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Er nippte an einem Glas sirop und betrachtete nachdenklich Mr. Goby.

Mr. Goby, klein, knochig und eingefallen, war immer erfrischend unscheinbar gewesen, und mittlerweile sah er so unscheinbar aus, dass er praktisch überhaupt nicht zu existieren schien. Seine Augen ruhten nicht auf Poirot, weil Mr. Gobys Augen nie auf jemandem ruhten.

Die Äußerungen, die er machte, richtete er an die linke Ecke der verchromten Kamineinfassung.

Mr. Gobys Metier war es, Informationen zu beschaffen. Nur sehr wenige Menschen kannten ihn und nur sehr wenige nahmen seine Dienste in Anspruch - aber diese wenigen waren meist ausgesprochen vermögend. Das mussten sie auch sein, denn Mr. Goby war sehr teuer. Seine Spezialität bestand darin, Informationen praktisch über Nacht einzuholen. Ein Wink seines gummiartigen Daumens genügte, und Hunderte von Männern und Frauen - alt und jung, aus sämtlichen Gesellschaftsschichten - stoben in alle Winde, um geduldig, bohrend, unverdrossen Fragen zu stellen, auf den Busch zu klopfen, Ergebnisse vorzuweisen.

Mr. Goby hatte sich mittlerweile mehr oder minder aus dem Geschäft zurückgezogen, doch gelegentlich erwies er einem langjährigen Klienten noch einen Gefallen. Hercule Poirot war einer von ihnen.

«Ich habe mein Bestes getan, um so viel wie möglich für Sie herauszufinden», erzählte Mr. Goby dem Feuer im leisen, vertraulichen Flüsterton. «Ich habe die Jungs losgeschickt. Sie tun, was sie können - nette Burschen - allesamt nette Burschen, aber nicht aus demselben Holz wie früher. Solche gibt es heute gar nicht mehr. Sie wollen nicht lernen, das ist das Problem. Glauben, dass sie nach zwei Jahren schon alles wissen. Und sie rechnen nach der Minute ab - nach der Viertelminute.»

Bedrückt schüttelte er den Kopf und ließ seinen Blick zu einer Steckdose wandern.

«Schuld ist die Regierung», klagte er ihr. «Dieser ganze Wirbel um Bildung. Das steigt ihnen zu Kopf. Die kommen zurück und erzählen uns, was sie denken. Dabei können sie gar nicht denken, zumindest die meisten nicht. Kennen nur Sachen, die in Büchern stehen. Das nützt ihnen in unserem Gewerbe gar nichts. Was wir wollen, was wir brauchen, das sind Antworten - keine Gedanken.»

Mr. Goby lehnte sich im Sessel zurück und zwinkerte dem Lampenschirm zu.

«Aber wir dürfen die Regierung nicht verteufeln! Ich weiß gar nicht, was wir ohne sie tun sollten. Ich kann Ihnen sagen, heute kann man fast überall hineinspazieren, mit einem Notizblock und einem Stift in der Hand, anständig angezogen und mit dem richtigen Akzent, und die Leute nach den intimsten Details ihres gegenwärtigen und früheren Lebens befragen und was sie am 23. November zum Mittagessen hatten, weil das für eine Erhebung über das Einkommen der Mittelschicht gebraucht wird - oder was auch immer - vielleicht sagen wir <die obere Mittelschicht), dann fühlen sie sich geschmeichelt - man kann sie nach Gott und der Welt befragen. Neun von zehn Malen antworten sie aufs Freundlichste, und wenn nicht, wenn der Zehnte Ihnen grob kommt, zweifelt er keinen Augenblick daran, dass Sie genau das sind, wofür Sie sich ausgeben - und dass die Regierung das wirklich wissen will - aus irgendeinem unerfindlichen Grund! Ich kann Ihnen sagen, Monsieur Poirot», sagte Mr. Goby, noch immer an den Lampenschirm gerichtet, «das ist die beste Masche überhaupt. Viel besser als den Stromzähler abzulesen oder die kaputte Telefonleitung zu reparieren - ja, oder als die Besuche von Nonnen und Spenden sammelnden Pfadfindern - obwohl wir das auch noch machen. Doch, die Schnüffelei der Regierung ist ein Geschenk Gottes für uns Ermittler. Möge sie uns noch lange erhalten bleiben!»

Poirot erwiderte nichts. Mit dem Alter war Mr. Goby etwas redselig geworden, aber früher oder später würde er auf das Wesentliche zu sprechen kommen.

«Ah», sagte Mr. Goby und holte ein schäbiges kleines Heft hervor. Dann befeuchtete er einen Finger und blätterte die Seiten durch. «Hier. Mr. George Crossfield. Mit dem fangen wir an. Nur die Tatsachen. Sie wollen gar nicht wissen, wie ich an sie herangekommen bin. Bei dem ist schon lange was faul. Vor allem Pferderennen und Zocken - Frauen interessieren ihn nicht besonders. Fährt ab und zu nach Frankreich rüber, auch nach Monte Carlo. Verbringt viel Zeit im Casino. Zu schlau, um dort Schecks einzulösen, hat aber viel mehr Geld als er legal umtauschen darf. Da habe ich nicht weiter nachgeforscht, weil Sie sich dafür nicht interessieren. Aber er hat keine moralischen Bedenken, das Gesetz zu umgehen - und als Anwalt weiß er, wie man’s anstellen muss. Einiges deutet darauf hin, dass er Gelder veruntreut hat, die ihm zum Investieren gegeben wurden. In letzter Zeit ist er ziemlich abgestürzt - an der Börse und bei den Kleppern! Schlechtes Augenmaß und einfach auch Pech. Seit drei Monaten war er ziemlich neben der Matte. Hatte Sorgen, war im Büro schlechter Laune, gereizt. Aber seit sein Onkel gestorben ist, hat er sich um hundertachtzig Grad gedreht. Grinst wie ein Honigkuchenpferd.

Also, jetzt zu der Information, um die es Ihnen ging. Die Aussage, dass er am fraglichen Tag beim Rennen in Hurst Park war, ist mit größter Wahrscheinlichkeit falsch. Er schließt seine Wetten fast immer bei einem von zwei Buchmachern dort ab. Die haben ihn an dem Tag nicht gesehen. Möglich, dass er sich in Paddington in den Zug setzte, mit unbekanntem Ziel. Der Taxifahrer, der einen Fahrgast nach Paddington brachte, hat das Foto nicht zweifelsfrei identifiziert. Ich würde mich nicht drauf verlassen. Er ist ein sehr durchschnittlicher Typ - nichts Auffälliges. Kein Erfolg mit Gepäckträgern und so weiter in Paddington. Am Bahnhof in Cholsey ist er jedenfalls nicht angekommen - der ist für Lytchett St. Mary der nächste. Kleiner Bahnhof, wo jeder Fremde auffällt. Hätte in Reading aussteigen und mit dem Bus weiterfahren können. Es verkehren viele Busse, alle sehr voll, und außer dem direkten Bus nach Lytchett St. Mary gibt es mehrere, die in die Nähe fahren. Aber den direkten hätte er nie genommen, jedenfalls nicht, wenn er es ernst meinte. Insgesamt kommt er eher nicht in Frage. Wurde in Lytchett St. Mary nicht gesehen, aber das hat nichts zu sagen. Man braucht nicht unbedingt durchs Dorf zu gehen, um zum Haus zu kommen. Übrigens war er in Oxford bei der Theatergruppe. Wenn er an dem Tag wirklich zum Cottage gefahren ist, hat er vielleicht nicht ganz so ausgesehen, wie man ihn sonst kennt. Ich behalte ihn mal auf der Liste, ja? Ich würde da gerne was mit der Schwarzmarktsache machen.»

«Sie können ihn auf der Liste lassen», befand Hercule Poirot.

Mr. Goby feuchtete wieder seinen Finger an und blätterte zur nächsten Seite seines Notizhefts.

«Mr. Michael Shane. In der Branche hält man ziemlich viel von ihm. Er selbst hält noch mehr von sich. Will ein Star werden, und zwar schnell. Liebt Geld und lässt es sich gern gut gehen. Sehr anziehend für Frauen. Die fallen praktisch über ihn her. Das stört ihn nicht, ganz im Gegenteil, aber das Theater kommt bei ihm an erster Stelle. Er treibt sich mit Sorrel Dain-ton herum, die in seinem letzten Stück die Hauptrolle spielte. Er hatte nur eine kleine Rolle, kam aber sehr gut an. Der Ehemann von Miss Dainton kann ihn nicht leiden. Seine Frau weiß nichts von dieser Verbindung. Anscheinend weiß sie überhaupt sehr wenig. Auch keine besonders gute Schauspielerin, aber was fürs Auge. Verrückt nach ihrem Mann. Man hat läuten hören, dass es vor kurzem einen handfesten Krach zwischen ihnen gegeben hat, aber das ist jetzt offenbar vorbei. Seit dem Tod von Mr. Richard Abernethie.»

Den letzten Satz unterstrich Mr. Goby, indem er einem Sofakissen zunickte.

«Am fraglichen Tag, sagte Mr. Shane, habe er sich mit einem Mr. Rosenheim und einem Mr. Oscar Lewis getroffen, um etwas Geschäftliches zu besprechen. Stimmt nicht. Er hat ihnen telegrafiert, es täte ihm sehr Leid, er sei verhindert. Dann ist er zu den Leuten von Emerald Car gegangen, wo man Autos mieten kann. Etwa um zwölf Uhr hat er den Wagen abgeholt und ist weggefahren. Abends um sechs war er wieder da. Dem Kilometerzähler nach war er ziemlich genau die fragliche Strecke gefahren. Keine Bestätigung aus Lytchett St. Mary. Offenbar wurde an dem Tag überhaupt kein fremdes Auto gesehen. Es gibt viele Plätze in der Umgebung, wo er es hätte stehen lassen können. Und ein paar hundert Meter vom Cottage entfernt ist ein aufgelassener Steinbruch. Drei Marktstädte in Gehweite, wo man in Seitenstraßen parken kann, ohne dass man der Polizei auffällt. Wir behalten Mr. Shane im Auge?»