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«Warum?«fragte Mimmi endlich.

«Das ist eben das Problem«, erwiderte Paul.»Liegt's an ihm oder an ihr? Entweder hat er keine Lust, oder sie kann ihn nicht reizen.«

«Ich tippe auf ihn«, sagte Mimmi.

«Und ich auf sie«, meinte Paul.

Das klang nach einem Spiegelbild der Vorgänge im ehelichen Schlafzimmer der beiden.

Paul blätterte um, dabei sagte er:»Die Englän. — «

Jäh brach er ab, als sei ihm das Wort im Hals steckengeblieben. Stille herrschte. Dann ächzte Paul schwer.

«Was ist?«fragte Mimmi ihn.

Keine Antwort. Wieder Stille.

«Ist deine Bank pleite, Paul?«

Der Scherz mißlang.

«Mimmi«, sagte Paul mit heiserer Stimme,»hast du deine Herztropfen bei der Hand?«

Mimmi Fabrici nahm, wenn sie sich aufregte, ein Herzstärkungsmittel, um dieses Feld nicht den Damen der Gesellschaft allein zu überlassen. Ihr Herz war zwar durchaus gesund, aber das zu glau-ben, lehnte sie ab, und sie hatte deshalb Dr. Bachern, den Hausarzt, entsprechend unter Druck gesetzt. Nach anfänglichem Widerstand hatte er ihr schließlich ein leichtes Mittel verschrieben, das ihr nicht schaden konnte.

«Meine Tropfen?«antwortete sie.»Warum? Ich wüßte nicht, wozu ich sie im Moment brauchen sollte. Ich fühle mich gut.«

«Nicht mehr lange«, sagte Paul, wobei er die Illustrierte sinken ließ.

Mimmi erschrak nun doch unwillkürlich. Pauls ganzer Kopf war hochrot zum Vorschein gekommen.

Urplötzlich erfolgte die Explosion. Paul haute mit der Faust auf den Tisch, daß die Tassen, die Butterschale, das Marmeladenglas, daß einfach alles, was sich auf dem Tisch befand, hochsprang.

«Sieh dir dat an!«schrie er, die Illustrierte seiner Frau vor die Nase haltend.»Sieh dir dat an, wat se jeworde is!«

«Wer?«fragte Mimmi.

«Deine Tochter!«

Mimmi warf verwirrte Blicke auf die Illustriertenseite, betrachtete die Fotos, auf die Pauls Zeigefinger wies. Ihre Augen wurden groß wie Wagenräder.

«Miß Nickeroog is se jeworde!«fuhr Paul schreiend fort.»Da, da steit se! Jroß im Bild, splitternackt! Ich fahre nach Nickeroog und haue ihr die >Miß Nickeroog< us de Locke!«

Er sprang auf und rannte wütend im Zimmer auf und ab. Mim-mi Fabrici nahm geschockt die Illustrierte zur Hand und betrachtete die Bildreportage über die Wahl der neuen Schönheitskönigin auf Nickeroog. Da war Karin abgelichtet, über eine Seite hinweg, wie sie über einen Laufsteg schritt, wie sie die Krone aufgedrückt bekam, wie sie lächelte und mit dem Veranstalter sprach, wie ihr ein alter Lebemann die Hand küßte und sie sich von einem Filmregisseur eine Karriere in Aussicht stellen ließ.

Mimmi Fabrici hatte Tränen in den Augen, als sie zu Ende gelesen hatte, und legte die Zeitschrift beiseite. Mit vor Rührung zitternder Stimme sagte sie leise:»Wundervoll.«

«Wundervoll?!«brüllte Paul Fabrici, vor ihr stehenbleibend.»Ich werde dem Balg dat ustrieve! Himmel, Arsch und Wolkenbruch! Da hört sich doch de Welt op! Du nennst dat wundervoll, wenn ding Kind sich splitternackt vor alle Männer hinstellt, von denen einer der Bock jeiler is als der andere!«

«Paul, ich bitte dich, mäßige dich«, sagte Mimmi erregt.»Ich kann dich nicht mehr hören. Was ist denn passiert? Unsere Tochter ist über Nacht eine Berühmtheit geworden. Ihre Fotos sind in der größten Illustrierten. Sie wurde gefilmt — hier steht es — man sagt ihr eine Zukunft voraus. Unserer Tochter, verstehst du? Andere würden sich die Finger ablecken. Aber was machst du? Du brüllst hier herum und startest einen Amoklauf, siehst mich an mit Augen, als ob du mich fressen wolltest.«

Großen Erfolg erzielte Mimmi damit nicht, lediglich den, daß Paul vom Dialekt abließ. Seine Lautstärke minderte er jedoch keinesfalls.

«Wer würde sich die Finger ablecken?«schrie er.»Deine sogenannte feine Gesellschaft^ das glaube ich, die ja!«Er tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Brust.»Aber nicht ich!«

Er rannte wieder auf und ab, fuhr fort:»Ich hole Karin sofort nach Hause zurück!«

«Du bist und bleibst ein Prolet«, sagte Mimmi giftig.

«So?!«brüllte Paul außer sich vor Wut.»Dann verstehe ich nicht, warum du dich an meinem Schweinstrog immer noch so gern satt frißt. Wohl weil dein Schweinskopp nach wie vor gut dazu paßt.«

«Paul!!!«

Mimmi Fabrici wankte im Sitzen und hielt sich an der Tischkante fest.

«Das ist zuviel«, stöhnte sie.»Womit habe ich das verdient? Mein Herz! Meine Tropfen!«

«Such sie dir, ja!«tobte Paul und riß die Illustrierte wieder an sich.»Da — deine Flausen sind das! Deine Flöhe, die du ihr ins Ohr gesetzt hast! Handkuß! >Königin der Insel< steht hier! Filmkarriere!«Er holte Atem.»Schluß jetzt damit! Aus! Sie kommt sofort zurück! Ich rufe sie an, und wenn sie nicht funktioniert, erscheine ich, wie gesagt, persönlich auf dieser Scheißinsel und sorge für Ordnung! Die ersten, aus denen ich Hackfleisch mache, sind dieser Veranstalter und dieser schleimscheißerische Kurdirektor!«

Mimmi Fabrici saß auf ihrem Stuhl und zitterte am ganzen Körper. Daß Paul wütend werden konnte, das kannte sie, aber was er sich jetzt geleistet hatte, übertraf jedes erträgliche Maß. Was war denn geschehen? Karin war ins Rampenlicht getreten, hatte sich zur Wahl gestellt und hatte gewonnen, weil sie hübsch war, hübscher als ihre Konkurrentinnen. Das ließ Mimmis Mutterstolz anschwellen, und sie war bereit, sich schützend vor ihre Tochter zu stellen, gleich einer Tigerin, die ihr Junges verteidigte, auch wenn der böse Feind, von dem Gefahr drohte, der Tigervater selbst war.

Paul Fabrici verließ das Zimmer. Er wollte rauchen, um sich wieder etwas zu beruhigen, und wußte, daß sich die Zigarrenkiste in einem anderen Raum befand.

Mimmi atmete auf, als der Wüterich verschwunden war. Sie begann zu träumen. Karins Leben wird sich ändern. Karin hatte zum Sprung angesetzt. Alle Chancen winkten ihr. Umschwärmt von Männern — nein, von Herren! — , konnte sie sich den Richtigen aussuchen. Karins Erfolg, ihr Ruhm, dachte Mimmi, wird schließlich auch ihren Vater mit dem, was geschehen ist und noch geschehen wird, wieder aussöhnen.

Draußen schellte es. Mimmi schreckte auf und wurde noch blasser, als an der Seite ihres Gatten ein großer junger Mann ins Zimmer trat, mit einem Exemplar der neuerschienenen Illustrierten in der Hand. Er wirkte etwas verlegen, kaute auf seiner Unterlippe.

«Guten Morgen, Frau Fabrici«, grüßte er.

«Guten Morgen, Herr Krahn«, erwiderte Mimmi nervös.

«Setz dich, Peter«, forderte Paul Fabrici den jungen Mann auf, mit der brennenden Zigarre auf einen leeren Stuhl zeigend.»Möchtest du eine Tasse Kaffee?«

«Ja, gerne«, antwortete der junge Mann, obwohl ihm viel eher nach einem Schnaps zumute gewesen wäre.

Mimmi rührte sich nicht.

«Mimmi«, sagte Paul ganz ruhig, aber mit einem gefährlichen Ausdruck in den Augen.

«Ja?«

«Hast du nicht gehört, was unser Gast möchte?«

«Nein.«

«Kaffee«, sagte Paul noch leiser, aber mit einem noch gefährlicheren Ausdruck in den Augen.

Mimmi Fabrici spürte, daß sie auf einem Pulverfaß saß; daß es nur noch des kleinsten Funkens bedurfte, um sie in die Luft fliegen zu lassen; daß dann nichts mehr sie dazu in die Lage versetzen würde, ihrer Tochter irgendwie förderlich zu sein.

Mimmi Fabrici erhob sich rasch, brachte Geschirr herbei und füllte ihrem unerwünschten Gast eine Tasse mit Kaffee. Sie konnte dabei ein leises Zittern ihrer Hand nicht unterdrücken.

«Danke, Frau Fabrici«, sagte der junge Mann.

«Bitte.«