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Er lächelte. »Hättest du lieber abgelehnt?«, fragte er mit gehobenen Brauen.

Sie sah ihm ins Gesicht und erkannte die plötzlich in seinen Augen aufblitzende Belustigung wie auch die Überzeugung,

»Nein, natürlich nicht«, gab sie mit einem Lächeln zurück. »Ich bin einfach ein bisschen nervös. Ich habe im Haus der Tyrones ein paar von den Leuten kennengelernt und bin mir nicht sicher, ob die Begegnung ausschließlich freundschaftlicher Natur war.«

»Kann ich mir vorstellen«, sagte er. »Aber ich kenne dich, und ich kenne auch Dolina ein wenig. Der Tee bei ihr dürfte interessant sein. Und die Bilder werden dir gefallen. Ich glaube, es sind Impressionisten.« Er stand auf. Mit seinem einwandfrei geschnittenen Jackett und seiner sorgfältig gebundenen Krawatte wirkte er ausgesprochen elegant, wie er zum Gehen bereit dastand.

»Victor!« Zum ersten Mal benutzte sie seinen Vornamen spontan.

Sie wusste kaum, wie sie beginnen sollte, doch war ihr klar, dass sie unbedingt sagen musste, was zu sagen war.

Er wartete. Sie zwang sich zu einem Lächeln.

»Wenn ich zu der Gemäldeausstellung gehen soll, würde ich mir gern vorher eine neue Bluse kaufen.« Sie spürte, wie ihr vor Peinlichkeit die Röte ins Gesicht stieg. »Meine Mittel erlauben mir aber nicht …«

»Selbstverständlich«, sagte er rasch. » Wir gehen, sobald du mit dem Frühstück fertig bist. Vielleicht sollten wir sogar zwei kaufen. Du kannst unmöglich bei allen Gelegenheiten immer völlig gleich gekleidet auftreten. Meinst du, dass du in einer halben Stunde fertig sein kannst?« Er sah zur Kaminuhr hin.

»Um Himmels willen! In der Zeit könnte ich sogar noch Mittag essen. Es dauert höchstens zehn Minuten«, rief sie aus.

» Wirklich? Dann warte ich an der Haustür auf dich.« Er sah überrascht aus und unübersehbar zufrieden.

Schon nach knapp dreihundert Metern stießen sie auf eine Droschke, mit der sie in die Stadtmitte fahren konnten. Narraway schien genau zu wissen, wohin er wollte, und ließ den Kutscher vor einem überaus exklusiv aussehenden Geschäft für Damenmoden anhalten.

Charlotte konnte sich die dort üblichen Preise nur allzu gut vorstellen, und so war ihr klar, dass sie ihr Budget bei weitem überstiegen. Warum nur hatte er sie ausgerechnet dorthin gebracht? Ihm musste doch bekannt sein, was Pitt verdiente!

Er hielt ihr die Ladentür auf, doch statt einzutreten, sagte sie: »Könnten wir bitte ein etwas weniger teures Geschäft aufsuchen? Ich denke, dass die hier geforderten Preise meine Möglichkeiten übersteigen, vor allem, wenn man bedenkt, dass ich etwas kaufen möchte, was ich möglicherweise nicht oft tragen werde.«

Er sah sie überrascht an.

»Vermutlich hast du ja noch nie eine Bluse gekauft«, sagte sie mit leichter Schärfe in der Stimme, weil sie sich gedemütigt fühlte. »Die können ziemlich teuer sein.«

»Ich hatte nicht die Absicht, dich dafür bezahlen zu lassen«, sagte er. »Da der Kauf im Zusammenhang mit meinen Erkundigungen steht, muss ich auch dafür aufkommen.«

»An diesen Erkundigungen bin ich in gleicher Weise wie du interessiert«, gab sie zu bedenken.

»Können wir das drinnen besprechen?«, fragte er. »So, wie wir hier am Eingang stehen, lenken wir nur die Aufmerksamkeit der Leute auf uns.«

Sie ging rasch hinein, über ihn wie auch sich selbst gleichermaßen verärgert. Sie hätte die Situation voraussehen und vermeiden sollen.

Eine ältere Verkäuferin kam auf sie zu. Sie trug ein unglaublich gut geschnittenes schwarzes Kleid ohne jede Verzierung. Es war so elegant, dass es keine bessere Werbung für das Geschäft hätte geben können. Liebend gern hätte Charlotte ein Kleid gehabt, das so erstklassig saß. Sie hatte nach wie vor eine sehr gute Figur, und ihr war klar, dass sie diese damit in äußerst vorteilhafter Weise zur Geltung bringen würde.

»Wir würden uns gern einige festliche Blusen ansehen«, erklärte Narraway. »Sie sollten für den Besuch einer Kunstausstellung oder einer Nachmittags-Teegesellschaft geeignet sein.«

»Gewiss, mein Herr«, sagte die Verkäuferin. Sie sah Charlotte nicht einmal eine Minute lang an, um zu überlegen, was ihr passen und stehen könnte, dann warf sie einen kurzen Blick auf Narraway, möglicherweise, um seine Finanzkraft einzuschätzen. Bei dem Gedanken an seinen eleganten und zweifellos teuren Anzug wurde Charlotte ganz flau im Magen. Zweifellos war die Frau zu dem naheliegenden Schluss gekommen, dass sie es mit einen Ehepaar zu tun hatte. Mit wem außer ihrem Gatten würde eine achtbare Frau ein so intimes Kleidungsstück wie eine Bluse kaufen gehen? Sie hätte darauf bestehen sollen, dass er sie zu einem anderen Geschäft brachte und draußen wartete. Allerdings hätte sie sich dann das Geld von ihm leihen müssen.

»Victor, das ist unmöglich«, flüsterte sie, kaum dass die Verkäuferin außer Hörweite war.

»Ach was, nicht im Geringsten«, widersprach er. »Es ist nötig. Möchtest du etwa, dass sich die Leute das Maul zerreißen, weil du ständig mit denselben Sachen aufkreuzt? So etwas erregt Aufsehen, das weißt du besser als ich. Dann wird man sich fragen, wie unsere Beziehung aussehen mag und warum ich mich nicht besser um dich kümmere.«

Sie versuchte sich ein schlagendes Gegenargument zu überlegen, doch ihr fiel keines ein.

»Oder willst du etwa den Kampf ganz aufgeben?«, fragte er.

»Natürlich nicht!«, gab sie zurück. »Aber …«

»Dann sei bitte still und lass die Sache auf sich beruhen.« Er schob sie ein wenig weiter in den Laden. Wenn sie sich dagegen gewehrt hätte, wäre der Druck seiner Finger auf ihrem Arm schmerzhaft gewesen. Sie beschloss, ihn später zur Rede zu stellen und ihm klipp und klar zu sagen, was sie von der ganzen Sache hielt.

Die Verkäuferin kehrte mit mehreren Blusen zurück, eine schöner als die andere.

»Wenn die Dame sie anprobieren möchte – dort finden Sie einen dafür vorgesehenen Raum.«

Charlotte dankte ihr und folgte ihr auf dem Fuß. Zwar waren alle Blusen hinreißend, aber am schönsten fand sie eine mit schwarzen und bronzefarbenen Streifen, die ihr so gut passte, als sei sie eigens für sie entworfen und zugeschnitten worden, sowie eine weiße Baumwollbluse mit Spitzenbesatz, Rüschen und Perlmuttknöpfen, die ungeheuer weiblich wirkte. Nicht einmal als junges Mädchen hatte sie sich zu der Zeit, als ihre Mutter versucht hatte, sie mit einem passenden Mann zu verheiraten, so attraktiv gefühlt, beinahe geradezu schön.

Die Versuchung, beide zu kaufen, war zu groß.

Die Verkäuferin kehrte zurück, um zu sehen, ob sich die Kundin entschieden hatte oder sich noch mehr Blusen ansehen wollte.

»Ah«, sagte sie gedehnt. »Das ist genau das Richtige für Sie, es könnte nicht herrlicher sein.«

Charlotte zögerte, während sie die gestreifte Bluse auf ihrem Bügel mit begehrlichen Augen ansah.

»Eine glänzende Wahl. Vielleicht möchten Sie sehen, welche Ihrem Mann besser gefällt?«, regte die Frau an.

Gerade als Charlotte dazu ansetzte, ihr mit vorsichtigen Worten zu erklären, dass Narraway nicht ihr Mann sei, sah sie

Wenn sie ihm nicht vor der Verkäuferin widersprechen und eine für alle peinliche Situation heraufbeschwören wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Sie trat in den Anproberaum zurück, schloss die Tür und zog ihre eigene Alltagsbluse wieder an.

»Das hättest du nicht tun sollen«, sagte sie, kaum, dass sie den Laden verlassen hatten. »Ich habe keine Ahnung, wie ich das je wiedergutmachen könnte.«

Er blieb stehen und sah sie einen Augenblick lang an.

Als sein Ärger schlagartig dahinschwand, musste sie daran denken, wie er sie im Laden angesehen hatte, und mit einem Mal bekam sie Angst.

Er hob die Hand und berührte ihre Wange leicht mit den Fingerspitzen. Es war eine äußerst zärtliche und zugleich intime Geste.

»Indem du mir hilfst, meinen Namen von dem Makel zu befreien«, sagte er. »Das ist mehr als genug.«