dun gepresst.

»Es ist viel zu gefährlich, bei Dunkelheit das Ufer dieses unberechenbaren Donauarms anzulaufen. Was glaubst du, warum wir in der Flussmitte vor Anker gegangen sind?«

»Dann wollen wir hoffen, das deine Männer so gute Seeleute sind, wie man es von türkischen Piraten allgemein behauptet«, sagte Andrej. Er wußte, das Abu Dun Recht hatte. Es gab Untiefen, Sandbänke und sogar Felsen in Ufernähe. Aber bis Sonnenaufgang würde noch viel Zeit vergehen. So lange konnte er nicht warten.

»Sie werden nicht auf mich hören«, sagte Abu Dun.

»Die Gefangenen ... sie erwarten eine hohe Belohnung, wenn wir sie abliefern.«

»Abliefern?« Andrej wurde hellhörig.

»Wo? An wen?« Abu Dun presste die Lippen aufeinander. Augenscheinlich hatte er schon mehr gesagt, als er vorgehabt hatte.

»An wen?«, fragte Andrej noch einmal; diesmal lauter. Er mußte sich beherrschen, um seiner Frage nicht mit dem Schwert mehr Nachdruck zu verleihen. Zu nichts verspürte er größeres Verlangen, als diesem Ungeheuer in Menschengestalt die Kehle durchzuschneiden, und er würde es tun. Aber nicht jetzt. Und er würde ihn nicht quälen. Abu Dun schürzte trotzig die Lippen.

»Töte mich, Hexenmeister«, sagte er.

»Von mir erfährst du nichts.« Andrej tötete ihn nicht. Aber er machte eine blitzschnelle Bewegung mit dem Schwert und schlug Abu Dun die flache Seite der Klinge vor die Schläfe. Der Pirat verdrehte die Augen, seufzte leise und verlor auf der Stelle das Bewusstsein. Er würde nicht lange ohnmächtig bleiben. Rasch durchsuchte Andrej das Zimmer, bis er zwei passende Stricke gefunden hatte. Mit einem davon band er Abu Duns Fußgelenke so aneinander, das der Pirat zwar gehen, aber nur unbeholfene kleine Schritte machen konnte, dann wälzte er den schweren Mann mit einiger Mühe herum, band seine nach oben gebogenen Handgelenke aneinander und schlang das Ende des Stricks um seinen Hals. Wenn Abu Dun auch nur versuchen sollte, sich zu befreien, würde er sich unweigerlich selbst erwürgen; kein Akt unnötiger Grausamkeit, sondern eine Vorsichtsmaßnahme, die ihm bei einem Mann wie Abu Dun angebracht zu sein schien. Der Pirat kam wieder zu sich, kaum das Andrej seine Aufgabe beendet hatte. Prompt versuchte Abu Dun, sich loszureißen und schnürte sich dabei den Atem ab. Andrej sah ihm einige Augenblicke lang stirnrunzelnd zu, dann sagte er ruhig:

»Lass es. Es sei denn, du willst mir die Mühe abnehmen, dir die Kehle durchzuschneiden.« Abu Dun funkelte ihn an. Die Furcht in seinen Augen war einer mindestens ebenso großen Wut gewichen. Er bäumte sich auf, schnürte sich abermals die Luft ab, und Andrej trat zufrieden zwei Schritte zurück, legte das Schwert aus der Hand und schlüpfte aus dem besudelten Gewand. Die Sachen, die er darunter trug, waren noch immer feucht und hatten einen Teil des üblen Geruchs angenommen. In einem Punkt hatte Abu Dun Recht gehabt: Er stank. Er steckte das Schwert ein, zog statt dessen einen rasiermesserscharfen, zweiseitig geschliffenen Dolch aus dem Gürtel und machte eine auffordernde Geste.

»Lass uns nach oben gehen«, sagte er.