Выбрать главу

«Ach die! Sieh dir doch die Frisur von der an, dann weißt du Bescheid!«

«Aber recht hat sie!«fing Paul zu brüllen an.»Hundertprozentig recht! Das Ganze ist ja auch ein Zirkus, wie man sich ihn nicht übler vorstellen kann! Und das mit meiner Tochter!«

«Mit unserer Tochter«, benützte Mimmi die Gelegenheit, sich einmal zu revanchieren.

Paul sprang auf und stampfte durchs Zimmer.

«Ich werde wahnsinnig«, wiederholte er dabei.

Inzwischen lief schon der Text des Reporters Wilhelm Wedemeyer.

«.ein rheinisches Mädchen, entzückend anzusehen und hochintelligent, wie wir unseren Zuschauern versichern können.«

«Hochintelligent?«schrie Paul Fabrici außer sich.»Du Arschloch!«titulierte er den Mann, von dem nur die Stimme zu hören war.»Saublöd ist die! Das beweist sie doch mit dem, was sie treibt, du Vollidiot!«

«Paul!«

«Ich schreibe denen in Mainz einen Brief, den sie sich.«

Er holte keuchend Atem und war so wütend, daß er, als er fortfuhr, nicht den berühmten Spiegel anführte, sondern sagte:». in den Arsch stecken können!«

«Paul!!«

Das ergab natürlich einen ganz falschen Sinn, was Paul da gesagt hatte, aber trotzdem wiederholte er es:»In den Arsch, jawohl!«

«Mäßige dich, Paul, ich bitte dich!«

Ein Teil von Wedemeyers Text wurde wieder verständlich.

«.habe ich mit Einheimischen gesprochen, mit alten Nickeroo-gern, denen nach Friesenart jedes Wort eher aus der Nase gezogen werden muß, als daß sie es einem nachwerfen, ja, und die sagten mir, daß sie noch keine solche Miß Nickeroog< erlebt haben. Schon bei ihrer Ankunft auf der Insel war jedem klar, wie die Wahl in diesem Jahr nur enden könne.«

Paul fiel wieder auf seinen Stuhl.

«Mimmi«, stöhnte er,»mach den Kasten aus!«

«Nein.«

«Schalt ihn ab! Das ist doch dasselbe Gequatsche wie von dem Weibsbild!«

«Psst«, machte Mimmi.»Ich möchte alles hören, es geht doch um Karin. Ich verstehe nicht, daß dich das nicht interessiert.«

«Mich nicht interessiert?!«schrie Paul.»Und wie mich das interessiert! Gerade deshalb halte ich den nicht mehr aus«, fügte er unlogisch hinzu, sprang auf, rannte zum Fernsehapparat und schaltete ihn ab.

Mimmi fing sofort an zu weinen.

Paul stampfte wieder auf und ab, blieb kurz stehen, schüttelte den Kopf, sagte:»Wie man sich in einem Menschen nur so täuschen kann.«

Mimmi, zutiefst getroffen, weinte nur.

«Über meine Schwelle braucht mir ein solches Arschloch nicht mehr zu kommen«, fuhr Paul Fabrici erbittert fort.

In Mimmi bäumte sich etwas auf.

«Das wird ja immer toller!«rief sie unter Schluchzen.»Du kannst doch deshalb nicht deine Tochter verstoßen! Kennst du denn überhaupt keine Grenzen mehr?«

«Ich rede doch nicht von Karin, du dumme Gans!«

«Von wem dann?«

«Von Peter Krahn, diesem Scheißkerl.«

Die Kriterien Mimmis, wenn sie an den jungen Mann dachte, waren zwar andere als die ihres Gatten, aber da sie sich mit denen Pauls im Resultat nunmehr trafen, erhob Mimmi keinen Widerspruch.

«Ich habe ihm doch gesagt, wie er vorgehen soll«, fuhr Paul fort.»Ganz eindeutig habe ich ihm das gesagt.«

Mimmis tränennasser Blick haftete wieder an der blind gewordenen Bildscheibe, während Paul schloß:»Aber der hat wohl Angst vor der eigenen Courage bekommen, als er vom Schiff ging. Nee, nee, einen solchen Schwiegersohn kann ich nicht haben. Gott sei Dank, daß sich das noch rechtzeitig herausgestellt hat. Wenn ich einmal die Augen zumache, muß ein Mann in meine Fußstapfen treten, der sich überall durchsetzen kann, privat und geschäftlich, sonst sehe ich für die Firma schwarz.«

«Kann ich den Apparat wieder einschalten?«fragte Mimmi, sich mit dem Taschentuch die Tränen trocknend.

«Nein!«

«Bitte.«

Paul Fabrici hob die Faust, um sie auf den Tisch niedersausen zu lassen, ließ sie jedoch auf halbem Wege in der Luft stehen, hielt sie einen Augenblick still, öffnete die Finger und winkte schroff und verächtlich in Richtung Fernseher.

«Von mir aus.«

Unglaublich behende löste sich Mimmi von ihrem Sessel und drückte die Taste, die ihr Karin wieder ins Zimmer zauberte. Karins Einzug in den Saal des Kurhauses war aber schon vorüber. Sie saß bereits auf ihrem Thron, umschwärmt von Männern, die zur Prominenz der Insel gehörten.

Die Stimme des Reporters sagte soeben:». sseldorf kann stolz sein auf ein solches Aushängeschild vom Ufer des deutschesten aller Ströme. Diese Versicherung gab mir ein trefflicher alter Herr hier, gewiß kein Nationalist, wie man vielleicht meinen könnte, sondern ein alter Reitersmann, auch das sagte er mir selbst, der viel gesehen hat in seinem Leben und von sich sagen kann, nicht nur von Adel der Geburt, sondern auch der Gesinnung zu sein, weshalb er zwischen falscher und echter weiblicher Schönheit zu unterscheiden weiß. Die Miß Nickeroog< dieses Jahres, behauptet er, übertrifft alle ihre Vorgängerinnen; eine Filmkarriere scheint ihr gewiß. Nun.«

«Mimmi«, übertönte Pauls Stimme wieder die des Reporters,»wird dir denn das nicht auch zuviel? Dieser Scheißdreck?«

«Im Gegenteil, ich bin ja so glücklich, unsere Karin macht Karriere — «

«Wo denn?«fiel er ihr ins Wort.

«Beim Film, das hörst du doch.«

Paul verdrehte die Augen.

«Du glaubst wohl jeden Mist, den man dir erzählt?«

Mimmi hörte gar nicht hin.

«Oder beim Fernsehen«, sagte sie selig.»Wenn nicht bei dem einen, dann bei dem anderen; so geht das doch heutzutage.«

Wieder die Stimme des Reporters:»Nickeroog hat seinen großen Tag, seinen großen Abend. Die Königin sitzt auf ihrem Thron, schwingt ihr Zepter, und die Untertanen jubeln ihr zu, vor allem die Männer — «

«Ja, schlafen wollen die alle mit ihr!«grollte Paul Fabrici.

«Ein junges Mädchen«, schloß Wilhelm Wedemeyer,»hat das Tor zu einer neuen Welt für sich aufgestoßen.«

«So hör das doch, Paul«, meinte Mimmi.

Aber er zeigte mit dem gestreckten Finger auf den Apparat, aus dem die Reporterstimme kam, und schrie:»Frag ihn doch, dieses Arschloch, wie viele dieser Nickerooger Missen schon Karriere beim Film oder Fernsehen gemacht haben! Frag ihn! Nicht eine, behaupte ich! Keine einzige!«

«Woher willst du denn das wissen?«

«Das ist allgemein bekannt. Nur deine russischen Dichter, von denen du dich gegenwärtig wieder besoffen machen läßt, scheinen davon keine Ahnung zu haben, nehme ich an.«

Mimmi gedachte den fruchtlosen Streit zu beenden, indem sie würdevoll sagte:»Zu Zeiten Dostojewskis und Tolstois gab es noch kei-nen Film und erst recht kein Fernsehen, deshalb konnten die darüber auch noch nichts schreiben, das ist klar.«

Auf dem Bildschirm flimmerten schon die Aufnahmen von einer Modenschau in Rom.

Paul Fabrici blickte seine Frau an. Sekundenlang. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, schloß ihn aber wieder und meinte nur:»Es hat ja doch keinen Zweck.«

Dann ging er aus dem Zimmer. Mimmi hörte ihn draußen im Flur die Treppe hinaufsteigen.

Die Modenschau zeigte, daß die Verrücktheiten der Italiener denen der Franzosen nicht nur hart auf den Fersen waren, sondern daß sie sie schon eingeholt hatten. Mimmi fand die Kleider himmlisch und vergaß dabei ganz, daß nicht einmal die Hälfte von ihr in eines dieser Modelle hineingepaßt hätte.

Paul Fabrici rief von oben herunter nach dem Dienstmädchen. Als Mimmi das hörte, wurde sie besorgt, denn im allgemeinen hielt Paul sich an sie, wenn er etwas brauchte. Überging er sie, dann führte er etwas Besonderes im Schilde. Während Mimmi noch nachdachte, hörte sie das Dienstmädchen die Stufen hinauflaufen.

Die Modenschau war zu Ende. Als nächstes folgte ein Bericht über die Ausbildung Behinderter in einer speziellen Werkstatt.