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«Möchtest du einen Schuß Cognac reinhaben, Peter?«fragte Paul Fabrici.

«Ja, gerne.«

Mimmi fühlte sich davon nicht angesprochen, eigentlich mit Recht nicht, und reagierte deshalb auch nicht.

«Mimmi«, sagte Paul.

«Ja?«

«Hörst du nicht?«

«Was denn?«

«Du sollst Cognac bringen.«

«Ich? — Ich dachte, du.«

«Nein, du, verdammt noch mal!«sagte Paul mit anschwellender Stimme.

Nachdem Mimmi auch diese Kreuzwegstation hinter sich hatte, faltete sie die Hände in ihrem Schoß und wartete auf ihre Geißelung. Daß ihr etwas Ähnliches drohte, wußte sie, seit der junge Mann das Zimmer betreten und sie die Illustrierte in seiner Hand wahrgenommen hatte. Sie wollte aber das Ganze nicht ohne weiteres seinen Lauf nehmen lassen, dazu fühlte sie sich Karin gegenüber verpflichtet. Sie sah darin eine erste Probe.

«Ist der Kaffee noch warm genug, Peter?«fragte Paul Fabrici.

«Doch, ja.«

«Ihr habt in der Graf Adolf Straße eine neue Filiale eröffnet, höre ich.«

«Seit ein paar Tagen, ja.«

«Läuft's?«

«Das kann man noch nicht sagen, aber wir haben keine Sorge, daß es das nicht tun wird.«

«Der Meinung bin ich auch. «Paul wandte sich seiner Frau zu.»Und du, was denkst du?«

«Worüber?«

«Über diese Filiale.«

Mimmi zuckte die Achseln.

«Was soll ich darüber denken?«

Das klang so gleichgültig, daß sie gleich hätte sagen können, daß ihr diese Filiale nicht minder schnuppe wäre als die Erstellung einer Straßenampel in Brazzaville.

Gatte Paul lächelte grimmig.

«Siehst du«, sagte er,»wortwörtlich die gleiche Frage stellt sich auch Peter, allerdings in einem anderen Zusammenhang, Mimmi. Stimmt doch, Peter, nicht?«

Krahn räusperte sich.

«Ich wollte nur wissen.«

Dann verstummte er. Mit einem Mann, mit Paul Fabrici, hätte es sich draußen im Flur leichter geredet, als in Anwesenheit seiner Frau hier.

«Du wolltest wissen«, sprang ihm Paul bei,»was du über diese Veröffentlichung in der Illustrierten, die dir heute morgen in die Hände fiel, denken sollst.«

Krahn nickte und blickte Mimmi Fabrici an.

«Eine Karriere beim Film ist natürlich etwas sehr Verlockendes, Frau Fabrici«, meinte er dann, nachdem er sich noch einmal geräuspert hatte, und es war ganz offensichtlich, daß er von ihr Widerspruch erwartete, als er dies sagte. Doch ein solcher kam nicht.

«Ich könnte es von einem Mädchen verstehen, wenn es dem gegenüber alles andere zurückstellen würde «unternahm er einen zweiten Anlauf, der jedoch auch zum Scheitern verurteilt war.

«Sprechen Sie von meiner Tochter?«antwortete Mimmi kühl.

«Natürlich, Frau Fabrici, von Karin.«

«Dann ist es ja gut.«

«Was ist gut?«

«Das sie das von ihr verstehen werden.«

Geschlagen verstummte Peter Krahn, der tüchtige junge Metzger, der eine Schweineschulter von einem Schlegel zu unterscheiden wußte, aber Tolstoi nicht von Dostojewski, und dadurch nicht den Ansprüchen Mimmis genügte. Sein Blick wanderte hilfesuchend zu Paul Fabrici, dessen Zigarre dicke, drohende Wolken aussandte, wenn er an ihr zog.

In diesem Augenblick schellte das Telefon im Arbeitszimmer. Man hörte es durch zwei Türen. Automatisch erhob sich Paul Fabrici, der immer dazu neigte, auf einen geschäftlichen Anruf zu schließen, den er nicht versäumen wollte. Auch Peter Krahn wollte aufstehen, um mit Fabrici das Zimmer zu verlassen, wurde jedoch von diesem daran gehindert.

«Du bleibst sitzen«, sagte Paul zu ihm.»Ich bin gleich wieder da.«

Die Gelegenheit schien Mimmi günstig, dem jungen Mann die Illusionen, die er immer noch hegen mochte, zu zerstören.

«Herr Krahn«, sagte sie frei heraus,»Karin ist keine Frau für Sie. Es ist wirklich das beste, wenn Sie das möglichst rasch einsehen.«

Stumm blickte er sie an.

«Sie können so viele Mädchen haben«, fuhr sie fort.»Sie sind jung, gesund, tüchtig, sehen gut aus, haben Geld, ihnen steht die Welt offen, Sie gehören zu den begehrtesten Junggesellen Düsseldorfs — also greifen Sie doch zu, wählen Sie!«

«Das will ich ja, Frau Fabrici«, sagte Peter errötend.

«So?«Mimmi freute sich, weiterer Bemühungen enthoben zu sein.»Wen denn?«

«Karin.«

Mimmis Miene verschattete sich wieder.

«Aber ich sage Ihnen doch, daß das nicht in Frage kommt.«

«Warum nicht? Ihren eigenen Worten nach bin ich doch eine Partie, die — «

«Herr Krahn«, unterbrach ihn Mimmi,»zwingen Sie mich nicht zu einer Deutlichkeit, die ich gerne vermieden hätte.«

Langsam schwoll auch ihm der Kamm. Er hatte es nicht nötig, sich hier so behandeln zu lassen.

«Nur raus mit der Sprache, Frau Fabrici!«stieß er hervor.

«Lieber nicht.«

«Doch, doch, ich kann mir ja denken, was Ihnen auf der Zunge schwebt.«

Mimmi zögerte nur kurz, ehe sie erwiderte:»Also gut, ich habe Ihnen gesagt, daß Karin keine Frau für Sie ist. Ich hätte aber besser sagen sollen, daß Sie kein Mann für Karin sind. Der Maßstab, den meine Tochter anlegen kann, ist einfach… für den sind Sie einfach… sind Sie einfach.«

Das Wort wollte ihr nun doch nicht über die Lippen, aber er half ihr, indem er einfieclass="underline" ». zu primitiv, nicht?«

Getreu dem Sprichwort, daß keine Antwort auch eine Antwort sei, blickte sie ihn schweigend an.

«Aber Ihrem Mann, Frau Fabrici«, sagte er nach einer Weile,»bin ich das nicht.«

«Was sind Sie dem nicht?«

«Zu primitiv.«

«Bei meinem Mann«, scheute sich Mimmi nicht zu sagen,»ist das kein Wunder. Wenn er nicht ständig zwischen Ihnen und Karin sozusagen am Einfädeln wäre, säßen Sie ja gar nicht hier. Dann wären Sie überhaupt noch nie auf die Idee gekommen, sich meine Tochter in den Kopf zu setzen.«

Ein Wasserfall löste sich in Mimmi. Sie sprudelte los:»Sind Sie sich denn im klaren, was das heißt? Die größte deutsche Illustrierte bringt eine solche Veröffentlichung. Millionen sehen die Fotos von Karin, lesen, was sich ereignet hat. Sie sind entzückt. Der Nachweis ist geliefert, daß Karin eines der schönsten Mädchen ist, die's überhaupt gibt. Daß sie daneben auch ein intelligentes, gebildetes Mädchen mit Abitur ist, erfährt die Öffentlichkeit ebenfalls. Jederzeit, wenn sie will, kann sie ihr Studium fortsetzen. Ich bin so stolz auf sie, und ich weiß, daß es jetzt darauf ankommt, aufzupassen, daß sie ihren Weg macht, einen anderen, als es der meine war. Erst stand ich jahrelang hinter dem Ladentisch, dann verlangte mein Mann sogar auch noch, daß ich Buchhaltung nachlernte, damit eine Kraft eingespart werden kann. Dasselbe Schicksal würde Karin bei Ihnen blühen, Herr Krahn — «

«Wer sagt denn das?«unterbrach er sie.

«Ich sage das, Herr Krahn, ich! Sie haben doch die gleiche Mentalität wie mein Mann, deshalb sind Sie ihm ja auch so sympathisch, darum ersehnt er Sie als Schwiegersohn. Aber schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Soll ich Ihnen die einzige Möglichkeit, wie das zustande kommen könnte, verraten? Soll ich das?«

«Ja.«

«Nur über meine Leiche!«

Erschöpft schwieg nun Mimmi. Sie hatte sich völlig verausgabt. Dieser ganze Morgen war eine außerordentliche Strapaze für sie; er hatte ihr zugesetzt, wie schon lange keiner mehr.

«Über Ihre Leiche«, sagte Peter Krahn erbittert,»nein, das möchte ich nicht.«

Er erhob sich, um zur Tür zu gehen.

«Nachdem das so ist«, fuhr er dabei fort,»habe ich hier nichts mehr verloren.«

Er streckte die Hand nach der Klinke aus, da wurde die Tür von der anderen Seite her geöffnet. Paul Fabrici kam zurück und fragte:»Wohin, Peter?«

«Ich habe hier nichts mehr verloren«, wiederholte der junge Mann.

Ein rascher Blick Pauls, der nichts Gutes verhieß, streifte Mim-mi und kehrte zu Krahn zurück.