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»Sei kein Dummkopf, Hexenmeister«, fuhr er fort.

»Ich schlage dir ein Geschäft vor. Du zahlst mir das, was ich für die Sklaven bekommen hätte, und ich bringe dich und deine Leute sicher nach Hause. Oder zumindest so nahe heran, wie es mir möglich ist.« Beinahe hätte Andrej gelacht.

»Wie kommst du auf die Idee, das ich dir traue?«

»Weil du ein kluger Mann bist«, antwortete Abu Dun in einem Ton, der überzeugender klang, als es Andrej lieb war.

»Ich mache Geschäfte. Mir ist es gleich, wofür ich mein Gold bekomme. Und hundert Passagiere sind angenehmer zu transportieren als hundert Sklaven, die man bewachen muss. Außerdem« fügte er mit einem Grinsen hinzu, »hast du im Moment eindeutig die besseren Argumente.« Obwohl er es nicht wollte, übten Abu Duns Worte eine gewisse Anziehungskraft auf Andrej aus. Die Frage, wie er die gut hundert zu Tode erschöpften Gefangenen eigentlich nach Hause bringen sollte, hatte ihn in den letzten Tagen beschäftigt wie keine andere, aber eine wirkliche Antwort hatte er noch nicht gefunden. Natürlich war es grotesk, auch nur mit dem Gedanken zu spielen, das er dem Piraten trauen konnte. Trotzdem fragte er:

»Und Vater Domenicus? Er wird nicht erfreut sein, wenn er hört, das du ihn verraten hast.« Abu Dun machte ein abfälliges Geräusch: »Was geht mich dieser lügnerische Pfaffe an? Er hat mir eine Ladung Sklaven zum Kauf angeboten. Er hat mir nicht gesagt, das sie unter dem Schutz eines leibhaftigen Dämonen stehen. Ist es eine Lüge, einen Lügner zu belügen?«

»Ist es klug, einem Verräter zu trauen?«, gab Andrej zurück.

»Ich bin kein Verräter«, antwortete Abu Dun.

»Ich mache Geschäfte. Aber ich verstehe, das du mir misstraust. Ich an deiner Stelle täte es wohl auch. Gut. Dann werde ich dir den Beweis meiner Ehrlichkeit liefern. Sieh zum Bug.« Andrej gehorchte - und sein Herz machte einen erschrockenen Satz in seiner Brust. Vor der kurzen Rammspitze des Schiffes waren zwei von Abu Duns Kriegern aufgetaucht, die eine dritte, wesentlich kleinere Gestalt zwischen sich hielten. Es war Frederic.

»Großer Gott«, murmelte er.

»Der wird dir jetzt wohl auch nicht mehr helfen«, sagte Abu Dun ruhig.

»Spielst du Schach, Hexenmeister?« Andrej antwortete nicht, sondern starrte Frederic aus ungläubig aufgerissenen Augen an. Der junge hing schlaff in den Armen eines der Piraten. Er schien bewußtlos zu sein. Der zweite Pirat hatte seinen Krummsäbel mit beiden Händen ergriffen und suchte mit gespreizten Beinen nach festem Stand; wohl um Frederic mit einem einzigen Hieb zu enthaupten was selbst für einen Deläny den sicheren Tod bedeuten würde. Andrej fragte sich, ob es Zufall war oder Abu Dun ihm die ganze Zeit etwas vorgemacht hatte und er sehr viel mehr über sie wußte, als er zugab.

»Tätest du es«, fuhr Abu Dun fort, »wüsstest du, das man eine solche Situation ein Patt nennt. Unangenehm, nicht? Wenn du mich tötest, töten sie ihn und wenn sie ihn töten, tötest du mich. Jetzt ist die Frage nur, wessen Leben mehr wert ist. Das des jungen oder meines.« Andrejs Gedanken überschlugen sich. Er kannte die Antwort auf Abu Duns Frage. Im Zweifelsfall würden seine Männer vermutlich wenig Rücksicht auf sein Leben nehmen. So etwas wie Piratenehre gab es nur in Legenden. Aber wenn er nachgab, bedeutete das ihrer beider sicheren Tod. Er wußte nicht, was er tun sollte. »Ich will es dir leicht machen«, sagte Abu Dun.

»Lasst den jungen los!« Den letzten Satz hatte er laut gerufen und er bediente sich wohl absichtlich Andrejs Sprache, damit er ihn verstand. Die beiden Männer, die Frederic gepackt hatten, reagierten nicht sofort. Auf ihren Gesichtern erschien ein unwilliger Ausdruck.

»Ihr sollt ihn loslassen oder ich lasse euch bei lebendigem Leib die Haut abziehen!«, brüllte Abu Dun. Die beiden Piraten zögerten noch einmal einen Moment, aber dann ließ der eine sein Schwert sinken und der andere trat einen halben Schritt zurück und ließ Frederic los. Der junge fiel auf die Knie, kippte auf die Seite und stemmte sich benommen auf Händen und Knien hoch, aber nur, um gleich wieder zu fallen. Er war mehr bewußtlos als wach. Erst beim dritten Versuch kam er in die Höhe, sah sich aus glanzlosen Augen um und torkelte auf Andrej und den Piraten zu.

»Jetzt bist du an der Reihe, Hexenmeister«, sagte Abu Dun.

»Du musst dich entscheiden, ob du mir traust oder nicht.« Selbstverständlich vertraute Andrej dem Piraten nicht. Ebenso gut konnte er einem Krokodil die Hand ins Maul legen und darauf hoffen, das es satt war. Das Schlimme war nur: Abu Dun hatte Recht. Die Gefangenen an Land zu bringen bedeutete nicht das Ende, sondern erst den Anfang ihrer Probleme. So unglaublich es ihm auch selbst erschien, er hatte die Augen vor diesem Problem bisher einfach verschlossen.

»Ich kann dir nicht trauen«, sagte er. Seine Stimme verriet mehr von seinem Zweifel, als er wollte.

»Dann wirst du mich wohl töten müssen«, sagte Abu Dun.

»Entscheide dich! Jetzt! Ich bin es müde, darauf zu warten, das du mir die Kehle durchschneidest.« Andrej wußte nicht, was er tun sollte.

»Verrate mir noch eins«, sagte er.

»Wohin wolltet ihr die Gefangenen bringen? Was hat dir Vater Domenicus gesagt?«

»Nichts«, antwortete Abu Dun unwillig.

»Ich hatte vor, die Donau hinaufzufahren und sie an einen anderen Händler zu verkaufen. Es ist Krieg. Jeder braucht Sklaven. Sie bringen einen guten Preis.« Andrej spürte, das das nicht die Wahrheit war.

»Du weißt, was dir passiert, wenn du mich hintergehst«, sagte er. »Du kannst mich töten, aber ich werde wiederkommen und dann werde ich dich und alle deine Männer töten und eure Seelen in die Hölle schicken.«

»Da kommen sie sowieso hin, fürchte ich«, seufzte Abu Dun.

»Aber ich bin nicht besonders versessen darauf, das es schon heute geschieht. Haben wir eine Abmachung?« Andrej zögerte eine unendlich lange, quälende Weile. Dann trat er zurück, durchtrennte mit einem schnellen Schnitt Abu Duns Fesseln und ließ den Dolch sinken.

»Nun?«, fragte Andrej.

»Haben wir eine Abmachung?« Abu Dun betrachtete seine Fingerspitzen. Dann sah er auf, runzelte die Stirn noch tiefer und nickte schließlich.

»Ja«, sagte er.

»Das haben wir.« Und damit schlug er Andrej die Faust mir solcher Wucht ins Gesicht, das dieser auf der Stelle das Bewusstsein verlor.

3

Als er erwachte, lag er auf einer weichen, angenehm warmen Unterlage, und schon beim ersten Räkeln wurde ihm bewusst, das seine Arme und Beine ungefesselt waren. Andrej öffnete die Augen, blinzelte verständnislos und benötigte einen kurzen Moment, um zu begreifen, das er sich in Abu Duns Kabine befand. Er lag auf der gleichen seidenbezogenen Liege, auf der er den Piraten vorhin aufgespürt hatte. Außerdem war er nicht allein. Frederic saß auf dem Schemel neben dem Bett, wach und unversehrt.

»Wie ...?«, begann Andrej und wurde sofort von Frederic unterbrochen.

»Der Pirat hat dich hergebracht«, sagte Frederic.

»Du warst nur einen kurzen Moment besinnungslos. Draußen vor der Tür steht eine Wache.« Das hatte Andrej gar nicht fragen wollen. Er setzte sich auf, stützte die Unterarme auf die Knie und ließ die Schultern nach vorne sinken. Seine Lippe blutete. Er hob die Hand und wischte das Blut weg, ehe er den Kopf wieder hob und Frederic mit einem zweiten, sehr viel längeren Blick maß. Der Junge erwiderte ihn mit einer Mischung aus Trotz und Schuldbewusstsein. Er war vollkommen durchnässt und seine Kleider hingen in Fetzen an ihm herab.

»Was ist passiert?«, fragte Andrej ruhig.

»Ich wollte dir helfen«, antwortete Frederic. Er sprach schnell, laut und in aggressivem Ton. Andrej verstand nicht genau, was Frederic überhaupt meinte.